SoZ - Sozialistische Zeitung |
Die Politik diskutiert "fair sex" und warnt vor unlauteren Angeboten.
Die Kirche hat ein neues Thema und die Kripo demnächst vielleicht mehr zu tun. Irgendwer hat für die
WM 40000 neue Huren ermittelt, wie auch immer man das ausgerechnet haben mag. Für die aus dem Ausland wird
eine Green-Card ins Spiel gebracht. In der Presse werden die verstaubten Sprüche vom "ältesten
Gewerbe der Welt" und dem "horizontalen Gewerbe" mit zweideutigen Fotos aufgeheizt. Eine
Kampagne wird gestartet. Klaus Wowereit und Theo Zwanziger vom Fußball möchten anständig im
Gespräch bleiben und übernehmen die Schirmherrschaft für die Kampagne "Abpfiff
Schluss mit der Zwangsprostitution".
Nein, lustig ist Zwangsprostitution wirklich
nicht. Schon gar nicht plötzlich vor der Fußballweltmeisterschaft. Es wird so getan, als wäre
das Problem neu. Niemand kann belegen, dass durch solche Großereignisse die Zwangsprostitution nennenswert
ansteigt. Seit Jahren aber werden die Polizeibehörden einem international ansteigenden Verbrechen nur
schwer Herr, das in der Regel unentdeckt in dunklen Hinterzimmern stattfindet und Frauen für den Rest
ihres Lebens zerstört, körperlich und seelisch.
Nach Schätzungen der Internationalen
Arbeitsorganisation (ILO) werden jährlich weltweit 2,4 Millionen Frauen Opfer von Zwangsprostitution.
Jedes Jahr werden 500000 Frauen und Mädchen zur sexuellen Ausbeutung nach Westeuropa verschleppt,
vorwiegend aus den osteuropäischen Ländern, meist unter Vorspiegelung der Vermittlung auf normale
Arbeitsplätze mit guten Verdienstmöglichkeiten. Schätzungen zufolge gehen in Deutschland
täglich rund eine Million Männer in den Puff, von denen sich garantiert niemand fragt, ob er es mit
einer Zwangsprostituierten treibt. Immerhin lässt sich dort gut verdienen.
Mit Zwangsprostitution ist aber "noch mehr
drin", rund 100000 Euro "Umsatz" im Jahr pro Person. Das motiviert. Dagegen scheint die
Höchststrafe von zwei Jahren Knast ein lächerliches Risiko. Strafverfolgungen gibt es ohnehin selten.
Verurteilungen noch seltener, weil die Opfer sich aus Angst vor körperlicher und seelischer Gewalt nicht
wehren. Vor allem in Zeiten, in denen Wirtschaft und Lobbyisten den schlanken Staat fordern, fehlt den
Ermittlungsbehörden zunehmend das Geld, notwendige Fachkräfte können nicht bezahlt werden.
Die öffentliche Diskussion wirkt auch in
anderer Weise halbseiden. Nur vereinzelt werden die Ursachen von Zwangsprostitution diskutiert. So hat bspw.
der Zusammenbruch des Ostblocks zu verheerenden Armutssituationen in diesen Ländern geführt. Eine
große Chance für Schlepperbanden, in Not geratenen Menschen die Migration in Aussicht zu stellen.
Nicht ohne Grund wächst bei den internationalen Organisationen wie z.B. der OSCE (Organization for
Security and Cooperation in Europe) oder der UNO die Aufmerksamkeit für Zwangsprostitution und
Verschleppung. Das Problem betrifft nicht nur Verschleppung aus Osteuropa, sondern auch aus Ländern wie
Thailand oder Indien.
Weltweit wird in Konferenzen, Gremien und
Resolutionen Konsens über die Menschenrechtsverletzung durch Zwangsprostitution hergestellt, nennenswerte
Ergebnisse in der Eindämmung des Verbrechens gibt es bisher nicht. In Deutschland wird das Problem sicher
durch die Begrenzung illegaler Einreise eingegrenzt werden können und vielleicht ist dies ein kleiner
Hoffnungsschimmer: Trotz rot-grüner "Visa-Affäre" ist offiziell die Zahl von
Zwangsprostitution rückläufig. Laut BKA-Lagebild für das Jahr 2004 gab es einen Rückgang
bei den Tatverdächtigen um 12%, bei den Ermittlungsverfahren um 14% und 24% bei den Opfern des
Menschenhandels, einmal abgesehen von der Dunkelziffer.
Ob Frauen durch Abschiebung geholfen wird, ist
aber äußerst fraglich. In den Herkunftsländern hilft es den Frauen ohnehin wenig. Entweder
fallen sie ihren Peinigern wieder in die Hände oder sie werden kriminalisiert, gar strafrechtlich
verfolgt. Bestenfalls bleiben sie als Opfer alleingelassen.
Nur langsam scheint man die Komplexität
der Probleme in Deutschland zu erkennen. Erst vereinzelt gibt es Lebenshilfe und Zeugenschutzprogramme für
betroffene Frauen. Die bundesweite Kampagne ist richtig und sinnvoll, aber als große mediale Entdeckung
für die Weltmeisterschaft ungeeignet. Sie muss darüber hinaus fortgesetzt werden, um etwas zu
erreichen.
Hans-Dieter Hey
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