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Der Bundesparteitag der WASG Ende April hat unzweifelbar einen Rechtsruck
gebracht: Administrative Maßnahmen und eine scharfe Abgrenzungspolitik gegen linke Positionen haben
die innerparteiliche Debatte über den Umgang mit neoliberalen Positionen beim Fusionspartner LPDS
ersetzt. Unter der Führung der Bundestagsfraktion wird nun ein Kreisverband der WASG nach dem anderen
aufgerollt: Masseneintritte von LPDS-Mitgliedern verändern Mehrheiten, die dazu genutzt werden,
missliebige Kreis- und Landesvorstände abzuwählen. Der lebendigen Diskussionskultur, die bislang
die WASG wohltuend von anderen Parteien abhob, wird ein enges Korsett eingezogen: Die örtliche Debatte
über den bundespolitischen Kurs wird unterbunden, die Kreisvorstände sollen sich nur noch mit
kommunalpolitischen Themen befassen. Auf diese Weise wird eine schleichende Entpolitisierung der Partei
durchgesetzt, die die Vorherrschaft der Apparate untermauert.
Dennoch: noch ist nicht aller Tage Abend.
Die neoliberale Orientierung insbesondere der Berliner LPDS-Senatsfraktion stößt auch innerhalb
der LPDS auf zunehmende Ablehnung. Mit dem Manifest "Für eine antikapitalistische Linke"
traut sich erstmals eine innerparteiliche Strömung an die Öffentlichkeit, die mindestens in
Teilen mehr sein will als die "loyale Opposition Ihrer Majestät", mit der sich die
Kommunistische Plattform bisher begnügt hat. PDS-Kreisverbände im Westen haben sich offen gegen
administrative Maßnahmen gegen den Berliner Landesvorstand der WASG gewandt, obwohl dieser in
Konkurrenz zur LPDS kandidieren will. So fest im Sattel, wie sie den Anschein hat, sitzt die LPDS-
Führung nicht. Eine dramatische Wahlniederlage in Berlin scheint ihr nicht erspart zu bleiben
unabhängig davon, ob sie eine Konkurrenzkandidatur bekommt und unter welcher Flagge. (In den
Meinungsumfragen liegt sie derzeit bei 13%.) Und der biografische Wandel damit der
Generationenwandel ist in der LPDS alles andere als abgeschlossen. Nimmt man hinzu, dass der Herbst
einen neuen Aufschwung sozialer Proteste verspricht, rechnet man ein, dass dieser sich in nächste Jahr
verlängern wird und im Sommer 2007 zu einer breiten, um europäische Partner erweiterten Bewegung
gegen die G8 gebündelt werden kann, berücksichtigt man ferner, dass eine linke Kandidatur in
Berlin auch dann noch ein respektables Ergebnis einfahren kann, wenn es ihr verwehrt wird, unter dem Namen
WASG anzutreten dann erkennt man, dass in der Gesellschaft zu viel brodelt und die politischen
Verhältnisse zu labil sind, als dass das Projekt "PDS plus" oder auch das einer von Teilen
der Gewerkschaften getragenen "linkssozialdemokratischen Partei" traditionellen Tpys schon seinen
Siegeszug verkünden könnte.
Nein, es wäre zu früh, die Flinte
ins Korn zu werfen. Die Formierung einer antineoliberalen
und antikapitalistischen Partei, die dem
Strukturwandel in der Arbeiterklasse Rechnung trägt und die Lehren aus dem Scheitern der
Sozialdemokratie und des Stalinismus zieht, bleibt hochaktuell. Sie geht nur keinen graden Weg. Wer gehofft
hat, die Konstituierung einer Wahlalternative aus dem traditionellen gewerkschaftsnahen und
sozialdemokratischen Milieu würde schon die "Partei neuen Typs" bringen, die wir brauchen,
sieht sich natürlich enttäuscht. Aber ehrlich gesagt, das wäre zu einfach gewesen. Zu vieles
muss neu gedacht werden: das Verhältnis der Partei zu sozialen Bewegungen, das Verhältnis der
Partei zu den staatlichen Institutionen, ihr internes Funktionieren, u.v.m. Es würde lügen, wer
behauptete, die Antworten schon alle zu haben, in vieler Hinsicht betreten wir Neuland. Neue Formen, neue
Erfahrungen müssen zugelassen werden, wir müssen experimentieren und das Recht verteidigen, dabei
Fehler zu machen.
Wer davor Angst hat und sich dem
Experimentieren verschließt, wird scheitern. Das ist gewiss. Denn das Ausmaß an
gesellschaftlicher Umwälzung, die die neoliberalen "Reformen" bewirken, lässt sich mit
dem Repertoire einer fordistisch geprägten Arbeiterbewegung nicht mehr bewältigen. Da kann man
ganz gelassen sein. Die neue Partei, die wir brauchen, wird nicht in einem Handstreich erschaffen werden.
Da wird es viele kleine und größere Zwischenschritte geben müssen. Es ist gar nicht so
wenig, was die Linke bislang in der WASG erreicht hat. Gar manche in der WASG und in der LPDS trösten
sich damit, im September werde der Berliner Spuk vorbei sein, dann werden endlich "normale
Verhältnisse" einkehren. Ich bin mir da gar nicht so sicher.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
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