SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2006, Seite 10

Nach dem Bundesparteitag

Ist die WASG noch zu retten?

Der Bundesparteitag der WASG Ende April hat unzweifelbar einen Rechtsruck gebracht: Administrative Maßnahmen und eine scharfe Abgrenzungspolitik gegen linke Positionen haben die innerparteiliche Debatte über den Umgang mit neoliberalen Positionen beim Fusionspartner LPDS ersetzt. Unter der Führung der Bundestagsfraktion wird nun ein Kreisverband der WASG nach dem anderen aufgerollt: Masseneintritte von LPDS-Mitgliedern verändern Mehrheiten, die dazu genutzt werden, missliebige Kreis- und Landesvorstände abzuwählen. Der lebendigen Diskussionskultur, die bislang die WASG wohltuend von anderen Parteien abhob, wird ein enges Korsett eingezogen: Die örtliche Debatte über den bundespolitischen Kurs wird unterbunden, die Kreisvorstände sollen sich nur noch mit kommunalpolitischen Themen befassen. Auf diese Weise wird eine schleichende Entpolitisierung der Partei durchgesetzt, die die Vorherrschaft der Apparate untermauert.
Dennoch: noch ist nicht aller Tage Abend. Die neoliberale Orientierung insbesondere der Berliner LPDS-Senatsfraktion stößt auch innerhalb der LPDS auf zunehmende Ablehnung. Mit dem Manifest "Für eine antikapitalistische Linke" traut sich erstmals eine innerparteiliche Strömung an die Öffentlichkeit, die mindestens in Teilen mehr sein will als die "loyale Opposition Ihrer Majestät", mit der sich die Kommunistische Plattform bisher begnügt hat. PDS-Kreisverbände im Westen haben sich offen gegen administrative Maßnahmen gegen den Berliner Landesvorstand der WASG gewandt, obwohl dieser in Konkurrenz zur LPDS kandidieren will. So fest im Sattel, wie sie den Anschein hat, sitzt die LPDS- Führung nicht. Eine dramatische Wahlniederlage in Berlin scheint ihr nicht erspart zu bleiben — unabhängig davon, ob sie eine Konkurrenzkandidatur bekommt und unter welcher Flagge. (In den Meinungsumfragen liegt sie derzeit bei 13%.) Und der biografische Wandel — damit der Generationenwandel — ist in der LPDS alles andere als abgeschlossen. Nimmt man hinzu, dass der Herbst einen neuen Aufschwung sozialer Proteste verspricht, rechnet man ein, dass dieser sich in nächste Jahr verlängern wird und im Sommer 2007 zu einer breiten, um europäische Partner erweiterten Bewegung gegen die G8 gebündelt werden kann, berücksichtigt man ferner, dass eine linke Kandidatur in Berlin auch dann noch ein respektables Ergebnis einfahren kann, wenn es ihr verwehrt wird, unter dem Namen WASG anzutreten — dann erkennt man, dass in der Gesellschaft zu viel brodelt und die politischen Verhältnisse zu labil sind, als dass das Projekt "PDS plus" oder auch das einer von Teilen der Gewerkschaften getragenen "linkssozialdemokratischen Partei" traditionellen Tpys schon seinen Siegeszug verkünden könnte.
Nein, es wäre zu früh, die Flinte ins Korn zu werfen. Die Formierung einer antineoliberalen
und antikapitalistischen Partei, die dem Strukturwandel in der Arbeiterklasse Rechnung trägt und die Lehren aus dem Scheitern der Sozialdemokratie und des Stalinismus zieht, bleibt hochaktuell. Sie geht nur keinen graden Weg. Wer gehofft hat, die Konstituierung einer Wahlalternative aus dem traditionellen gewerkschaftsnahen und sozialdemokratischen Milieu würde schon die "Partei neuen Typs" bringen, die wir brauchen, sieht sich natürlich enttäuscht. Aber ehrlich gesagt, das wäre zu einfach gewesen. Zu vieles muss neu gedacht werden: das Verhältnis der Partei zu sozialen Bewegungen, das Verhältnis der Partei zu den staatlichen Institutionen, ihr internes Funktionieren, u.v.m. Es würde lügen, wer behauptete, die Antworten schon alle zu haben, in vieler Hinsicht betreten wir Neuland. Neue Formen, neue Erfahrungen müssen zugelassen werden, wir müssen experimentieren und das Recht verteidigen, dabei Fehler zu machen.
Wer davor Angst hat und sich dem Experimentieren verschließt, wird scheitern. Das ist gewiss. Denn das Ausmaß an gesellschaftlicher Umwälzung, die die neoliberalen "Reformen" bewirken, lässt sich mit dem Repertoire einer fordistisch geprägten Arbeiterbewegung nicht mehr bewältigen. Da kann man ganz gelassen sein. Die neue Partei, die wir brauchen, wird nicht in einem Handstreich erschaffen werden. Da wird es viele kleine und größere Zwischenschritte geben müssen. Es ist gar nicht so wenig, was die Linke bislang in der WASG erreicht hat. Gar manche in der WASG und in der LPDS trösten sich damit, im September werde der Berliner Spuk vorbei sein, dann werden endlich "normale Verhältnisse" einkehren. Ich bin mir da gar nicht so sicher.

Angela Klein



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