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Die Würfel sind gefallen: Nach neunmonatiger Diskussion hat sich eine
knappe Mehrheit der Berliner WASG für den eigenständigen Antritt zu den Abgeordnetenhauswahlen im
September 2006 entschieden. Neun Monate wars hoch hergegangen. Mehrere Parteitage, diverse
Arbeitskonferenzen und die Diskussionen in Gremien, Bezirksgruppen und den verschiedenen politischen Lagern
beschäftigten sich überwiegend mit nur einer Frage: "Wie schätzen wir die Politik der
L.PDS in Berlin ein?"
Dabei standen sich im wesentlichen drei
Hauptströmungen gegenüber: Eine kleine Minderheit, die die Politik der L.PDS in Berlin als zum
großen Teil vernünftig und politisch alternativlos einschätzt, eine etwas größere
Minderheit, die zwar heftige Kritik an der Politik der L.PDS hat, es aber für notwendig hält,
diese Kritik dem Ziel einer neuen, großen vereinigten Linken unterzuordnen und die Mehrheit,
die aus der Notwendigkeit der Kritik an der Politik der L.PDS eine eigenständige Kandidatur in der
Hauptstadt befürwortet. Auf allen Parteitagen und Arbeitskonferenzen und bei den Aktiven in den
Bezirksgruppen hat die letztgenannte Position sich immer wieder durchgesetzt.
Nun hat sich der Rauch der Schlacht
verzogen und die WASG Berlin steht vor folgender Situation: Es wird eine eigenständige Kandidatur zu
den Abgeordnetenhauswahlen und zu den Wahlen der Bezirksversammlungen geben. In allen 78 Wahlkreisen werden
Direktkandidaten aufgestellt und noch im April soll die Landesliste auf einem Parteitag aufgestellt werden.
Hierzu sind auch Mitstreiter aus sozialen Bewegungen ausdrücklich eingeladen und aufgerufen und
die ersten Signale sind hoffnungsvoll. Die Minderheit der WASG Berlin hat sich noch nicht entschieden, ob
sie den Wahlaufruf für die L.PDS unterstützt, gar nichts tut oder den Wahlantritt der WASG
kritisch begleitet. Wichtig scheint in dieser Situation, die Gesprächsfäden innerhalb der WASG
Berlin nicht abreißen zu lassen, denn übereinstimmend mit beträchtlichen Teilen dieser
Minderheit sind wir der Ansicht, dass die Bildung einer neuen Linken historisch notwendig ist.
Ungeachtet der Frage des
eigenständigen Antritts ging es nämlich im Kern der gesamten Berliner Auseinandersetzung um eine
weit wichtigere Frage: "Kann eine wirklich neue, linke Formation eine Politik mittragen, die die
Niederlagen und Zerwürfnisse und die daraus resultierenden defizitären Strategien aus achtzig
Jahren Arbeiterbewegung in sich trägt?" Diese Diskussion ist mittlerweile in der gesamten Linken
angelaufen und sie scheint produktiv und vorwärts weisend zu sein. Eine neue Linke, die im Kern nur
die Politik des "kleineren Übels" mit linkem Argumentationsdeckmäntelchen fortsetzt und
dabei die Organisationsformen in Ritualen der alten Arbeiterbewegung perpetuiert, kann den Anforderungen
der veränderten gesellschaftlichen Notwendigkeiten und damit den Ansprüchen an eine
zeitgemäße neue Linke nicht gerecht werden. Ein Projekt, das nur darauf schielt, mittelfristig
mit einer völlig degenerierten Sozialdemokratie landes- und bundesweit im Koalitionsbett zu enden, hat
sich schon selbst zum Scheitern verurteilt.
Der Klassenkampf ist wieder auferstanden
und kann seinen adäquaten Ausdruck nur in bisher wenig geübten und gleichwohl konsequenten
Ansätzen, Strategien und Zielvorstellungen finden. Unsere erste Aufgabe besteht heute darin, eine
offene und radikale Partei aufzubauen, die ihren Mitgliedern gehört. Ein neuer historischer Block aus
WASG, Mitgliedern sozialer Bewegungen und Gewerkschaftern, vor allem aber den gesellschaftlich
Marginalisierten, entsteht aber nicht über Nacht und schon gar nicht per Handstreich. Deshalb ist es
nötig, die Gründe und die Notwendigkeiten des eigenständigen Berliner Wahlantritts
bundesweit zu kommunizieren und klar zu machen, dass nur auf diesem Weg der antineoliberale
Gründungskonsens der WASG verteidigt wird und die L.PDS Berlin mit ihrer Politik des
unterstützenden Sozialabbaus dem Projekt einer neuen vereinigten Linken diametral entgegen steht. Die
Mehrheit der WASG Berlin ist dabei offen und dialogbereit, macht aber auch deutlich, dass wir diejenigen in
L.PDS und WASG, die mit dem Feuer der Repression spielen, mit allen gegebenen politischen und juristischen
Mitteln bekämpfen werden.
Die Würfel sind gefallen: Die
Bürgerinnen und Bürger Berlins werden am 17.September 2006 über die verschiedenen
Konzeptionen der Linken abzustimmen haben.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
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