SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2006, Seite 7

Kleine Schritte zum Ziel

Gebremster Optimismus beim Deutschen Atomforum

Gedämpft optimistisch, so könnte man die Stimmung bei der Wintertagung des Deutschen Atomforums bezeichnen, dass am 8./9.Februar zur alljährlichen Wintertagung ins noble Maritim-Hotel in Berlin-Mitte eingeladen hatte.

In einem war die Lobbyorganisation für die Nutzung der Atomkraft sich einig: Wenigstens sind wir Trittin los. Wie groß die Abneigung war, merkte man immer dann, wenn der Name des ehemaligen Ministers oder der seiner Partei fiel. So bekam der Vorsitzende der ThyssenKrupp AG, Ekkehard Schulz, für den nun nicht gerade originellen Kalauer «Die Farbe der Arbeitslosigkeit ist Grün» spontanen Applaus.
Doch trotz Trittins Abgang ist die große Zukunftseuphorie beim Atomforum nicht ausgebrochen. Denn sein Nachfolger Gabriel, der den rotgrünen Atomkompromiss bisher verteidigt, könnte für die Pläne des Atomforums noch zum größeren Problem werden. «Antinukleare Gene einer großen Volkspartei» diagnostiziere der Präsident des Atomforums Walter Hohlefelder. Die zwingen die Atomlobby zu kleinen Schritten. Niemand erwarte, dass der im April geplante Energiegipfel der großen Koalition ein Durchmarsch für die Atom-Stromer wird. Die Kernenergie dürfe allerdings bei dem Treffen nicht ausgespart werden, verlangte Hohlefelder.
Jan Zilius von der RWE Power AG riet denn auch, sich in der Öffentlichkeit nicht gegen den Atomkompromiss zu stellen, der schließlich die Unterschrift der Atomindustrie trägt. Mit Blick auf die eigentlich in dieser Legislaturperiode anstehende Abschaltung des hessischen Reaktors Biblis A, empfahl er, alle Möglichkeiten des Gesetzes zu nutzen. «Unser Aufsichtsrat würde uns davon jagen, wenn wir keinen Verlängerungsantrag stellen», präzisierte Zilius.
An einer weiteren Front sah man beim Atomforum leichte Fortschritte. Demnächst soll wieder ein Lehrstuhl für Kernforschung in Deutschland eingerichtet werden. Allerdings sei es noch nicht gelungen, in Deutschland einen entsprechenden Ordinarius zu finden, sodass man mit Wissenschaftern aus dem Ausland verhandele, monierte Hohlefelder. In einem eigenen Beitrag widmete sich der Geschäftsführer der Urenco GmbH, Joachim Ohnemus, der Frage, wie lange die Uranvorräte noch reichen. Damit ging er auf die gerade heiß diskutierte Greenpeace-Studie ein, die zu dem Ergebnis kommt, dass die weltweit vorhandenen Uranvorräte maximal noch 60 Jahre reichen.
Für die erschlossenen Fundstellen konnte Ohnemus die Zahlen nur bestätigen. Er geht allerdings davon aus, dass sich sowohl in der Umgebung dieser Orte als auch an anderen Stellen noch weiteres Uran befindet. Wenn es dann gelänge, nur einen Teil des Urans vom Meeresboden zu nutzen, wären die Vorräte über Jahrhunderte gesichert. Auf die technische Machbarkeit und die Kosten ging der Wissenschaftler allerdings nicht ein. So konnte er als Aufmunterung für die Atomgemeinde nur anführen, dass sich die Uranvorkommen überwiegend in politisch stabilen Regionen befänden und man auch schon abgereicherte Brennstäbe zur Urannutzung weiter verwenden könne.
Der Zuspruch aus der Politik für die Atomlobby kam zwar reichlich, beschränkte sich aber auf die üblichen Verdächtigen. Sowohl der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU), der frühere Ministerpräsident von Baden- Württemberg Lothar Späth (CDU) als auch der energiepolitische Koordinator der CDU/CSU Joachim Pfeifer spendeten aufmunternde Worte. Doch der parlamentarische Staatssekretär beim Bundesumweltministerium Michael Müller (SPD) hatte kurzfristig abgesagt.
Koch forderte die versammelten Atomgemeinde auf, doch wieder über neue Atommeiler nachzudenken und die auch zu fordern. Doch in den Tagungspausen wurde über ein solches Vorpreschen nur der Kopf geschüttelt. Denn den vielen Herren und wenigen Damen des Atomforums ist auch klar, dass der ungeliebte Atomkonsens einen Teil des starken Anti-AKW- Protestpotenzials ruhig stellte.
Das muss nicht so bleiben. Zwar waren die Proteste gegen das Atomforum äußerst schwach besucht. Doch für den 20.Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe (26.April) sind größere Proteste geplant. «Die Bewegung ist nicht tot — sie ist nur im Tiefschlaf», meinte ein Insider.

Peter Nowak

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