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Der Vorstand der IG Metall hat am 20.Januar 2006 die Forderungen für die
Metalltarifrunde beschlossen. Demnach sollen die Einkommen um 5% steigen. Darüber hinaus will die IG
Metall einen Tarifvertrag zur Qualifizierung und Innovation und den Neuabschluss eines Tarifvertrags über
vermögenswirksame Leistungen durchsetzen. Für Nordwürttemberg-Nordbaden sollen die Bestimmungen
des Tarifvertrags Lohnrahmen II wieder gelten.
In der vorangegangenen Diskussionsperiode wurde
in den einzelnen Tarifgebieten eine Entgeltforderung von 45% anvisiert. Dass der IG-Metall-Vorstand sich
nun für die 5% entschieden hat, begründet er mit der wirtschaftlichen Entwicklung im letzten Quartal
des vergangenen Jahres.
Unterstützt wird diese Position durch die
neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamts: In den letzten drei Monaten des Jahres 2005 hat die
Metallverarbeitung noch einmal mächtig zugelegt. Die Produktion stieg im November gegenüber dem
gleichen Vorjahresmonat um 8,2%, die Produktivität je Beschäftigtenstunde sogar um 8,7%.
Dieser Leistungssteigerung der Belegschaften
stand keine entsprechende Steigerung der Entgelte gegenüber, deshalb sanken die Lohnstückkosten
also die Lohnkosten für eine Produkteinheit um 7,7%. Diese Zahl reiht sich nahtlos in die
langfristige Entwicklung ein. Seit drei Jahren steigt die Stundenproduktivität in der Metallverarbeitung
kräftig an, während im Gegenzug die Lohnstückkosten ebenso kräftig fallen. Seit 1995 sind
sie um 20 Prozentpunkte gesunken.
Die schwache Binnennachfrage, vor allem bedingt
durch sinkende Einkommen (Reallohnverlust von 3,5% seit 1993) und permanentem Abbau sozialstaatlicher
Leistungen, hat es der IG Metall bislang relativ leicht gemacht, ihre Forderung in der Öffentlichkeit zu
präsentieren. Selbst aus CDU/CSU-Kreisen hörte man zum Jahresende den Ruf nach höheren
Einkommen, die die Konjunktur beleben sollen.
Die Metallarbeitgeber lehnen es dagegen ab, einen Ausgleich für die allgemeine Verteuerung zu
akzeptieren und bestreiten die Höhe der Produktivitätsentwicklung. Die Geschäftsführerin
von Gesamtmetall, Heike Maria Kunstmann, forderte in der Welt am Sonntag: «Wir müssen uns am
Produktivitätsfortschritt der Gesamtwirtschaft orientieren, abzüglich der
Entlassungsproduktivität.» Mit dem neuen Unwort des Jahres «Entlassungsproduktivität»
wird unterstellt, dass durch die Kündigung von «unproduktiven Beschäftigten» sich zwar die
betriebliche Produktivität statistisch erhöht, es aber nicht zu einem höheren Leistungsgrad der
verbliebenen Arbeiter und Angestellten kommt.
Darüber hinaus haben sich die
Metallarbeitgeber vorgenommen, den von ihnen gekündigten Tarifvertrag zu vermögenswirksamen
Leistungen mit einem Prozent in Anrechnung zubringen. Für NRW erklärte Metall-
Arbeitgeberpräsident Michael Jäger, man strebe einen kostenneutralen Abschluss an und wolle dazu eine
variable Gestaltung von Sonderzahlungen wie etwa dem Weihnachtsgeld sowie längere und flexiblere
Arbeitszeiten erreichen, ohne dabei die 40-Stunden-Woche generell einzuführen. Zudem erklärte sich
der Verband vor der ersten Verhandlungsrunde bereit, über eine Einmalzahlung zu verhandeln.
In Baden-Württemberg hat die
Aufkündigung des Lohnrahmen II, besser bekannt unter dem Begriff «Steinkühlerpause», zu
einer zusätzlichen Verschärfung der Tarifrunde geführt. Auf der tarifpolitischen Konferenz im
Oktober des letzten Jahres hatten Beschäftigte von DaimlerChrysler, Porsche und John Deere gegen den
Wegfall der Erholzeiten für Bandarbeiter und den Angriff auf die Mitbestimmung bei Taktzeiten und
Taktgestaltung protestiert. Berthold Huber betonte auf der Konferenz, es werde ohne Inkraftsetzung des
Lohnrahmen II in allen seinen Punkten keinen Abschluss in irgendeinem Tarifgebiet geben.
Wegen der Aufkündigung des Lohnrahmens II
beginnt die heiße Phase der Tarifrunde in Baden-Württemberg schon Anfang März, da die bisherigen
Verhandlungen zu diesem Thema zu keinem Ergebnis geführt haben und die Friedenspflicht bezüglich
dieses Tarifvertrags am 28.Februar endet.
Zu Beginn der ersten Verhandlungsrunde hatten
die Bezirksleiter der IG Metall unisono erklärt, man strebe einen Abschluss vor Auslaufen der
Friedenspflicht Ende März an, wohl wissend, dass es dazu nicht kommen wird. Trotz der zurückhaltenden
Propaganda von Gesamtmetall setzen die Unternehmer ihre Politik der letzten Jahre zielstrebig fort, in den
Verhandlungen Kompensationsforderungen zu stellen und nicht, wie in der Vergangenheit, nur um das Maß der
Einkommenserhöhungen zu streiten. Als Drohszenario schwenken sie dabei den Knüppel «Verlagerung
ins Ausland».
Spätestens die letzte Tarifrunde 2004 machte deutlich, dass Abschlüsse in einem Tarifgebiet von
den Unternehmern in anderen Gebieten nicht unbedingt übernommen werden. Im Metallarbeitgeberverband NRW
gab es nach dem Pforzheimer Abkommen ziemlichen Krach über die Höhe des Abschlusses und die
Kontrollregelungen, die Abweichungen von den Tarifverträgen nur nach genauer Prüfung durch die IG-
Metall-Bezirksleitungen und in einzelnen Fällen den IG-Metall-Vorstand ermöglichen.
Die Konstruktion einer Verbandssparte OT (Ohne
Tarifvertrag) ermöglicht es einzelnen Unternehmern, die Verpflichtungen der Tarifverträge
aufzukündigen, ohne den Arbeitgeberverband verlassen zu müssen. Damit werden Tarifverhandlungen auf
die Betriebsebene heruntergezogen mit dem Problem, dass nur gewerkschaftlich gut organisierte Betriebe in der
Lage sind, alte tarifvertragliche Regelungen zurückzukämpfen. Darüber hinaus hat es in letzter
Zeit um sich gegriffen, Tariferhöhungen mit übertariflichen Leistungen jeder Art zu verrechnen.
Zu Beginn der Tarifrunde ist die Stimmung unter
den Mitgliedern der IG Metall gut: Der Streik bei AEG-Electrolux im Produktionswerk in Nürnberg und den
Auslieferungsbetrieben Dormagen genießt bundesweit hohe Sympathie und stellt einen kämpferischen
Hintergrund für die langsam anlaufende Auseinandersetzung dar. Auch wenn jüngste
Presseveröffentlichungen einen Wettlauf der Bezirksleiter Detlev Wetzel (NRW) und Armin Schild (Frankfurt)
um einen bezirklichen Abschluss und damit um eine gute Ausgangsposition um die Nachfolge im IG-Metall-Vorstand
nach einem Ausscheiden von Jürgen Peters suggerieren: Eine erfolgreiche Tarifrunde, deren Ergebnis in den
Betrieben ankommt, kann nicht in einem Tarifgebiet durchgesetzt werden. Alle Bezirke müssen
kampffähig sein und auch einzelne Belegschaften müssen sich rüsten, das Tarifergebnis im
Konflikt auf den Betrieb runter zu brechen. Die Zeit der Stellvertreterauseinandersetzungen ist endgültig
vorbei.
Udo Bonn
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