SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2006, Seite 3

Rückkehr zur Bevölkerungspolitik

Die neue schwarz-rote Frauen- und Familienpolitik

Frauenpolitik ist in der Familienpolitik aufgegangen und wird gegenwärtig vor allem im Zusammenhang mit Bevölkerungspolitik diskutiert. Die neue Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ursula von der Leyen betont drei Schwerpunkte ihrer Arbeit: Das Elterngeld als ein «neues» familienpolitisches Instrument, Mehrgenerationenhäuser, die schon in Niedersachsen ihr Lieblingsprojekt waren, sowie Hilfe für benachteiligte Kinder. Frauenpolitisch hat sie sich bereits als niedersächsische Frauenministerin mit Kürzungen bei Frauenprojekten und der Reform des Gleichstellungsgesetzes keine Freundinnen gemacht. Dort organisierte die Initiative «Rettet die Frauenpolitik» flächendeckenden Protest.
Familienpolitik ist eine wichtige Klammer zwischen Schwarz und Rot: «Wir wollen mehr Kinder in den Familien und mehr Familie in der Gesellschaft … Denn Deutschland braucht mehr Kinder», heißt es im Koalitionsvertrag. Bei allen Maßnahmen geht es um die Forderung nach mehr Kindern. «Wir wollen», so von der Leyen, «dafür sorgen, dass kein Kind verloren geht und die Kinder best- und frühestmöglich gemeinsam mit ihren Familien gefördert werden». Das bekommen alle versprochen, ob sie Kinder wollen oder nicht oder die Kinder schon aus dem Haus sind.

An der Realität vorbei


Auch in dem Kapitel «Familienfreundliche Arbeitsbedingungen» geht es nicht um Mütter oder Väter, die zwei gegensätzliche Welten vereinbaren sollen, sondern um das «Ziel, dass sich wieder mehr Menschen ihre Kinderwünsche erfüllen. Deshalb brauchen wir eine «familienbewusste Arbeitswelt»: Teilzeitanspruch nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz sowie der Anspruch auf eine dreijährige Elternzeit seien geeignet, die «Normalfamilie» mit Haupternährer und Zuverdienerin zu stabilisieren.
Auch frauenpolitische Arbeitsmarktpolitik scheint sich ganz darauf zu konzentrieren, künftige «demografische Lücken» durch das weibliche Erwerbspotenzial zu schließen. Das hilft weder kurz- noch langfristig. Die Erwerbslosigkeit ist groß und auch höhere Geburtenraten werden kein Mittel zur Lösung des Rentenproblems sein. Kinder können nur dann in die Rentenversicherung einbezahlen, wenn sie entsprechende Ausbildungs- und Erwerbsmöglichkeiten vorfinden. Ist das nicht der Fall, werden sie dem Sozialstaat, dem das Geld bereits jetzt auszugehen droht, «zur Last» fallen.
Der enge Begriff von Familie, der hinter den Vorschlägen im Koalitionsvertrag und hinter den Gesetzesinitiativen steht, geht an den tatsächlich gelebten Lebensformen und den Bedürfnissen der Individuen vorbei.

Elterngeld als «Herdprämie»


Das Elterngeld, das ab 2007 eingeführt werden soll, war in der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel das einzige frauenpolitische Thema und soll als Lösung vieler gleichstellungspolitischer Probleme herhalten. Vor allem aber soll es der sinkenden Geburtenrate insbesondere bei gut ausgebildeten Frauen entgegenwirken.
Der SPD-»Wirtschaftsweise» Bert Rürup, der das Modell für Renate Schmidt entwickelt hatte, sah es schon immer als richtige Antwort auf den Kindermangel an. Wohlfahrts- und Familienverbänden geht es eher darum, durch das Elterngeld als Lohnersatzleistung für Mütter und Väter nach der Geburt eines Kindes einen Einbruch des Einkommens für Paar-Eltern zu verhindern, und «Alleinerziehenden» zu ermöglichen, ohne staatliche Unterstützung auszukommen. Sie verweisen darauf, dass sich die Höhe des Elterngelds an dem Einkommen orientieren sollte, das durch die Erziehungszeit wegfällt. Das will auch die SPD.
Genau da scheiden sich aber die Geister zwischen den Koalitionsparteien: Die CDU will die Bemessungsgrundlage für das Elterngeld beim Nettofamilieneinkommen anlegen. Das würde zweifelsohne zu einer Verfestigung der geschlechtsspezifischen Rollenverteilung führen. Begünstigt würden die besserverdienenden Väter, wenn die Mütter nur ein geringes Einkommen haben. Denn dann wäre das Elterngeld höher als der Arbeitsverdienst der Frau und die Möglichkeit der Frau, die Erwerbsarbeit wieder aufzunehmen, würde geschmälert.
Die AsF-Vorsitzende Elke Ferner sprach gar von einer «Herdprämie» für Hausfrauen gut verdienender Männer. Zudem kann die Einführung des Elterngeldes, das 67% des vorherigen Nettoeinkommens, maximal jedoch 1800 Euro pro Monat betragen und für ein Jahr nach der Geburt des Kindes bezahlt werden soll, nur ein erster Schritt sein, um die Situation von Familien zu verbessern. Ziel wäre, die Elternzeit zwischen Frauen und Männern paritätisch aufzuteilen.
Die Forderung, das Elterngeld nur dann die vollen zwölf Monate auszubezahlen, wenn Väter für zwei Monate die Erziehung übernehmen, ist möglicherweise ein Schritt in diese Richtung, kann aber auch bedeuten, dass die beiden «Papa-Monate» dann eben wegfallen. Die Hoffnung Ursula von der Leyens, die das Elterngeld als «Lockmittel» ansieht, damit Väter eine Zeit lang aus dem Beruf aussteigen, um sich ihren Kindern zu widmen, kann trügen. Bisherige Erfahrungen lassen erwarten, dass weiterhin hauptsächlich Frauen von der Elternzeit Gebrauch machen und Väter, wenn überhaupt, mit zwei Monaten Berufsunterbrechung zufrieden sein werden.

Kindermädchenprivileg

Die Bundesregierung will bis 2008 auch die Neugestaltung der Besteuerung von Ehepaaren durchführen. Die Steuerklasse V soll wegfallen und durch ein Anteilsystem ersetzt werden, mit dem jeder Ehegatte künftig soviel Lohnsteuer zahlt, wie es seinem Anteil am gemeinsamen Bruttolohn entspricht. Am Ehegattensplitting, das die Hausfrauenehe begünstigt, soll nichts geändert werden. Auch nach der Neuregelung bleibt es bei der Begünstigung der Einverdienerehe, der Besserstellung hoher Einkommensgruppen und der Begünstigung der Ehe gegenüber anderen Lebensgemeinschaften, unabhängig von finanziellen Aufwendungen und Bedarfslagen.
Auch die geplante Entlastung von Familien durch Steuervergünstigungen für die Kinderbetreuung soll vor allem den «qualifizierten Frauen» zugute kommen, denn sie sollen Kinder bekommen. Gegen den SPD-Widerstand werden auch Alleinverdienerhaushalte einbezogen. Damit wird die Hausfrauenehe, die ohnehin nach wie vor durch das Ehegattensplitting bevorzugt wird, noch mehr subventioniert. Schließlich sollen private Haushalte bezahlte (Mini-)Jobs schaffen. Wovon die Mini-Jobberin, die meist aus einem anderen Land kommt und oft selbst Kinder hat, leben soll, wird nicht diskutiert.
Ursprünglich sollten für Kinder bis sechs Jahren Betreuungskosten erst ab 1000 Euro absetzbar sein. Auch wenn «alle Eltern» vom ersten Euro an Kinderbetreuungskosten von der Steuer abziehen können, bleibt die Entlastung von Betreuungskosten über das Steuersystem sozial ungerecht, denn 20% der Familien sind von diesem Steuergeschenk ausgeschlossen. Dazu gehören die Familien (Frauen), die einen «Mini-Job» bei einer besser situierten Familie annehmen müssen, wenn ihnen ein solcher vermittelt wird.
Das alte Dienstmädchenprivileg, durch die Frauenbewegung zur Jahrhundertwende abgeschafft, wird als Kindermädchenprivileg wieder eingeführt. Der Verdacht, dass durch die Ausweitung von Billigjobs die von der EU geforderte Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit auf über 60% vorangetrieben werden soll, liegt nahe. In Deutschland werden täglich etwa 1000 sozialversicherte Arbeitsplätze abgebaut. Beschäftigung nimmt nur noch im Teilzeitbereich zu. Frauen sind in ganz besonderem Maße von der Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse betroffen.
Das eigentliche Problem erwerbstätiger Eltern, nämlich der Mangel an Plätzen pädagogisch wertvoller Kinderbetreuung und die fehlenden partnerschaftlichen Arrangements in der Haus- und Sorgearbeit wird durch steuerliche Förderung nicht gelöst. Dafür braucht es einen Rechtsanspruch auf bezahlbare Betreuungsmöglichkeiten für Kinder aller Altersgruppen. Das im Koalitionsvertrag gemachte Versprechen, 230000 «zusätzliche Betreuungsplätze» bis 2010 zu schaffen, mag niemand so richtig Ernst nehmen.
Damit Männer und Frauen wirklich die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt und beim Zugang zu Führungspositionen haben, brauchen wir das bereits 1998 im Koalitionsvertrag zwischen Rot und Grün versprochene Gleichstellungsgesetz mit verbindlichen Regeln für die Privatwirtschaft, damit auch Frauen Beruf und Familie vereinbaren können. Der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hat auf der Bundesfrauenkonferenz des DGB «einem solchen Gesetz» eine klare Absage erteilt. Auch Ministerin von der Leyen hält ein solches Gesetz «für den falschen Ansatz».
Die Frage, ob familienpolitische Ansätze, die dem Anspruch der Mutter auf eine qualifizierte Erwerbstätigkeit gerecht werden wollen, weiter am klassischen Familienbild — Vater, Mutter und eines oder mehrere Kinder — entsprechen können, bleibt dahin gestellt. Schließlich geht die tatsächlich gelebte Realität längst andere Wege.

Gisela Notz

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