SoZ - Sozialistische Zeitung |
Selten schafft es eine kleine linke Initiative,
in der Mainstreamkultur Beachtung zu finden. Dieser Ausnahmefall ist jetzt eingetreten und dieses seltene
Glück wurde der BUKO-Pharma-Kampagne mit Sitz in Bielefeld zuteil. «Die BUKO Pharma-Kampagne in
Bielefeld nicht zu verwechseln mit Hippo in meinem Roman ist eine finanziell unabhängige,
personell unterbesetzte Vereinigung vernünftiger, hochqualifizierter Menschen, deren Ziel es ist, die
Missetaten der pharmazeutischen Industrie, insbesondere deren Geschäfte in der Dritten Welt, ans Licht zu
zerren.» So schreibt der Bestsellerautor John le Carré im Nachwort seines Romans Der ewige
Gärtner, das als Vorlage für den gleichnamigen Film diente, den der brasilianische Regisseur Fernando
Meirelles realisierte.
Bielefeld und «Hippo» (alias BUKO-
Pharma-Kampagne) sind Schauplatz bzw. Akteur in Kapitel 16 des Romans. Im Film ist der Auftritt kürzer und
wird nach Berlin verlegt. Die Gruppe erhält im Film nicht das Profil, das sie im Buch hat. Während
der Protagonist im Buch mit der Aktivistin Birgit ein ausführliches, die Praktiken der Pharmaindustrie
erhellendes Gespräch führt, reicht es im Film nur zu einem kurzen Gespräch auf der Straße,
wobei Birgit recht verängstigt wirkt und dann schnell mit dem Fahrrad davon fährt.
Das ist nicht die einzige Verkürzung des
Films. Um le Carrès vielschichtige Geschichte multiplexkinokompatibel zu machen, wird die Liebesgeschichte
zwischen Tessa und Justin in den Vordergrund geschoben. Als Argument könnte man anführen, dass dies
die einzige Möglichkeit ist, die Geschichte visuell erträglich zu machen. Es bleibt aber die Frage,
ob der Film die Botschaft, die le Carré in seinem Buch offensichtlich wichtig war dass das Treiben
der Pharmaindustrie in der Dritten Welt (und nicht nur dort) tendenziell lebensgefährlich ist
wirklich vermittelt oder in einer Romanze ertränkt. Schon in City of God war festzustellen, dass Meirelles
dazu neigt, soziale Probleme zu romantisieren. Auch in Der ewige Gärtner entgeht er dieser Gefahr nicht
ganz.
Was macht den Film trotzdem sehenswert? Erstens
die tolle schauspielerische Leistung der Mitwirkenden. Zweitens die Machart des Films, der ohne hektische
Schnitte auskommt und wirklich schöne Bilder zeigt. Und dann drittens eben doch der Mut, ein schwieriges
Thema in einem Mainstreamfilm anzugehen. Bei der Gratwanderung zwischen kommerziellem Erfolg und Vermittlung
einer humanitären Botschaft sollte man die Latte nicht allzu hoch anlegen. Was nutzt schon ein Film, der
zwar allen politische Reinheitsgeboten entspricht, den dann aber nur ein paar Leute in wenigen Programmkinos zu
sehen bekommen?
John le Carré, der bisher eher als Autor
von Spionageromanen im Zeitalter des Kalten Krieges bekannt wurde, demonstriert in seinem Buch, dass mit dem
Ende des Kalten Krieges nicht das Ende der Geschichte gekommen ist. Man könnte hinzufügen, dass der
Kapitalismus nur übrig geblieben und keines seiner Probleme gelöst ist. Dazu gehören, dass ein
großer Teil der weltweit vertriebenen Medikamente entweder unnütz oder sogar gefährlich sind.
Die wirklich nützlichen Medikamente sind besonders für die Menschen in der Dritten Welt nicht
bezahlbar.
So entsteht ein Teufelskreis: Weil man an die
im positiven Sinne wirksamen Medikamente nicht rankommt, greift man zu anderen, die mehr Probleme verursachen
als lösen. Neun von zehn AIDS-Kranken in Afrika haben keinen Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten. Aber
auch die im Film gezeigte Praxis, noch nicht ausgereifte oder gar gefährliche Mittel in Ländern der
Dritten Welt zu testen im Film heißt das fiktive Mittel «Dypraxa» und das gar nicht
fiktive Land, in dem so etwas wirklich passiert, Kenya ist nach Auskunft der BUKO-Pharma-Kampagne
realistisch. Wenn auch der Schriftsteller und die Filmemacher schon aus juristischen Gründen Wert auf die
Feststellung legen, dass die Handlung des Films erfunden ist, so wirft er doch einen durch eine Liebesromanze
abgemilderten Blick auf eine brutale Realität.
Andreas Bodden
John le Carré: Der ewige Gärtner, München: List, 2002, 558 S., 19,95 Euro.
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