SoZSozialistische Zeitung |
Momentan gerät die Lage des palästinensischen Volkes gegenüber
den Umwälzungen, die gegenwärtig auf der politischen Bühne Israels geschehen, in den
Hintergrund. Einerseits gründet Ariel Sharon seine eigene Partei, andererseits tritt Amir Peretz an
die Spitze der Arbeitspartei.
Israels Ministerpräsident Ariel Sharon hat den Likud, die Partei, die ihn an die Macht
gebracht hat, verlassen und seine eigene Formation gegründet, die «Nationale Verantwortung».
«Eine Partei, die eindeutig in der Mitte steht», kündigte Sharon an… Ariel Sharon, ein
Mann der Mitte? Die Rechte muss dann schon sehr rechts sein. Der ehemalige Ministerpräsident Benyamin
Netanyahu trachtet nun nach der Spitze des Likud. Nicht dass er links wäre, aber seine rechten Exzesse
seit einem Jahr sind nur ein Mittel in seinem Kampf um die Macht; er ist eine Art israelischer Sarkozy. Das
einzige Ziel, das Netanyahu verteidigt, ist… Netanyahu selbst. In seltener Beharrlichkeit sabotierte
er alle politischen Initiativen Sharons.
Sharon hat jedoch ein strategischeres
politisches Projekt. Er hat verstanden, dass der permanente Kleinkrieg, den ihm die Opposition im Likud
auferlegt hatte, ihn daran gehindert hat, politische Maßnahmen zu ergreifen, die er als notwendig
für die Zukunft des Zionismus und der Kolonisierung betrachtet. Um die erforderliche Zeit für die
Fortsetzung der Kolonisierung des Westjordanlands zu erhalten, muss Israel politische Maßnahmen
ergreifen, durch die die internationale Gemeinschaft beruhigt werden kann. Der einseitige Rückzug aus
dem Gazastreifen ist eine davon, der Abbau einiger isolierter Siedlungen im Herzen palästinensischer
Städte und Dörfer könnte eine andere sein.
Um sein Projekt entsprechend zu verfolgen,
glaubte Sharon, sich von den Saboteuren innerhalb seines eigenen Lagers trennen zu müssen, um so mehr
als vorgezogene Wahlen unvermeidlich sind. Sie wurden Sharon durch den neuen Vorsitzenden der
Arbeitspartei, Amir Peretz, aufgezwungen, der gefordert hatte, dass die Minister der Arbeitspartei
unverzüglich die rechte Regierung verlassen, worin sie sein Vorgänger Shimon Peres
hineingeführt hatte.
Die Mitglieder der Arbeitspartei hatten
sich mit allerdings nur knapper Mehrheit gegen die in der rechten Regierung verfangene alte
Garde für die einzige Person entschieden, die in der Lage ist, der Arbeitspartei wieder eine Chance zu
geben. Amir Peretz ist ein Vertreter der sog. Peripherie: Aus Marokko stammend war er lange Zeit
Bürgermeister einer dieser «Immigrantenstädte» des israelischen Gegenstücks
zu dem, was man in Frankreich «sensible Viertel» nennt , bevor er Generalsekretär der
Gewerkschaftsföderation Histadrut wurde.
An der Spitze der Gewerkschaft hat Peretz
einen relativ kohärenten Kampf gegen die ultraliberale Politik diverser Finanzminister geführt,
einschließlich derjenigen der Arbeitspartei. Wenn er auch nicht gegen den Liberalismus und die
Privatisierungen ist, so fordert er doch eine «ausgewogenere Sozialpolitik», die im besten Fall
sozialdemokratisch, aber eher sozialliberal ist. Dennoch hat seine Wahl an die Spitze der Arbeitspartei
unmittelbar eine hasserfüllte Offensive der Tageszeitung Haaretz, des traditionellen Sprachrohrs des
Großkapitals, ausgelöst, die die «Rückkehr des Bolschewismus der 50er Jahre»
verkündete. Denn Peretz ist ein Volkstribun, der nicht gezögert hat, gleich nach seiner Wahl die
brennende Frage der Armut zu seinem Steckenpferd zu machen («Fast ein Drittel der israelischen Kinder
lebt unterhalb der Armutsgrenze»).
Nicht nur in der sozialen Frage
erschüttert der junge Führer der Arbeitspartei den Konsens der politischen Klasse: Er hat
eindeutig die Politik der Kolonisierung angeprangert und versichert, er wolle «die von Yitzhak Rabin
begonnene Arbeit vollenden».
Wenngleich es offensichtlich ist, dass Amir
Peretz sich nicht von den großen Linien des zionistischen Konsenses entfernt er hat sich
wiederholt gegen das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge und die Rückgabe
von Ost-Jerusalem ausgesprochen , markiert er dennoch einen Bruch mit der kriegerischen Einseitigkeit
der politischen Klasse an der Macht, inkl. der Peres, Barak und Ben Eliezer, die allesamt Komplizen der
blutigen Offensive der letzten Jahre sind.
Michel Warschawski, Jerusalem
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04