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Der türkische Film Kurtlar Vadisi (Tal der Wölfe) sorgt in
Deutschland für Schlagzeilen. Die "Wölfe", die heldenhaft im Irak Geiseln befreien und
damit dem großen Aggressor USA trotzen, fanden auch in den linken Zeitungen dieses Landes ein Echo. So
forderte Jürgen Elsässer in der Zeitung Junge Welt die Linke auf, den Film als ein
Diskussionsforum gegen die US-Amerikanische Politik im Nahen Osten zu nutzen und ihn gegenüber
bürgerlichen Attacken zu verteidigen. Zunächst muss jedoch die Frage gestellt werden, um welches
Tal es hier geht und wer überhaupt diese "Wölfe" sind.
Kurtlar Vadisi erscheint in den
türkischen Fernsehkanälen als Serie und behandelt die Beziehungen zwischen Mafia und Staat. Dabei
wird sowohl der türkische Nationalismus als auch die türkische Mafia, solange sie im Sinne des
türkischen Staates handelt, sehr positiv dargestellt. Überhaupt werden Mafia-Strukturen als eine
notwendige Organisationsform für die Verteidigung des Nationalstaats dargestellt. Geheimdienstagenten
und Mitglieder der Spezialeinheiten operieren mit den kriminellen Banden und Mafiaorganisationen, um die
Interessen des Staates gegen die ausländischen Mafiosi und andere Staaten zu schützen.
Dabei ist der Name des Films auch nicht
zufällig. Denn der Bezug auf die faschistische Partei MHP (Partei der Nationalen Bewegung), die in
Europa unter den Namen "Graue Wölfe" bekannt ist, ist unverkennbar. Hunderte Linke und
progressive Menschen wurden von den "Grauen Wölfe" in der Türkei umgebracht. Die
Angriffe der türkischen Faschisten auf die progressiven Kreise setzten sich auch in Deutschland fort.
So wurden linke migrantische Gewerkschafter, Lehrer, Angehörige von "Minderheiten" (Kurden,
Aleviten etc.) durch die "Grauen Wölfe" bedroht oder getötet.
In der nahen Vergangenheit wurde durch eine
Reihe von mysteriösen Zufällen die Zusammenarbeit zwischen Mafia, Sicherheitskräften und
Politik aufgedeckt. Am 3.November 1996 kam es in der Ortschaft Susurluk in der Westtürkei zu einem
Verkehrsunfall, der die Kooperation zwischen dem türkischen Staatsapparat, den faschistischen
"Grauen Wölfen" und der Drogenmafia ans Tageslicht brachte. In einer gepanzerten Mercedes-
Limousine, die mit einem Lastwagen zusammengestoßen war, saßen ein von Interpol gesuchter
Mafiaboss und MHP-Aktivist, der Polizeichef und ein Parlamentsabgeordneter. In diesem Zusammenhang redeten
die Tageszeitungen von der "Dreieckbeziehung zwischen Mafia, Polizei und Politik", die auch in
der Bevölkerung zu Protestaktionen führte.
US-Amerikanische Soldaten stürmten im
Juli 2003 einen türkischen Stützpunkt im Irak und steckten die Köpfe der türkischen
Soldaten in Säcke, so wie sie auch die irakischen Soldaten behandeln. Vor Scham verübte danach
ein hoher Offizier Selbstmord.
Vor einigen Wochen wurden zwei Agenten des
Militärgeheimdienstes JITEM nach einem Bombenanschlag auf eine Buchhandlung in der Kleinstadt Semdinli
in Türkisch-Kurdistan auf frischer Tat von der Bevölkerung ertappt. In dem Fluchtauto wurden
Waffen, weitere Anschlagspläne und eine Todesliste mit den Namen kurdischer Aktivisten gefunden.
Diese und ähnliche Fälle
führten dazu, dass der Staatsapparat aber vor allem das Militär in der Bevölkerung sehr an
Ansehen einbüßten. Dabei muss man wissen, dass der türkische Staat hauptsächlich auf
drei Säulen basiert: dem türkische Nationalismus, der sunnitischen Konfession des Islams und dem
Militarismus.
Das Establishment nutzt neben den
Printmedien zunehmend Fernsehen und Kino, um dem Imageverlust zu begegnen. In diesem Zusammenhang ist der
Film Tal der Wölfe der Versuch, im internationalen Maßstab das Ansehen des Militärs bzw. des
türkischen Staates zu verbessern. Somit kann die Forderung, auf der Grundlage dieses Films eine
Diskussion über den US-Imperialismus anzuregen, nur auf einen pauschalen Antiamerikanismus
zurückgeführt werden. Dass eine Diskussion auf solchen Grundlagen für die Linke keine Basis
für neue Aktionsformen bietet, liegt auf der Hand.
Es geht hier also um andere Wölfe und
andere Täler. Dass der Name der schönen Tiere in den faschistisch-ideologischen Schmutz gezogen
wird, sollte zumindest für die Tierschutzvereine Grund genug sein, um dagegen zu klagen.
Taylan Dagci
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