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Maria Pachinger von der Arbeitsgruppe Marxismus in Wien will an Hand einiger
Arbeiten von acht europäischen und nordamerikanischen Feministinnen den «feministische[n]
Ansätze[n] mit einem antipatriarchalen und antikapitalistischen Charakter, die seit Ende der 60er
Jahre von sozialistischen und marxistischen Feministinnen entwickelt wurden», nachspüren.
Die Beschränkung der behandelten Autorinnen auf «Westeuropa und Nordamerika» (auf
Christine Delphy, Heidi Hartmann, Frigga Haug, Maria Rosa Dalla Costa, Nacy Hartsock, Michele Barret,
Johanna Brenner, Martha E.Gimenez) begründet sie mit der «Hegemonie v.a. des Englischen» und
damit, dass «durch die materielle Einbindung der Mittelschichten und Teilen der Lohnabhängigen in
den imperialistischen Ländern für Individuen und Gruppen größere Spielräume
für theoretische Beschäftigung entstanden sind».
Afroamerikanerinnen wie etwa Audre Lorde,
Alice Walker, Tony Morrison, Barbara Smith, Barbara Christian oder Angela Davis spielen für sie daher
ebenso wenig eine Rolle wie britische Feministinnen mit Migrationshintergrund wie Pratibha Parmar, Afua
Cooper, Rhonda Cobham, Merle Collins oder Buchi Emecheta. Dass sie auch kein Wort über die
verschiedenen afrikanischen Feminismen verliert, etwa über den afrikanischen Womanismus oder
Stiwanismus (Social Transformation Including Women in Africa) mag daran liegen, dass sie die Konzepte
dieser Feministinnen als nicht antikapitalistisch ansieht. Auch ostdeutsche Feministinnen lässt sie
unerwähnt, obwohl es seit Anfang des vergangenen Jahres mit dem 560 Seiten-Werk von Karin Aleksander
(Frauen und Geschlechterverhältnisse in der DDR und in den neuen Bundesländern) eine kompetente
Bibliografie dazu gibt.
Zielstellung ihrer Broschüre ist «zu überprüfen, inwieweit die behandelten
Theoretikerinnen ihren Ansprüchen, Kapitalismus und Patriarchat zu überwinden, gerecht werden
können, ob und wenn ja, welche konkreten politischen Strategien sie dafür entwickeln und wie
Erfolg versprechend diese einzuschätzen sind». Auch will Pachinger «die Methoden der
behandelten Autorinnen» untersuchen und prüfen, ob «Ansätze eines eigenen Konzepts
entwickelt werden, welche nicht nur den Anspruch haben, das Verhältnis von Klassenausbeutung und
Frauenunterdrückung zu klären, sondern auch die Perspektiven geben können, diese politisch
zu überwinden».
Einer solchen Zielstellung, die im
Übrigen keine der behandelten Autorinnen anstrebt, wird heute allerdings keine der linken politischen
Parteien oder der sozialen Bewegungen in Deutschland oder Österreich und daher auch keine der von der
Verfasserin behandelten Theoretikerinnen gerecht. Auch kann die emanzipatorische Leistung der verschiedenen
feministischen Richtungen, einschließlich der materialistischen und marxistischen, nicht adäquat
gewürdigt werden, wenn man wie sie davon ausgeht, dass, «um die Mehrheit der Frauen von
Ausbeutung und Unterdrückung befreien zu können», das kapitalistische System durch den Kampf
einer «geeinten ArbeiterInnenklasse konkret mit einer revolutionär-kommunistischen Partei»
beseitigt wird, «die Organisierung von Frauen in spezifisch antisexistischen Vereinen und
Initiativen» daher lediglich ein «progressiver Akt» ist, der «keinen Ersatz für
eine revolutionäre Organisation bzw. Partei darstellen» kann.
In einer solchen Partei sei «eine
aktive und bewusste Förderung von Frauen in der Organisation notwendig, um die vorherrschenden
geschlechtlichen Sozialisationsmuster wirklich auszumerzen», weshalb «Frauen auch das Recht haben
müssen, gesonderte Treffen abzuhalten». Dabei berichtet Pachinger in einer Fußnote, dass der
«tägliche Kleinkrieg gegen den männlichen Chauvinismus der Genossen», dem «die
Genossinnen nicht gewachsen sind», selbst in der trotzkistischen Linken dazu führte, dass viele
Frauen die Organisation verließen. Daraus hätte doch wohl die Legitimität eigener
Frauenvereinigungen geschlossen werden müssen.
Diesen und anderen Erfahrungen unbenommen ist Pachinger dennoch für eine Hierarchie der
Unterdrückungsverhältnisse, in der den Klassenverhältnissen das Primat zukommt, von dem
geschlechtliche und ethnische Ungleichheiten lediglich abzuleiten sind. Ihr zufolge spielt «der
sozialistische Feminismus, ganz zu schweigen vom marxistischen Feminismus, in der so genannten dritten
Welle der Frauenbewegung keine Rolle. Tonangebend ist heute der postmoderne, poststrukturalistische und
postkoloniale Diskurs, die über den akademischen Raum hinausgehend kaum Bedeutung haben».
Ungeachtet ihrer erklärten
Bedeutungslosigkeit beschäftigt sich Pachinger mit den feministischen Richtungen, die ein
antikapitalistisches Konzept vertreten, von denen sie zu Recht sagt, dass sie sich alle mit Marx und dem
Marxismus auseinandersetzen; Sozialistische Feministinnen sind für sie diejenigen, die sich negativ
und kritisch ablehnend zu Marx positionieren. Dagegen nehmen die marxistischen Richtungen «die Logik
der Marxschen Methode in ihre Theoriebildung auf und versuchen, sie auf die Problematik der
Geschlechtertrennung anzuwenden».
Eine solche frontale Entgegensetzung von
Marxkritikerinnen versus Marxanhängerinnen ist wegen der großen Schwankungsbreite der
Marxrezeptionen dieser Feministinnen aber nicht hilfreich. Nur in der Bundesrepublik und nur in der Zeit
der so genannten Hausarbeitsdebatte in den 70er Jahren würde diese Unterscheidung Sinn machen. Zwar
gibt es antikapitalistische feministische Theoretikerinnen, die den Klassenverhältnissen keine
Priorität über die patriarchalen Verhältnissen einräumen. Das macht sie aber ebenso
wenig zwangsläufig zu Antimarxistinnen wie die Aneignung moderner psychologischer und
strukturalistischer Erkenntnisse und ihre Integration in ein marxistisch-feministisches Verständnis
der sozialen Produktion von Frauen antimarxistisch sein muss.
Nach dem Scheitern des
«Realsozialismus» kann die Gleichrangigkeit aller gesellschaftlichen Ungleichheiten nicht mehr
mittels Beharren auf einer Hierarchie der Bedeutung von Klasse, Geschlecht und Ethnie vom Tisch gewischt
werden. So ist heute auch davon auszugehen, dass der Geschlechterbegriff nicht ohne Akzeptanz der Differenz
und damit der ethnischen Komponente gebraucht werden kann. Da «die Geschlechter als Ungleiche aus dem
Gesellschaftsprozess treten … ihre Nicht-Gleichheit zur Grundlage weiterer Überformungen wird
und Geschlechterverhältnisse fundamentale Regelungsverhältnisse in allen Gesellschaftsformationen
werden, [kann] kein Bereich … sinnvoll untersucht werden, ohne die Weise, wie
Geschlechterverhältnisse formen und geformt werden, mit zu erforschen.» So Frigga Haug im
Historisch-Kritischen Wörterbuch des Feminismus: «Geschlechterverhältnisse als
Verhältnisse, die die Menschen in der Produktion ihres Lebens eingehen, sind immer
Produktionsverhältnisse wie Produktionsverhältnisse umgekehrt auch immer
Geschlechterverhältnisse sind. Die Doppelung der ‹Produktion› in die von Leben (im
weitesten, Aufzucht und Pflege umfassenden Sinn) war Ausgangspunkt der historischen Verselbständigung
der Letzteren zum System der Ökonomie und im Kapitalismus ihrer Dominanz über die
Lebensproduktion.»
Ebenso wenig sind
poststrukturalistische/postmoderne Positionen unbedingt inkompatibel mit marxistischen. Wie die englische
materialistische Feministin Chris Weedon bereits in ihrem 1987 erschienenen Feminist Practice and
Poststructuralist Theory ausführt: «Der poststrukturalistische Feminismus muss die historische
Besonderheit der Konstruktion der Frau, der Subjektpositionen und Formen von Weiblichkeit, sowie ihrer
Verortung in dem allumfassenden Netzwerk gesellschaftlicher Machtverhältnisse beachten. Darin ist die
Bedeutung biologischer Differenz niemals endgültig festgelegt. Vielmehr ist diese ein Ort der
Auseinandersetzung über Bedeutung und Ausübung patriarchaler Macht. Diese Auseinandersetzung der
Diskurse, in der Frauen gegen bestimmte Bedeutungen und Machtverhältnisse Widerstand leisten
können, ist von historischen Veränderungen abhängig. Ein Verständnis, wie Diskurse
biologischer sexueller Differenz in einer bestimmten Gesellschaftsordnung, zu einer bestimmten Zeit
mobilisiert werden, ist die Voraussetzung für jede Intervention mit dem Ziel gesellschaftlicher
Veränderung.»
Bei ihren Bemühungen, die von den behandelten Autorinnen entwickelten neuen Erkenntnisse dort
zurückzuweisen, wo sich diese vom traditionell-marxistischen Ausschluss der unbezahlten
Reproduktionsarbeit abgrenzen, missversteht oder ignoriert Pachinger deren emanzipatorischen, den Marxismus
weiter entwickelnden Gehalt.
So ist für sie bedeutsam, dass
Christine Delphy die Frauen zu einer eigenen Klasse macht, was von anderen Feministinnen zu Recht
kritisiert wurde. Delphys Erkenntnis, dass Frauen Teil eines patriarchalen Ausbeutungssystems sind, dessen
konkrete Form sich aus den Produktionsverhältnissen ergibt, hält sie dagegen für einen
nichtmarxistischen Analyserahmen. Auch Heidi Hartmanns Verdienst, die Erkenntnis, dass der Keim des
Patriarchats die Verfügung über weibliche Arbeitskraft sei, ist für Pachinger zweitrangig
gegenüber dem Vorwurf, «geschlechtsspezifische Interessen» festgestellt zu haben.
Maria Rosa Dalla Costa wird
Vulgärmaterialismus vorgeworfen, weil sie Frauenunterdrückung in den ökonomischen
Verhältnissen fundiert. Nancy Hartsocks Versuch, die erkenntnistheoretischen Konsequenzen eines
feministischen historischen Materialismus auszuloten, wird von Pachinger als problematisch bewertet, weil
damit «eine klassenunspezifische, vereinheitlichende Betrachtung von Frauen» verbunden sei. Dabei
konzentriert sich Hartsock, wie Donna Haraway im Wörterbuch des Feminismus unter dem Stichwort
«Geschlecht» schreibt, «auf die Kategorien … die der Marxismus nicht hat historisieren
können: die sinnliche Arbeit der Frauen bei der Erschaffung menschlicher Wesen durch Schwangerschaft
und das Aufziehen von Kindern sowie die vielfältigen Formen weiblicher Ernährungs- und
Subsistenzarbeit», also auf geschlechtsspezifische Facetten, die vielfach klassenübergreifend
sind.
In ähnlich oberflächlicher Weise
geht sie auch mit den übrigen von ihr behandelten Autorinnen um. Paradigmatisch ist ihre sachlich
nicht zutreffende Bemerkung über Frigga Haug: «Die Übertragung von marxistischen
Begrifflichkeiten in einen ganz anderen Kontext, wie die Gleichsetzung von Produktionsverhältnissen
und Geschlechterverhältnissen, macht ihr mangelndes Kapitalismusverständnis deutlich.»
Es ist bedauerlich, dass die Verfasserin
nicht bereit war, die emanzipatorischen Leistungen des modernen Feminismus als Weiterentwicklung linker
theoretischer Positionen zu würdigen. Der dringende Bedarf nach einer populärwissenschaftlichen
Darstellung des modernen Feminismus muss daher immer noch befriedigt werden.
Hanna Behrend
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