SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2006, Seite 16

El Salvador

Linke Aussichten?

El Salvador — ein Land, das vielen Linken in den 80er Jahren ein Begriff war, als die Guerillabewegung FMLN im Befreiungskampf weite Teile des Landes erobern und in fast 40% des Landes befreite Zonen aufbauen konnte. Mittlerweile ist das Land weitgehend aus dem Bewusstsein der europäischen Linken verschwunden. In den bürgerlichen Medien finden sich erst recht keine Nachrichten — von kurzen Berichten über Erdbeben (2001), Vulkanausbruch (2005) oder die Hurrikans Mitch (1998) und Stan (2005) abgesehen. Wie sieht es heute in El Salvador aus, was konnte die FMLN erreichen? Welche Diskussionen werden in der Linken geführt?

Die Stärke der FMLN-Guerilla hatte auch in der «Endoffensive» von 1989 nicht ausgereicht, das Militär endgültig zu besiegen, so dass militärisches Patt und Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung die Guerilla an den Verhandlungstisch brachte. Die Bourgeoisie brauchte das Militär nicht mehr zur Aufrechterhaltung der Macht. Im Gegenteil: Um am globalen Wettbewerb teilzuhaben war es förderlich, eine Art Demokratie aufzubauen.

Kompromissfrieden 1992

Das 1992 unter Schirmherrschaft der UN abgeschlossene Friedensabkommen war allerdings wenig mehr als ein mäßiger Kompromiss, der im Wesentlichen die Abschaffung der Militärdiktatur und den Aufbau demokratischer Strukturen bedeutete. Der Militärapparat wurde umstrukturiert, um mehr als die Hälfte verringert und den Weisungen der Exekutive untergeordnet, die neue Nationalpolizei zu 20% aus Kämpferinnen und Kämpfern der FMLN, zu 20% aus Angehörigen der alten Nationalpolizei und zu 60% aus «unabhängigen» neuen Polizisten (nicht selten mit Vergangenheit in paramilitärischen Strukturen) zusammengesetzt. Die im Befreiungskampf der FMLN thematisierte soziale Ungerechtigkeit wurde im Friedensabkommen allerdings nicht aufgegriffen.
Zwar wurden 87 Offiziere aus der Armee entfernt, die sich schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hatten. Sie wurden jedoch mit allen Ehren und vollen Pensionsgeldern in den Ruhestand versetzt, in einigen Fällen als Militärattachés ins Ausland entsandt oder erhielten einen lukrativen Staatsposten, wie etwa der frühere Verteidigungsminister General René Emilio Ponce. Zudem verhinderte eine generelle Amnestie die Bestrafung selbst schlimmster unter der Militärdiktatur begangener Gräueltaten. Ihre ökonomisch privilegierte Stellung bewahrte das Militär durch fortgesetzten Schmuggel, Auto- und Drogenhandel sowie Steuerhinterziehung.
Die angestrebte Agrarreform konnte die FMLN in den Verhandlungen nicht durchsetzen. Erreicht wurden einzig Landüberschreibungen an ehemalige Guerilleros (und demobilisierte Soldaten), sowie an Kleinstbauern, die im Krieg winzige Landflecken besetzt und bestellt hatten. Hierbei handelte es sich überwiegend um Brachland, zumeist Böden geringer Qualität. Da das Programm weder Produktionskredite, noch technische Hilfe oder Unterstützung bei der Vermarktung beinhaltete, reichte der Erlös kaum zum Überleben aus, so dass das Land nicht selten wieder an die Oligarchie verkauft werden musste. Die noch bestehenden Kleinstbauern können sich zudem nur schwer gegenüber den mit dem Freihandelsabkommen CAFTA (2006) ins Land geschwemmten US- amerikanischen Agrarprodukten behaupten.
Auch der weitgehend aus dem Ausland finanzierte Plan des nationalen Wiederaufbaus ermöglichte nur bedingt die Wiedereingliederung ehemaliger Guerillakämpferinnen und
-kämpfer, da die ARENA-Regierung die Gelder bevorzugt an Gemeinden verteilte, in denen sie regierte oder die für die eigene Wiederwahl besonders wichtig waren, auf Armutsbekämpfung war der Plan ohnehin nicht ausgerichtet.

Wandlungen der FMLN

Die demobilisierte FMLN wandelte sich in eine politische Partei, die ihr Ziel, den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft, nun mittels Wahlen zu erreichen suchte. Die ersten Nachkriegswahlen von 1994 gewann jedoch nicht die FMLN, sondern die aus den Strukturen der Todesschwadrone entstandene ultrareaktionäre Partei ARENA. Zwar konnte die FMLN 1997 die Wahlen in beachtlich vielen Kommunen für sich entscheiden und einige Bürgermeister stellen, auf nationaler Ebene regiert jedoch seit über 15 Jahren die ultrarechte ARENA-Partei. 2004 kam mit Antonio Saca ein Medienmogul vom Schlage Berlusconis an die Macht.
Die möglichen Ursachen für die parlamentarischen Misserfolge der FMLN sind vielfältig: zum Einen hatte die antikommunistische Propaganda von ARENA in der Bevölkerung einen gewissen Erfolg. Die ultrakonservative Partei nutzte zudem die hohe Kriminalitätsrate El Salvadors als Argument für ihre Politik der Stärke. Hinzu kommt der «geschickte» Einsatz von Mitteln des Plans für den Wiederaufbau für den Wahlkampf 1994. Nicht zuletzt jedoch war es auch ein Mangel an innerparteilicher Demokratie der FMLN, der einige verdienstvolle ehemalige KämpferInnen aus der Partei trieb. Der Aufbau weiterer Links- bzw. Mitte-Links-Parteien (FDR und CD) schwächte zudem den Einfluss der FMLN.

Industrialisierung und Kriminalität

ARENA hatte bereits zur Umsetzung des Planes zum nationalen Wiederaufbau die Weltbank konsultiert und deren Auflagen zur Strukturanpassung umgesetzt, was u.a. eine stramme Privatisierung weiter Teile des Staatsbesitzes (darunter auch Basisgüter wie Strom, Wasser, öffentliche Transportmittel, Telefon, etc.) bedeutete. Die in diesen Sektoren z.T. starken Gewerkschaften wurden zerschlagen oder entscheidend geschwächt.
El Salvador ist mittlerweile das am weitesten industrialisierteste Land Mittelamerikas, mit ausgedehnten Freihandelszonen, in denen für den Weltmarkt produziert wird. Die Arbeitsbedingungen in den Maquilas (Nähfabriken) sind ganz überwiegend grauenvoll, nationales Arbeitsrecht wird nicht eingehalten, zudem reicht der Lohn nicht aus (zwei Drittel bekommen gerade mal 20 US-Dollar im Monat), um die Näherinnen und ihre Familien zu ernähren. Nachdem 2001 der Dollar als nationales Zahlungsmittel eingeführt wurde, lebt mittlerweile ca. ein Drittel der Bevölkerung von weniger als 1 Dollar pro Tag.
El Salvador hat die höchste Kriminalitätsrate der Region. Pro Tag werden in dem mittelamerikanischen Land mit der Größe Hessens 10—12 Morde gezählt, die nach offiziellen Angaben auf das Konto der zahlreichen Mara- Banden gehen. Allerdings wird von verschiedenen Seiten angezweifelt, dass die hohe Zahl an Gewaltverbrechen in El Salvador tatsächlich ausschließlich von den Maras begangen wird — das nationale Menschenrechtsinstitut schließt eine Beteiligung staatlicher Strukturen nicht aus.
Die Ursachen dieser extrem hohen Gewalt sind vielfältig. Eine mag in der extremen Gewalt der Militärdiktatur begründet sein — dieser fielen zwischen 1890 und 1990 75000 Menschen zum Opfer — knapp anderthalb Prozent der Bevölkerung und damit proportional zur Bevölkerungsgröße etwa 14mal mehr Menschen als unter der argentinischen Militärdiktatur.
Die Linke in El Salvador ist trotz dieser harten Realität sowohl außerparlamentarisch, als auch innerhalb des Parlaments aktiv — und hat durchaus Chancen, bei den nächsten Parlamentswahlen in diesem Jahr den Sieg zu erringen...

Reingard Zimmer, San Salvador

Reingard Zimmer ist Juristin und forscht derzeit über Arbeitsbedingungen in El Salvador.



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