SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2006, Seite 04

WASG Berlin

Offen und dialogbereit — für eine neue Linke

von MICHAEL PRÜTZ und BARBARA SUHR-BARTSCH, Presseteam WASG Berlin

Die Würfel sind gefallen: Nach neunmonatiger Diskussion hat sich eine knappe Mehrheit der Berliner WASG für den eigenständigen Antritt zu den Abgeordnetenhauswahlen im September 2006 entschieden. Neun Monate war‘s hoch hergegangen. Mehrere Parteitage, diverse Arbeitskonferenzen und die Diskussionen in Gremien, Bezirksgruppen und den verschiedenen politischen Lagern beschäftigten sich überwiegend mit nur einer Frage: "Wie schätzen wir die Politik der L.PDS in Berlin ein?"
Dabei standen sich im wesentlichen drei Hauptströmungen gegenüber: Eine kleine Minderheit, die die Politik der L.PDS in Berlin als zum großen Teil vernünftig und politisch alternativlos einschätzt, eine etwas größere Minderheit, die zwar heftige Kritik an der Politik der L.PDS hat, es aber für notwendig hält, diese Kritik dem Ziel einer neuen, großen vereinigten Linken unterzuordnen — und die Mehrheit, die aus der Notwendigkeit der Kritik an der Politik der L.PDS eine eigenständige Kandidatur in der Hauptstadt befürwortet. Auf allen Parteitagen und Arbeitskonferenzen und bei den Aktiven in den Bezirksgruppen hat die letztgenannte Position sich immer wieder durchgesetzt.
Nun hat sich der Rauch der Schlacht verzogen und die WASG Berlin steht vor folgender Situation: Es wird eine eigenständige Kandidatur zu den Abgeordnetenhauswahlen und zu den Wahlen der Bezirksversammlungen geben. In allen 78 Wahlkreisen werden Direktkandidaten aufgestellt und noch im April soll die Landesliste auf einem Parteitag aufgestellt werden. Hierzu sind auch Mitstreiter aus sozialen Bewegungen ausdrücklich eingeladen und aufgerufen — und die ersten Signale sind hoffnungsvoll. Die Minderheit der WASG Berlin hat sich noch nicht entschieden, ob sie den Wahlaufruf für die L.PDS unterstützt, gar nichts tut oder den Wahlantritt der WASG kritisch begleitet. Wichtig scheint in dieser Situation, die Gesprächsfäden innerhalb der WASG Berlin nicht abreißen zu lassen, denn übereinstimmend mit beträchtlichen Teilen dieser Minderheit sind wir der Ansicht, dass die Bildung einer neuen Linken historisch notwendig ist.
Ungeachtet der Frage des eigenständigen Antritts ging es nämlich im Kern der gesamten Berliner Auseinandersetzung um eine weit wichtigere Frage: "Kann eine wirklich neue, linke Formation eine Politik mittragen, die die Niederlagen und Zerwürfnisse und die daraus resultierenden defizitären Strategien aus achtzig Jahren Arbeiterbewegung in sich trägt?" Diese Diskussion ist mittlerweile in der gesamten Linken angelaufen und sie scheint produktiv und vorwärts weisend zu sein. Eine neue Linke, die im Kern nur die Politik des "kleineren Übels" mit linkem Argumentationsdeckmäntelchen fortsetzt und dabei die Organisationsformen in Ritualen der alten Arbeiterbewegung perpetuiert, kann den Anforderungen der veränderten gesellschaftlichen Notwendigkeiten und damit den Ansprüchen an eine zeitgemäße neue Linke nicht gerecht werden. Ein Projekt, das nur darauf schielt, mittelfristig mit einer völlig degenerierten Sozialdemokratie landes- und bundesweit im Koalitionsbett zu enden, hat sich schon selbst zum Scheitern verurteilt.
Der Klassenkampf ist wieder auferstanden und kann seinen adäquaten Ausdruck nur in bisher wenig geübten und gleichwohl konsequenten Ansätzen, Strategien und Zielvorstellungen finden. Unsere erste Aufgabe besteht heute darin, eine offene und radikale Partei aufzubauen, die ihren Mitgliedern gehört. Ein neuer historischer Block aus WASG, Mitgliedern sozialer Bewegungen und Gewerkschaftern, vor allem aber den gesellschaftlich Marginalisierten, entsteht aber nicht über Nacht und schon gar nicht per Handstreich. Deshalb ist es nötig, die Gründe und die Notwendigkeiten des eigenständigen Berliner Wahlantritts bundesweit zu kommunizieren und klar zu machen, dass nur auf diesem Weg der antineoliberale Gründungskonsens der WASG verteidigt wird und die L.PDS Berlin mit ihrer Politik des unterstützenden Sozialabbaus dem Projekt einer neuen vereinigten Linken diametral entgegen steht. Die Mehrheit der WASG Berlin ist dabei offen und dialogbereit, macht aber auch deutlich, dass wir diejenigen in L.PDS und WASG, die mit dem Feuer der Repression spielen, mit allen gegebenen politischen und juristischen Mitteln bekämpfen werden.
Die Würfel sind gefallen: Die Bürgerinnen und Bürger Berlins werden am 17.September 2006 über die verschiedenen Konzeptionen der Linken abzustimmen haben.

Michael ist Mitglied des Landesvorstands der WASG Berlin



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