SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2006, Seite 22

Die neue Linkspartei diskutiert

Bildet Räte!

Im Rahmen ihrer Versuche, den neuen Parteiformierungsprozess «von unten» zu vertiefen und zu verbreitern, veranstalten Linkspartei.PDS und WASG derzeit eine Reihe von dezentralen und zentralen Klein- und Großveranstaltungen, die der Diskussion und Vernetzung dienen und die Probleme des Vereinigungsprozesses offen und möglichst produktiv herausarbeiten sollen. Eine dieser Veranstaltungen fand am 21.Januar in Düsseldorf statt.
Zum «Gesellschaftspolitischen Forum Nr.5» luden hier die Rosa-Luxemburg-Stiftungen NRW und Berlin, sowie die Redaktion Sozialismus und WISSENTransfer in die Fachhochschule und konnten immerhin 200 Interessierte und 30 Mitwirkende begrüßen. Versammelt war nicht nur ein bunter Reigen von Partei- und Gewerkschaftsaktivisten, sondern auch eine Reihe namhafter Linksintellektueller wie Alex Demirovic, Wolfgang Dreßen, Erika Feyerabend, Peter Grottian und Karl Heinz Roth. Und diskutiert wurde fast alles, was zurzeit auf der Linken so diskutiert wird: Von den Erwartungen, die die «gesellschaftliche Linke» an die neue Linksfraktion im Bundestag hat, über die Rolle und das Wechselspiel von alten (sprich: Gewerkschaften) und neuen sozialen Bewegungen, die Möglichkeiten eines neuen nationalstaatlichen Keynesianismus, bis zu den Möglichkeiten und Grenzen antikapitalistischer Politik innerhalb der bürgerlichen Institutionen sowie den Erfahrungen mit der linken Parlamentsarbeit sowohl in Bund, Ländern wie auf der kommunalen Ebene.
In weitgehend solidarischer, aber gelegentlich kontroverser Form wurden in sieben parallel tagenden Arbeitsgruppen der Sog der Integration in den bürgerlichen Parlamentarismus und die damit einher gehenden Ein- und Ausgrenzungen innerhalb der Linken beschrieben und zumeist beklagt. Deutlich wurde aber auch, dass eine der bisher weniger thematisierten Probleme des bereits spürbaren Verselbstständigungsprozesses der Linksparlamentarier durch die schlechte Verfassung forciert wird, in der sich die sozialen Bewegungen zurzeit befinden. Wenn man sich deswegen auch zurückhielt mit eindeutigen Vorwürfen gegen die Parteiführungen und Parlamentarier, so waren die Stimmen eindeutig in der Überzahl, die von Skepsis und Unmut geprägt sind.
Die Sinnhaftigkeit linker Parlamentsarbeit wurde durchaus eingestanden — man komme, so bspw. der Europaabgeordnete Tobias Pflüger, an wichtige Informationen, an die man sonst kaum komme, und man könne, so die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, durchaus den einen oder anderen Sand ins parlamentarische Getriebe rieseln lassen. Eine Regierungsbeteiligung der neuen Linken in der Form von Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern wurde jedoch einhellig abgelehnt. «Die Regierungsbeteiligung in Berlin», so bspw. Pflüger, «ist eine einzige Belastung für die gesamte Linke. Das könnt ihr gerne in dieser Deutlichkeit zitieren!»
Neoliberale Privatisierungen und Kriegspolitik, so die meisten der Diskutanten seien «Haltelinien eines linken Parlamentarismus», wie Bernhard Müller (Sozialismus) in Anlehnung an Oskar Lafontaine gleich zu Beginn formulierte.
Je konkreter die Diskutanten und «Impulsgeber» wurden, desto interessanter wurde es, bspw. bei der Beschreibung der Widersprüche, in die linke Kommunalpolitik sich einzuordnen habe. Gerade auf dem, in seiner zentralen Wichtigkeit nicht in Frage gestellten, Feld kommunaler Verankerung hat die Linke mittlerweile eine gewisse Tradition. Und eine der in der entsprechenden AG heraus gearbeiteten Gefahren sei bspw., dass und wie sich linke gesellschaftliche Organisationsformen durch die Parlamentsarbeit aufsaugen ließen.
Gab sich Ulla Jelpke pragmatisch nüchtern, als sie beschrieb, dass ihre Bundestagserfahrungen selbst gemessen an den Kriterien der herrschenden Parlamentsfunktion mehr als mager seien — da wo man gelegentlich gute Beschlüsse durchbekomme, würden sie erfolgreich verwässert und verschleppt oder schlicht nicht umgesetzt —, ging Tobias Pflüger noch einen Schritt weiter. Er beschrieb aufs eindringlichste, wie sich seine eigenen linken ParlamentskollegInnen der Regeln des parlamentarischen Spiels bedienten, um eine Politik zu betreiben, die ihren eigentlichen Parteigrundsätzen zuwiderläuft. Berichtete Jelpke freimütig von dem internen Druck, den führende Funktionäre auf Parlamentarier ausüben, um die Frage einer möglichen linken Regierungsbeteiligung 2009 im Bunde offen zu halten, gab sich Pflüger gleichermaßen skeptisch wie kämpferisch bei der Frage, ob dieser «Opportunismus» überhaupt noch aufzuhalten sei.
Das gemeinsame Abschlussplenum sprach sich schließlich kollektiv dafür aus, die Anregung Peter Grottians aufzunehmen, wo immer möglich gemeinsame «Räte» von sozialen Bewegungen, Linkspartei und linken Gewerkschaftern zu bilden, um eine wirklich neue Linke gesellschaftlich zu verankern, und um Druck auf linke Parlamentarier auszuüben, damit sich diese mehr als bisher in soziale Auseinandersetzungen vor Ort einklinken.
Nicht umstritten war auch, dass es dringendst wieder einer großen Demonstration gegen die neue Große Koalition bedürfe. Umstritten war jedoch, ob die geplante Demonstration am 25.März nicht falsch sei, da Horst Schmitthenner von der IG Metall deutlich machte, dass dabei die Gewerkschaften wohl noch nicht folgen würden

Christoph Jünke

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