SoZ - Sozialistische Zeitung |
El Salvador ein Land, das vielen Linken in den 80er Jahren ein Begriff
war, als die Guerillabewegung FMLN im Befreiungskampf weite Teile des Landes erobern und in fast 40% des
Landes befreite Zonen aufbauen konnte. Mittlerweile ist das Land weitgehend aus dem Bewusstsein der
europäischen Linken verschwunden. In den bürgerlichen Medien finden sich erst recht keine
Nachrichten von kurzen Berichten über Erdbeben (2001), Vulkanausbruch (2005) oder die Hurrikans
Mitch (1998) und Stan (2005) abgesehen. Wie sieht es heute in El Salvador aus, was konnte die FMLN
erreichen? Welche Diskussionen werden in der Linken geführt?
Die Stärke der FMLN-Guerilla hatte auch in der «Endoffensive» von 1989 nicht
ausgereicht, das Militär endgültig zu besiegen, so dass militärisches Patt und
Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung die Guerilla an den Verhandlungstisch brachte. Die Bourgeoisie
brauchte das Militär nicht mehr zur Aufrechterhaltung der Macht. Im Gegenteil: Um am globalen
Wettbewerb teilzuhaben war es förderlich, eine Art Demokratie aufzubauen.
Das 1992 unter Schirmherrschaft der UN abgeschlossene Friedensabkommen war allerdings wenig mehr als ein
mäßiger Kompromiss, der im Wesentlichen die Abschaffung der Militärdiktatur und den Aufbau
demokratischer Strukturen bedeutete. Der Militärapparat wurde umstrukturiert, um mehr als die
Hälfte verringert und den Weisungen der Exekutive untergeordnet, die neue Nationalpolizei zu 20% aus
Kämpferinnen und Kämpfern der FMLN, zu 20% aus Angehörigen der alten Nationalpolizei und zu
60% aus «unabhängigen» neuen Polizisten (nicht selten mit Vergangenheit in
paramilitärischen Strukturen) zusammengesetzt. Die im Befreiungskampf der FMLN thematisierte soziale
Ungerechtigkeit wurde im Friedensabkommen allerdings nicht aufgegriffen.
Zwar wurden 87 Offiziere aus der Armee
entfernt, die sich schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hatten. Sie wurden jedoch mit allen
Ehren und vollen Pensionsgeldern in den Ruhestand versetzt, in einigen Fällen als
Militärattachés ins Ausland entsandt oder erhielten einen lukrativen Staatsposten, wie etwa der
frühere Verteidigungsminister General René Emilio Ponce. Zudem verhinderte eine generelle
Amnestie die Bestrafung selbst schlimmster unter der Militärdiktatur begangener Gräueltaten. Ihre
ökonomisch privilegierte Stellung bewahrte das Militär durch fortgesetzten Schmuggel, Auto- und
Drogenhandel sowie Steuerhinterziehung.
Die angestrebte Agrarreform konnte die FMLN
in den Verhandlungen nicht durchsetzen. Erreicht wurden einzig Landüberschreibungen an ehemalige
Guerilleros (und demobilisierte Soldaten), sowie an Kleinstbauern, die im Krieg winzige Landflecken besetzt
und bestellt hatten. Hierbei handelte es sich überwiegend um Brachland, zumeist Böden geringer
Qualität. Da das Programm weder Produktionskredite, noch technische Hilfe oder Unterstützung bei
der Vermarktung beinhaltete, reichte der Erlös kaum zum Überleben aus, so dass das Land nicht
selten wieder an die Oligarchie verkauft werden musste. Die noch bestehenden Kleinstbauern können sich
zudem nur schwer gegenüber den mit dem Freihandelsabkommen CAFTA (2006) ins Land geschwemmten US-
amerikanischen Agrarprodukten behaupten.
Auch der weitgehend aus dem Ausland
finanzierte Plan des nationalen Wiederaufbaus ermöglichte nur bedingt die Wiedereingliederung
ehemaliger Guerillakämpferinnen und
-kämpfer, da die ARENA-Regierung die
Gelder bevorzugt an Gemeinden verteilte, in denen sie regierte oder die für die eigene Wiederwahl
besonders wichtig waren, auf Armutsbekämpfung war der Plan ohnehin nicht ausgerichtet.
Die demobilisierte FMLN wandelte sich in eine politische Partei, die ihr Ziel, den Aufbau einer
sozialistischen Gesellschaft, nun mittels Wahlen zu erreichen suchte. Die ersten Nachkriegswahlen von 1994
gewann jedoch nicht die FMLN, sondern die aus den Strukturen der Todesschwadrone entstandene
ultrareaktionäre Partei ARENA. Zwar konnte die FMLN 1997 die Wahlen in beachtlich vielen Kommunen
für sich entscheiden und einige Bürgermeister stellen, auf nationaler Ebene regiert jedoch seit
über 15 Jahren die ultrarechte ARENA-Partei. 2004 kam mit Antonio Saca ein Medienmogul vom Schlage
Berlusconis an die Macht.
Die möglichen Ursachen für die
parlamentarischen Misserfolge der FMLN sind vielfältig: zum Einen hatte die antikommunistische
Propaganda von ARENA in der Bevölkerung einen gewissen Erfolg. Die ultrakonservative Partei nutzte
zudem die hohe Kriminalitätsrate El Salvadors als Argument für ihre Politik der Stärke.
Hinzu kommt der «geschickte» Einsatz von Mitteln des Plans für den Wiederaufbau für den
Wahlkampf 1994. Nicht zuletzt jedoch war es auch ein Mangel an innerparteilicher Demokratie der FMLN, der
einige verdienstvolle ehemalige KämpferInnen aus der Partei trieb. Der Aufbau weiterer Links- bzw.
Mitte-Links-Parteien (FDR und CD) schwächte zudem den Einfluss der FMLN.
ARENA hatte bereits zur Umsetzung des Planes zum nationalen Wiederaufbau die Weltbank konsultiert und
deren Auflagen zur Strukturanpassung umgesetzt, was u.a. eine stramme Privatisierung weiter Teile des
Staatsbesitzes (darunter auch Basisgüter wie Strom, Wasser, öffentliche Transportmittel, Telefon,
etc.) bedeutete. Die in diesen Sektoren z.T. starken Gewerkschaften wurden zerschlagen oder entscheidend
geschwächt.
El Salvador ist mittlerweile das am
weitesten industrialisierteste Land Mittelamerikas, mit ausgedehnten Freihandelszonen, in denen für
den Weltmarkt produziert wird. Die Arbeitsbedingungen in den Maquilas (Nähfabriken) sind ganz
überwiegend grauenvoll, nationales Arbeitsrecht wird nicht eingehalten, zudem reicht der Lohn nicht
aus (zwei Drittel bekommen gerade mal 20 US-Dollar im Monat), um die Näherinnen und ihre Familien zu
ernähren. Nachdem 2001 der Dollar als nationales Zahlungsmittel eingeführt wurde, lebt
mittlerweile ca. ein Drittel der Bevölkerung von weniger als 1 Dollar pro Tag.
El Salvador hat die höchste
Kriminalitätsrate der Region. Pro Tag werden in dem mittelamerikanischen Land mit der Größe
Hessens 1012 Morde gezählt, die nach offiziellen Angaben auf das Konto der zahlreichen Mara-
Banden gehen. Allerdings wird von verschiedenen Seiten angezweifelt, dass die hohe Zahl an Gewaltverbrechen
in El Salvador tatsächlich ausschließlich von den Maras begangen wird das nationale
Menschenrechtsinstitut schließt eine Beteiligung staatlicher Strukturen nicht aus.
Die Ursachen dieser extrem hohen Gewalt
sind vielfältig. Eine mag in der extremen Gewalt der Militärdiktatur begründet sein
dieser fielen zwischen 1890 und 1990 75000 Menschen zum Opfer knapp anderthalb Prozent der
Bevölkerung und damit proportional zur Bevölkerungsgröße etwa 14mal mehr Menschen als
unter der argentinischen Militärdiktatur.
Die Linke in El Salvador ist trotz dieser
harten Realität sowohl außerparlamentarisch, als auch innerhalb des Parlaments aktiv und
hat durchaus Chancen, bei den nächsten Parlamentswahlen in diesem Jahr den Sieg zu erringen...
Reingard Zimmer, San Salvador
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04