SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2006, Seite 20

Ulrich Ritzel: Der Hund des Propheten, btb-Verlag, 2006, 245 S., 9,00 Euro

Wolfgang Schorlau: Das dunkle Schweigen, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2005, 334 S., 7,90 Euro.

Die erste Generation der sog. Regionalkrimis besaß noch einigen Sprengstoff für örtliche Politfürsten und deren kriminellen Verbindungen, die sie und die Öffentlichkeit in den meiste Fällen gar nicht als solche begriffen. Ende der 80er Jahre strengte der Dattelner SPD-OB Niggemeier die juristische Verfolgung der Krimiautoren Ard/Jung an, weil er sich in der Romantrilogie über das Ekel von Datteln bis zur völligen Kenntlichkeit denunziert wiederfand.
In der Liga der Extraklasse regional angesiedelter Krimis schreibt Ulrich Ritzel. Der Hund des Propheten steht seinen drei Vorgängern in nichts nach. Wie immer geht es um die Aufdröselung der Zusammenhänge zurückliegender Verbrechen mit aktuellen Morden, es ist immer wieder die Geschichte beider deutscher Staaten, die besondere Niedertracht der baden-württembergischen Staatspartei und die manchmal hoffnungsraubende Engstirnigkeit der ländlichen Bevölkerung rund um Ulm, die Ritzel zum Thema macht. Und dann ganz besonders: die Sezierung der landestypischen Mittelschicht. Waren es an anderer Stelle die Lehrer, die Ritzel aufs Korn nahm, sind es hier die protestantischen Geistlichen und ihr ehrenamtlicher Apparat, die derart bravorös auseinandergenommen werden, dass es eine Lust ist.
Exkommissar Berndorf bereitet eigentlich den Umzug nach Berlin vor, aber der Tod eines ehemaligen Kollegen verschafft ihm einen verwaisten Boxerrüden und einen Fall: Der Lokalredakteur Hollerbach wird tot in seinem abgebrannten Haus gefunden, wo vor Jahren ein Anwesen in Flammen aufging, in das eine Sintifamilie einziehen sollte und wo die freiwillige Feuerwehr damals zu spät kam. War Berndorf zu seiner Kommissarszeit schon ein ziemlicher Eigenbrödler, kommt er nun seiner ehemaligen Kollegin Tamar andauernd in die Quere: Jeder für sich versucht die Fäden zu entwirren, die von lokalen Speditionsunternehmen mit guten Verbindungen in den Kosovo bis zur Familie eines verschwundenen Staatssekretärs reichen.
Über vier Bände ist es Ritzel gelungen, seinen Figuren neue Seiten abzugewinnen und seine Geschichten mit gleicher Spannung und obduzierender Böswilligkeit zu erzählen. Das gelingt Wolfgang Schorlau schon in seinem zweiten Roman Das dunkle Schweigen um den in Stuttgart wohnenden Privatdetektiv Georg Dengler nicht mehr. Während Die blaue Liste einen guten Politkrimi über die Ermordung des Treuhandchefs Rohwedders abgab, kommt in dem Folgeroman keine rechte Spannung auf. Dengler soll im Auftrag kleinindustrieller Erben herausfinden, warum deren Großvater 1947 ein Schlosshotel an einen neuen Eigentümer überschrieb, mit dem überhaupt keine verwandschaftliche Beziehung bestand. Nebenbei übernimmt er den Sicherheitsdienst auf einer Bonzenparty und betätigt sich als Schnüffler gegen ALG-II-Empfänger. Schorlau packt zuviel in seine Geschichte hinein, manche Erzählstränge versickern im Nichts und die Verknüpfung von Denglers Begeisterung für Blues, die für den Leser in zunehmendem Maße aufdringlich wird, mit dem Schicksal eines schwarzen Piloten, der im Zweiten Weltkrieg abgeschossen wurde, sind ziemlich unglaubhaft konstruiert. Fazit: Ulrich Ritzel hat keinen Erben.

Udo Bonn

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