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Da haben wir jahrelang den eifrigsten Verfechtern der reinen Lehre, der
besten Taktik, der hehrsten Prinzipien und der festesten Moral, und vor allen den unermüdlichsten
Nutzerinnen und Nutzern des Superlativs, des kleinen, aber fiesen Feinds der materialistischen Analyse,
eingebläut, stets auf der Hut zu sein. Wenn ihr glaubt vorm Haus alles in Ordnung, dem letzten
Gartenzwerg den Scheitel gezogen zu haben, dann missachtet bitte die Hintertür nicht. Und jetzt ist es
uns selbst passiert. Oder doch nicht? Es ist dem mit der Google-Taste vertrauten Zeitgenossen, der minder
begabten Zuarbeiterin des Verfassungsschutzes und schon gar den peniblen Leserinnen und Lesern der SoZ
nicht verborgen geblieben, dass der Autor dieser monatlichen viertausend Zeichen im wahren Leben ein
politisches Amt, eine Funktion eingenommen hat, die, wenn sie denn läuft, zur Führung des Namens
Funktionär berechtigt.
Bundesvorstandsmitglied einer Partei, einer
linken Partei! Der Hofnarr wird Großwesir des Königs von der Furt der Schweine, welch ein
Abstieg, welch eine Gängelung der Fantasie. Da nützt es nichts, dass diese Partei sich den selbst
für die Verhältnisse der deutschen Arbeiterbewegung beknackten Namen «Wahlalternative Arbeit
und Soziale Gerechtigkeit» gegeben hat, der hört sich nicht nur nach der berühmten
leninschen Bahnsteigkarte an, sondern nach Bahnsteigsmonatskarte.
Aber es ist keine Parodie, der bittere
Ernst umwabert unseren Miezekatzensessel. Eine neue linke Partei, vor allem DIE neue linke Partei wäre
ja wie ein Schlaraffenland, ein nicht endendes Labsal für unsere Kolumne gewesen. Was tummelt sich
dort nicht alles? Liebe Jungs und Mädels, die sich lange vor Roman-Ruck-Herzog mit dem selbst
gewählten Namen Linksruck Mut machten und nun mit soviel Spaß an der Taktik herumwirbeln, dass
sie sich immer häufiger selbst austricksen. Treue Missionare der Sozialistischen Alternative, die von
Leuten, die sich nicht missionieren lassen wollen, in den Kochtopf gesteckt werden. Das lebende Fossil, das
ein schrulliges Magazin mit dem unbescheidenen Namen Sozialismus herausbringt und seit dreißig Jahren
an DEM sozialistischen Konzept arbeitet, das die deutsche Rektorenkonferenz nach der Lektüre so in
Ekstase versetzt, dass sie vor Freude den Sozialismus einführt. Dazu das lustig lodernde Fegefeuer der
Eitelkeiten von Jungabgeordneten, die sich gar nicht entscheiden können, welcher Autorität sie
sich mehr beugen sollen, der Geschäftsordnung des Bundestags oder dem doppelköpfigen
Fraktionsvorsitzenden. Das Ensemble von frisch gekürten Riesenstaatsfrauen und -männern, die als
Neunprozentpartei gerne hundertfünfzig Prozent Regierung spielen wollen, frei nach dem Motto «Geh
in das Gefängnis, gehe direkt dorthin, gehe nicht über Los». Und drum herum Hunderte von
Satzungsfreaks, die alles und vor allem sich selbst durcheinander bringen, mindestens fünf
Anwälte zur Klärung von zweieinhalb Statutenzusammenbrüchen um sich versammeln und die nur
noch von den wirklichen Infektionskranken der Moderne, den Gründern, Nutzern und unter Protest wieder
Austretern von Internetforen getoppt werden
Und über all das in
bundesvorständlicher Besonnenheit nichts schreiben? Stattdessen ist nur noch eine Gespensterdebatte
erlaubt, die wir als Gralshüter des wahren Leninismus aber auch zu schätzen wissen: Im Wohnhaus
von Lenin in seiner Studentenheimat Samara an der Wolga, das heute als Lenin-Museum gepflegt wird, soll es
spuken. Das Bett von Lenin wäre eines Tages trotz verschlossener Museumstüren benutzt gewesen.
Regelmäßig würde es zudem nach Lenins Lieblingsspeise, frisch gebackenem Apfelkuchen,
riechen. Gegenstände würden auf ungeklärte Weise bewegt werden und es wären Schritte zu
hören. Revolutionäre Schritte oder ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück? Die
Direktorin vermutet, Lenin hätte Hunger. Und wo Hunger herrscht, sagt uns Brecht, herrscht Logik. Also
fresst euch über die Jahresendtage nicht zu voll und im neuen Jahr, bitte, bitte, vertreibt den Tiger
aus diesem Haus. Wir packen auch mit an.
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