SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2006, Seite 22

Venezuela-Solidarität

… vernetzt sich

In den letzten drei Jahren haben sich auch in der BRD verschiedene Solidaritätsgruppen zur Unterstützung des revolutionären Prozesses in Venezuela gebildet. Im November 2005 kamen Vertreter dieser örtlichen Gruppen erstmals zu einem bundesweiten Koordinierungstreffen zusammen. Ende Februar fand dann in Bielefeld die zweite bundesweite Zusammenkunft statt, an der knapp 100 Vertreter örtlicher Gruppen mitwirkten. In Plenarsitzungen und Arbeitsgruppen wurde dabei über die nächsten Schritte beim Aufbau des Netzwerks Venezuela beraten.

Unter den Teilnehmenden fanden sich engagierte Linke und Gewerkschafter ebenso wie in Deutschland lebende Lateinamerikaner und ranghohe Vertreter der venezolanischen Botschaft in Berlin sowie des venezolanischen Generalkonsulats in Frankfurt. Auch unsere international operierende Initiative "Hände weg von Venezuela" war mit Aktiven aus mehreren Städten vertreten und wirkte an den Diskussionen engagiert mit.
In Arbeitsgruppen wurden unter anderem eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit über die Entwicklung des revolutionären Prozesses und ein intensiverer Austausch zwischen den Menschen in beiden Ländern vorgeschlagen. Gewerkschafter regten Kontakte zu Belegschaften in Venezuela an, die ihre Betriebe besetzt und teilweise eine Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle erreicht haben.
Während in Europa ständig privatisiert wird, zeigen die erfolgten Verstaatlichungen stillgelegter Betriebe und der in der venezolanischen Verfassung verankerte Verzicht auf eine Privatisierung der Bodenschätze, dass ein anderer Weg möglich ist.
Darum ist es nicht hinzunehmen, dass der Internationale Bund Freier Gewerkschaften (IBFG), in dem der DGB-Vorsitzende Michael Sommer eine führende Rolle spielt, immer noch den venezolanischen Gewerkschaftsbund CTV in seinen Reihen duldet, obwohl dessen Führung 2002 zusammen mit Unternehmerverband, Kirche, rechten Parteien und US-Regierung in einen Putschversuch verstrickt war.
Dieser Putsch hatte Ähnlichkeiten mit dem chilenischen Pinochet-Putsch 1973, scheiterte aber am Widerstand der Masse der ärmeren Bevölkerung. In diesem Zusammenhang fordert die Initiative "Hands off Venezuela", dass die DGB-Gewerkschaften die Kontakte zur CTV abbrechen und den neuen, kämpferischen venezolanischen Gewerkschaftsbund UNT als legitime Vertretung der organisierten Arbeiterschaft anerkennen.
Ein AStA-Vertreter aus Bremen kündigte an, dass Studierende einen direkten Austausch auf der Ebene von Schulen und Hochschulen entwickeln und in diesem Zusammenhang die Einführung von Studiengebühren in Deutschland mit dem Ausbau von kostenlosen Bildungsmöglichkeiten für ärmere Bevölkerungsschichten in Venezuela kontrastieren werden. Das Bielefelder Treffen solidarisierte sich auch mit Bielefelder Studierenden, die aus Protest gegen die Einführung von Studiengebühren das Rektorat der örtlichen Universität besetzt halten und darüber berichteten.
In einer Grundsatzerklärung spricht sich das Netzwerk für eine Überwindung von Imperialismus und Kapitalismus aus und kritisiert die Bemühungen, "das venezolanische Volk wieder an die Kette des Imperialismus zu legen". Die Entwicklung in Venezuela seit der Wahl von Präsident Hugo Chávez zeige, dass "eine andere Welt möglich ist". Gleichzeitig wurden aber auch Probleme und Schwierigkeiten innerhalb des revolutionären Prozesses ebenso offen und kritisch wie solidarisch angesprochen.
Ein Koordinierungsausschuss, in den Vertreter örtlicher Gruppen sowie der Initiativen "Hände weg von Venezuela!" und "Venezuela Avanza" gewählt wurden, soll die Vernetzung bis zum nächsten bundesweiten Arbeitstreffen im Herbst vorantreiben, die Kommunikation und Koordination zwischen den örtlichen Gruppen ausbauen und weitere Vorschläge für das nächste Treffen ausarbeiten.
Aus Anlass des 4.Jahrestags eines fehlgeschlagenen Putschversuchs gegen die Regierung Chávez sollen Mitte April bundesweit Veranstaltungen stattfinden. Rundreisen revolutionärer Venezolaner in Deutschland sollen über das Netzwerk besser koordiniert werden. So wird etwa Mitte Mai ein junger Gewerkschafter aus Caracas auf Einladung von "Hands off Venezuela" in mehreren deutschen Städten über die aktuelle Lage berichten.
Natürlich geht der Aufbau eines solchen Netzwerks aus unterschiedlichsten Gruppen nicht ohne Reibungen vor sich. Vor der Konferenz hatten Pressemeldungen über große Konflikte und "scheinbar unüberwindbare Differenzen" innerhalb der Solidaritätsbewegung Aufsehen erregt. Bei dem Treffen allerdings war davon weniger zu hören. In den Arbeitsgruppen entwickelte sich eine engagierte und solidarische Diskussion über die politische Überzeugungsarbeit in Deutschland und die Widersprüche im revolutionären Prozess, sodass sich die vorher aufgeblasenen organisatorischen Konflikte und Differenzen angesichts der deutlich gewordenen Gemeinsamkeiten in der politischen Analyse als nichtig und klein erwiesen und die Atmosphäre viel entspannter war.

Hans-Gerd Öfinger

Infos: www.haendewegvonvenezuela.de und www. netzwerk-venezuela.de.



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