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Im Chicago Institute of Art steht derzeit eine Installation, die aufs
Geratewohl durch die US-amerikanischen Fernsehkanäle zappt und die Grundfarben neu verteilt. Es
spricht von einer televisuellen Kultur, deren Möglichkeiten sich in einen unterschiedslosen
Kommerzialismus auflösen. So etwas ähnliches hatte wohl der verehrte CBS-Nachrichtenmoderator
Edward R. Murrow im Sinn, als er 1958 die Radio and Television News Directors Association über die
Gefahr belehrte, dass ein auf kommerzielle Unterhaltung reduziertes Fernsehen "bloß aus
Drähten und Lichtern in einem Kasten" besteht.
Die Kraft dieser Worte sie sind die
letzten in Good Night, and Good Luck wurde mir deutlich, als ich das heruntergekommene 3-Dollar-Kino
in Chicago verließ, in dem ich diese wahre Geschichte gesehen hatte, die schildert, wie Murrows Show
See It Now sich der von McCarthy kultivierten Politik der Angst engegenstellte und so zu deren Verurteilung
durch den US-Senat beitrug. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Films, dessen Regisseur George Clooney auch
Koautor des Drehbuchs ist, fangen die rauchige Atmosphäre des Nachrichtenstudios der 50er Jahre, worin
fast alle Szenen spielen, treffend ein.
Murrows ursprüngliche Sendung von 1954
benutzte Auszüge aus Reden von McCarthy, um ihn zu kritisieren, seine einander widersprechenden
Argumente, ihre logischen Fehlschlüsse und Anachronismen darzulegen sowie sein
hartnäckiges Vertrauen darauf, dass durch Wiederholung unbegründeter Behauptungen diese den
Status von "Tatsachen" erlangen. Good Night, and Good Luck benutzt dieselbe Technik und macht
ausführlich Gebrauch von Archivmaterial, welches McCarthy in voller Aktion zeigt.
Der aktuelle Bezug ist kaum zu
übersehen, denn Clooney präsentiert seinen Film als Mahnung davor, "wie gefährlich eine
Demokratie sein kann, wenn die Furcht [vor dem Terrorismus] als Waffe verwendet wird". Während
sich die Story um eine persönliche Auseinandersetzung zwischen Murrow brillant dargestellt von
David Strathairn und McCarthy dreht, wird von ihrer Dramatik viel durch das nachhaltige Gefühl
vermittelt, dass Angst sich negativ auf das alltägliche Miteinander der Menschen auswirken kann. In
einer Nebenhandlung wird erzählt, wie Murrows Kollege Don Hollenbeck schließlich durch
feindselige Zeitungsberichte, nach denen er ein "Roter" sein soll, in den Tod gehetzt wird,
während die Entscheidung des CBS-Nachrichtenteams, McCarthy anzugreifen, Murray veranlasst, sie in
Erwartung eines Gegenschlags nach ihren kommunistischen Verbindungen zu fragen. "Niemand kann eine
ganze Nation terrorisieren, wenn wir nicht alle seine Komplizen sind", schlussfolgert er, sichtbar
beunruhigt durch die ansteckende Tendenz des McCarthyismus, die in Selbstüberwachung resultiert.
Auf dem Höhepunkt des Films sehen wir,
wie McCarthy auf Murrow reagiert eine krude Form der Kommunistenhatz, deren Ausstrahlung in See It
Now fast ebensoviel zur Verurteilung des Senators beigetragen hat wie die anfänglichen Angriffe der
Show gegen ihn. Am Ende erfährt Murrows Team, dass McCarthy vom Senat gestoppt werden wird, dass aber
auch seine Sendung See It Now durch die Quizshow $64000 Question ersetzt werden soll.
Die Spannung zwischen harten Nachrichten
und der Zensur durch den Medienkonzern kommt zum Ausdruck, als der wütende Murrow CBS-Boss Paley daran
erinnert, dass Zensur nicht nur darin besteht, Nein zu sagen. Man muss nicht nur die Angst fürchten,
bemerkt er später in Chicago gegenüber einem Publikum aus Nachrichtenredakteuren. Seine Rede, mit
der der Film beginnt und endet, erinnert daran, dass das Fernsehen lehren, aufklären und sogar
inspirieren kann "in dem Maße, in dem Menschen entschlossen sind, es für diese Zwecke zu
verwenden". Dieser exellente Film beweist, dass dies auch für eine Hollywood-Produktion gilt.
Aber es zeugt vom traurigen Zustand des zeitgenössischen Fernsehens, dass sein "Drähte-und-
Lichter"-Kommerz es gegenwärtig jeder Bestrebung, umfassendere Wahrheiten zu verbreiten, beraubt.
Oscar Reyes
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