SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2006, Seite 20

"Good Night, and Good Luck"

Drähte und Lichter in einem Kasten

Im Chicago Institute of Art steht derzeit eine Installation, die aufs Geratewohl durch die US-amerikanischen Fernsehkanäle zappt und die Grundfarben neu verteilt. Es spricht von einer televisuellen Kultur, deren Möglichkeiten sich in einen unterschiedslosen Kommerzialismus auflösen. So etwas ähnliches hatte wohl der verehrte CBS-Nachrichtenmoderator Edward R. Murrow im Sinn, als er 1958 die Radio and Television News Directors Association über die Gefahr belehrte, dass ein auf kommerzielle Unterhaltung reduziertes Fernsehen "bloß aus Drähten und Lichtern in einem Kasten" besteht.
Die Kraft dieser Worte — sie sind die letzten in Good Night, and Good Luck — wurde mir deutlich, als ich das heruntergekommene 3-Dollar-Kino in Chicago verließ, in dem ich diese wahre Geschichte gesehen hatte, die schildert, wie Murrows Show See It Now sich der von McCarthy kultivierten Politik der Angst engegenstellte und so zu deren Verurteilung durch den US-Senat beitrug. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Films, dessen Regisseur George Clooney auch Koautor des Drehbuchs ist, fangen die rauchige Atmosphäre des Nachrichtenstudios der 50er Jahre, worin fast alle Szenen spielen, treffend ein.
Murrows ursprüngliche Sendung von 1954 benutzte Auszüge aus Reden von McCarthy, um ihn zu kritisieren, seine einander widersprechenden Argumente, ihre logischen Fehlschlüsse und Anachronismen darzulegen — sowie sein hartnäckiges Vertrauen darauf, dass durch Wiederholung unbegründeter Behauptungen diese den Status von "Tatsachen" erlangen. Good Night, and Good Luck benutzt dieselbe Technik und macht ausführlich Gebrauch von Archivmaterial, welches McCarthy in voller Aktion zeigt.
Der aktuelle Bezug ist kaum zu übersehen, denn Clooney präsentiert seinen Film als Mahnung davor, "wie gefährlich eine Demokratie sein kann, wenn die Furcht [vor dem Terrorismus] als Waffe verwendet wird". Während sich die Story um eine persönliche Auseinandersetzung zwischen Murrow — brillant dargestellt von David Strathairn — und McCarthy dreht, wird von ihrer Dramatik viel durch das nachhaltige Gefühl vermittelt, dass Angst sich negativ auf das alltägliche Miteinander der Menschen auswirken kann. In einer Nebenhandlung wird erzählt, wie Murrows Kollege Don Hollenbeck schließlich durch feindselige Zeitungsberichte, nach denen er ein "Roter" sein soll, in den Tod gehetzt wird, während die Entscheidung des CBS-Nachrichtenteams, McCarthy anzugreifen, Murray veranlasst, sie in Erwartung eines Gegenschlags nach ihren kommunistischen Verbindungen zu fragen. "Niemand kann eine ganze Nation terrorisieren, wenn wir nicht alle seine Komplizen sind", schlussfolgert er, sichtbar beunruhigt durch die ansteckende Tendenz des McCarthyismus, die in Selbstüberwachung resultiert.
Auf dem Höhepunkt des Films sehen wir, wie McCarthy auf Murrow reagiert — eine krude Form der Kommunistenhatz, deren Ausstrahlung in See It Now fast ebensoviel zur Verurteilung des Senators beigetragen hat wie die anfänglichen Angriffe der Show gegen ihn. Am Ende erfährt Murrows Team, dass McCarthy vom Senat gestoppt werden wird, dass aber auch seine Sendung See It Now durch die Quizshow $64000 Question ersetzt werden soll.
Die Spannung zwischen harten Nachrichten und der Zensur durch den Medienkonzern kommt zum Ausdruck, als der wütende Murrow CBS-Boss Paley daran erinnert, dass Zensur nicht nur darin besteht, Nein zu sagen. Man muss nicht nur die Angst fürchten, bemerkt er später in Chicago gegenüber einem Publikum aus Nachrichtenredakteuren. Seine Rede, mit der der Film beginnt und endet, erinnert daran, dass das Fernsehen lehren, aufklären und sogar inspirieren kann "in dem Maße, in dem Menschen entschlossen sind, es für diese Zwecke zu verwenden". Dieser exellente Film beweist, dass dies auch für eine Hollywood-Produktion gilt. Aber es zeugt vom traurigen Zustand des zeitgenössischen Fernsehens, dass sein "Drähte-und- Lichter"-Kommerz es gegenwärtig jeder Bestrebung, umfassendere Wahrheiten zu verbreiten, beraubt.

Oscar Reyes

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