SoZ - Sozialistische Zeitung |
Auf der Jahresmitgliederversammlung des Vereins, der sich (wie wohl klein und
nicht mit großen Gaben gesegnet) nach wie vor bemüht, der SoZ ein einigermaßen guter
Herausgeber zu sein, wurde ein bisschen über unsere Zukunft spekuliert. Bei einigem kam es mehr auf
Nachdenkerei, bei anderem mehr auf Anregung an, eher auf weitergehende Fragen, als auf schnelle Antworten.
In der Sammlung von Papier, das immer
irgendwo abgelegt ist und sich stapelt, findet sich eine Rede von Eva Demski: "Vom Glück der
Vergänglichkeit", wo sie der Arbeit des Zeitungmachens heimleuchtet. Sie sagte auf der
Veranstaltung zum 25.Geburtstag des Frankfurter Presseclubs: "Ja, es müsste glücklich
machen, immer von neuem anzufangen und jeden Tag die Wahrheit mit Schuhen zu versehen, auf dass sie weit
laufen lerne. Macht es aber nicht. Nicht jeder Sisyphos ist glücklich ... Ich treffe zur Zeit auf viel
Missmut, auf Traurigkeit, der ein Mützchen aus Zynismus aufgesetzt worden ist, auf Jobangst, auf
grantige Hilflosigkeit der Älteren und andererseits, wie zum Trost, auf eine fröhliche Mischung
aus Erfahrung und Gelassenheit auch bei den Älteren. Wenn einem die Sprache endgültig zur
verlässlichen Freundin geworden ist und man sich in ihr wieder erkennt, sind wir immer noch in den
miserabel beleumdeten Beruf verliebt, wie die Landfahrer, die ja schließlich auch nicht anders leben
wollen sage die Gesellschaft, was sie wolle." Und sie zitiert Alfred Kerrs Regel für
Zeitungsherausgeber: "Es verbinde sich eine Handvoll Kerle, die für ein freiheitliches Wunschziel
durchs Feuer gehen (und keinen Schutzklüngel für eine ästhetische Richtung!)", was wir
zustimmend zur Kenntnis nehmen wenns auch länger her ist genau bald 20 Jahre,
zumindest was die SoZ angeht.
"Wenn unsere Kampagnen, Debatten,
Enthüllungen oder Pamphlete, unsere Reflexionen, Erkenntnisse, Sachverhaltserklärungen und
Standortbestimmungen ein paar Wochen alt sind, gedenken wir ihrer mit Nachsicht, Ungläubigkeit, Liebe
oder Gelächter. Das macht den Glanz des Vergänglichen aus. Und zum Schluss, als Ermunterung, die
nächsten 25 Jahre zuversichtlich in Angriff zu nehmen, wage ich eine Prognose. Die sterbliche Zeitung,
das unsterbliche Buch es wird sie weiter geben. Wie ehedem. Aus Papier. Mit gedruckten Buchstaben
darin."
Das sind aber eigentlich nicht unsere
Hauptsorgen. Wir stehen weder vor dem "Sozialismus" noch vor der "Barbarei", wie Rosa
Luxemburgs bekannte Erkenntnis lautete, aber letztere ist für immer mehr Menschen leider Realität
ohne sichtbare Alternative Kriege innerhalb der Gesellschaften und zwischen Ländern finden
statt um Öl und Wasser, Vorherrschaft und Gewinne, mit barbarischen Folgen für die Menschen. Auch
bei uns bestimmen viele reaktionäre Tendenzen, zunehmende soziale Spaltung, Überwachung und
Verfolgung das Bild, vor allem gegenüber Arbeitslosen und Immigranten.
Dazu muss man ehrlicherweise auch die
Bewegungen, seien es Euromärsche, Montagsdemos, betriebliche oder gewerkschaftliche Aktionen und
Streiks selbstkritisch Revue passieren lassen, wie wenig bisher an "Alternative" davon ausgeht.
Der "Sozialismus" und die "Alternativen" machen sich rar und wir werden nicht
anknüpfen an diejenigen, die unter dem Namen des "Sozialismus" weder revolutionär, noch
sozialistisch, noch menschlich daherkamen und kommen. Eine "parlamentarische Alternative", bevor
nicht die außerparlamentarische bei Protesten und Widerständen wirksamer wird, mag unsere Zeitung
auch nicht ernsthaft als erfolgreich hinstellen. Dies gilt umso mehr, als die parlamentarische Demokratie
an den Grundlagen der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse immer weniger regelnde Funktionen,
immer mehr Hilflosigkeit präsentiert. "Kommunes" also gemeinsam wirkende Aktionen
scheint am Rande der Gesellschaft angekommen.
"Alternativen" hätten wir
wenige anzubieten. "Die Wahrheit mit Schuhen zu versehen" heißt wohl eher, zu den
Verhältnissen im Spiegel der Zeitungszeilen die Fragen aufzuwerfen, die sich aus Protest und
Widerstand ergeben. Nicht die "Ewigkeit" der richtigen Antworten ist also anzustreben, sondern
die "Vergänglichkeit" der richtigen Fragen, damit dann "Schuhe" zum Laufen auf
schwierigem Weg dafür brauchen wir mehr Unterstützung und Mitmachen durch unsere
Leserinnen und Leser.
Rolf Euler
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