SoZ - Sozialistische Zeitung |
In einem Interview sagte Itchiban, einer der Rapper der Berliner Gruppe
Culcha Candela, mir einmal, dass ihre Band den einfachen Weg des Jammerns, der hier in Deutschland gepflegt
würde, nicht ginge. Vielmehr versuchten sie in ihrer Musik sich der Herausforderung zu stellen, das
Feiern und die gute Laune mit den herrschenden politischen und sozialen Missständem zu konfrontieren.
Das Beklagen von verlorener Liebe, von persönlichem Unglück verbindet hierzulande den Schlager
mit der Popmusik, und das ist meilenweit von dem entfernt, was an progressivem Liedgut entstand und
entsteht. Dass es auch anders geht, beweist Lila Downs auf ihrer neuen Produktion. Für ihre letzte CD
Una sangre/One blood bekam sie den Grammy für das beste Folk-Album. Während auf dieser Scheibe,
ebenso wie auf dem Vorgänger Border, die Grenzen zwischen den USA und Mexiko ein ums andere Mal
musikalisch niedergerissen wurden, bleibt sie mit der neuen Produktion weitgehend in Mexiko.
Anfang des 20.Jahrhunderts fand in Mexiko
nicht nur 1910 eine Revolution statt, die mit Emiliano Zapata einen Führer hatte, auf den sich die
"erste Guerilla" des 21.Jahrhunderts immer noch beruft, sondern es kam auch zu dieser Zeit zur
Abwanderung vom Land in die Städte. Die Menschen, die so in die urbanen Zentren kamen, fanden in der
Regel nicht das Glück, auf das sie dort gehofft hatten. Aber sie verarbeiteten dies unter anderem in
einer Musik, deren Balladen schwermütig bis melodramatisch daherkamen. Die música ranchera war
geschaffen.
In den 1940er und 1950er Jahren hatte diese
Musik ihren Höhepunkt. Jetzt hundert Jahre nach ihrer Geburtsstunde lässt Lila Downs sie neu
entstehen, mischt sie zuweilen mit einer Rockgitarre, Rapeinlagen und prägt sie vor allem mit ihrer
facettenreichen Stimme in ein prächtiges Gewand.
Die Band, die sie dabei unterstützt,
ist jedoch wieder eine Gruppe "de Américas": Neben Lila Downs haben 20 weitere Musiker aus
Nord-, Mittel- und Südamerika an dieser in México DF und New York produzierten Platte
mitgearbeitet. Besonders zu erwähnen ist vor allem der Multiinstrumentalist Paul Cohen. Der
Lebensgefährte von Lila Downs hat den Sound der CD im Wesentlichen auch als Produzent mitgeprägt.
Doch auch die anderen Musiker schaffen es, den Geist der Rancheras zu erhalten und sie dennoch in einem
zeitgemäßen Arrangement daherkommen zu lassen.
La Cantina ist das fünfte Album der
stimmgewaltigen Sängerin und trägt den Untertitel "Entre copa y copa". Und wer da an
Schützenfestsauflieder denkt, ist auf der völlig falschen Spur. In den "Rancheras" geht
es um Emotionen zwischen Einsamkeit, Trauer, aber auch um Respekt. Eröffnet wird die CD mit der
spanischsprachigen Version von "La Cumbia del Mole", einer Hommage an die Frauen, die für
ein typisches mexikanisches Fest eine klassische Mole aus Chilis, Nüssen, Früchten und Schokolade
zubereiten, die dann zwischen den Gläsern mit Mescal und Kaffee gereicht wird. Später ist auch
noch eine englische Version dieses Liedes zu hören. Auf der Webseite gibt es zu diesem Stück ein
Video zu sehen.
Auch in "El Corrido de Tacha La
Teibolera" zollt Lila Downs Respekt. Bewegt der Rhythmus zum Tanzen, so handelt der Text von der
Geschichte einer jungen Frau, die ihr Dorf verlässt und in der Stadt als Tabledancerin endet. Eine
klassische Ranchera also.
Mit dieser Produktion hat Lila Downs
sicherlich kein Album vorgelegt, das in der Popwelt große Anerkennung finden wird. Sie schwimmt hier
vielmehr eindrucksvoll gegen einen weichgespülten Mainstream und ist dabei eine sehr gute Schwimmerin.
Vielleicht ist die Attitüde, mit der Lila Downs hier auftritt und eine Kultur des Klagens
präsentiert, die eben nicht dem hiesigen Jammern entspricht, viel schwieriger und gleichzeitig
gewichtiger und befriedigender, als es sich die Jungens von Culcha Candela vorstellen. Dennoch bin ich
sicher, dass auch ihnen diese CD gefallen würde.
Lila Downs geht im Übrigen auch in
Deutschland auf Tour und ihre Konzerte sind ein absoluter musikalischer Leckerbissen:
28.6., Ulm, Ulmer Zelt; 2.7., Mannheim,
Feuerwache; 5.7., München, Tollwood-Festival; 6.7., Ludwigsburg, Schlossfestspiele; 7.7.,
Lörrach, Stimmenfestival; 8.7., Rudolfstadt, TFF; 10.7., Düsseldorf, Zakk; 12.7., Bregenz,
Seelax; 30.7., Bad Wildungen, Folk im Schloss; 1.8., Frankfurt am Main, Palmengarten.
Thomas Schroedter
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