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In den letzten drei Jahren haben sich auch in der BRD verschiedene
Solidaritätsgruppen zur Unterstützung des revolutionären Prozesses in Venezuela gebildet. Im
November 2005 kamen Vertreter dieser örtlichen Gruppen erstmals zu einem bundesweiten
Koordinierungstreffen zusammen. Ende Februar fand dann in Bielefeld die zweite bundesweite Zusammenkunft
statt, an der knapp 100 Vertreter örtlicher Gruppen mitwirkten. In Plenarsitzungen und Arbeitsgruppen
wurde dabei über die nächsten Schritte beim Aufbau des Netzwerks Venezuela beraten.
Unter den Teilnehmenden fanden sich engagierte Linke und Gewerkschafter ebenso wie in Deutschland
lebende Lateinamerikaner und ranghohe Vertreter der venezolanischen Botschaft in Berlin sowie des
venezolanischen Generalkonsulats in Frankfurt. Auch unsere international operierende Initiative
"Hände weg von Venezuela" war mit Aktiven aus mehreren Städten vertreten und wirkte an
den Diskussionen engagiert mit.
In Arbeitsgruppen wurden unter anderem eine
verstärkte Öffentlichkeitsarbeit über die Entwicklung des revolutionären Prozesses und
ein intensiverer Austausch zwischen den Menschen in beiden Ländern vorgeschlagen. Gewerkschafter
regten Kontakte zu Belegschaften in Venezuela an, die ihre Betriebe besetzt und teilweise eine
Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle erreicht haben.
Während in Europa ständig
privatisiert wird, zeigen die erfolgten Verstaatlichungen stillgelegter Betriebe und der in der
venezolanischen Verfassung verankerte Verzicht auf eine Privatisierung der Bodenschätze, dass ein
anderer Weg möglich ist.
Darum ist es nicht hinzunehmen, dass der
Internationale Bund Freier Gewerkschaften (IBFG), in dem der DGB-Vorsitzende Michael Sommer eine
führende Rolle spielt, immer noch den venezolanischen Gewerkschaftsbund CTV in seinen Reihen duldet,
obwohl dessen Führung 2002 zusammen mit Unternehmerverband, Kirche, rechten Parteien und US-Regierung
in einen Putschversuch verstrickt war.
Dieser Putsch hatte Ähnlichkeiten mit
dem chilenischen Pinochet-Putsch 1973, scheiterte aber am Widerstand der Masse der ärmeren
Bevölkerung. In diesem Zusammenhang fordert die Initiative "Hands off Venezuela", dass die
DGB-Gewerkschaften die Kontakte zur CTV abbrechen und den neuen, kämpferischen venezolanischen
Gewerkschaftsbund UNT als legitime Vertretung der organisierten Arbeiterschaft anerkennen.
Ein AStA-Vertreter aus Bremen kündigte
an, dass Studierende einen direkten Austausch auf der Ebene von Schulen und Hochschulen entwickeln und in
diesem Zusammenhang die Einführung von Studiengebühren in Deutschland mit dem Ausbau von
kostenlosen Bildungsmöglichkeiten für ärmere Bevölkerungsschichten in Venezuela
kontrastieren werden. Das Bielefelder Treffen solidarisierte sich auch mit Bielefelder Studierenden, die
aus Protest gegen die Einführung von Studiengebühren das Rektorat der örtlichen
Universität besetzt halten und darüber berichteten.
In einer Grundsatzerklärung spricht
sich das Netzwerk für eine Überwindung von Imperialismus und Kapitalismus aus und kritisiert die
Bemühungen, "das venezolanische Volk wieder an die Kette des Imperialismus zu legen". Die
Entwicklung in Venezuela seit der Wahl von Präsident Hugo Chávez zeige, dass "eine andere
Welt möglich ist". Gleichzeitig wurden aber auch Probleme und Schwierigkeiten innerhalb des
revolutionären Prozesses ebenso offen und kritisch wie solidarisch angesprochen.
Ein Koordinierungsausschuss, in den
Vertreter örtlicher Gruppen sowie der Initiativen "Hände weg von Venezuela!" und
"Venezuela Avanza" gewählt wurden, soll die Vernetzung bis zum nächsten bundesweiten
Arbeitstreffen im Herbst vorantreiben, die Kommunikation und Koordination zwischen den örtlichen
Gruppen ausbauen und weitere Vorschläge für das nächste Treffen ausarbeiten.
Aus Anlass des 4.Jahrestags eines
fehlgeschlagenen Putschversuchs gegen die Regierung Chávez sollen Mitte April bundesweit
Veranstaltungen stattfinden. Rundreisen revolutionärer Venezolaner in Deutschland sollen über das
Netzwerk besser koordiniert werden. So wird etwa Mitte Mai ein junger Gewerkschafter aus Caracas auf
Einladung von "Hands off Venezuela" in mehreren deutschen Städten über die aktuelle
Lage berichten.
Natürlich geht der Aufbau eines
solchen Netzwerks aus unterschiedlichsten Gruppen nicht ohne Reibungen vor sich. Vor der Konferenz hatten
Pressemeldungen über große Konflikte und "scheinbar unüberwindbare Differenzen"
innerhalb der Solidaritätsbewegung Aufsehen erregt. Bei dem Treffen allerdings war davon weniger zu
hören. In den Arbeitsgruppen entwickelte sich eine engagierte und solidarische Diskussion über
die politische Überzeugungsarbeit in Deutschland und die Widersprüche im revolutionären
Prozess, sodass sich die vorher aufgeblasenen organisatorischen Konflikte und Differenzen angesichts der
deutlich gewordenen Gemeinsamkeiten in der politischen Analyse als nichtig und klein erwiesen und die
Atmosphäre viel entspannter war.
Hans-Gerd Öfinger
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