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Im Mai starteten zwei Spielfilme aus Afrika in den deutschen Kinos: Moolaadé und
Tsotsi. Die beiden Filme sind sehr unterschiedlich, stehen aber beide dafür, dass das afrikanische Kino auch in
Deutschland auf zunehmendes Interesse stößt.
Tsotsi spielt im Township Soweto bei Johannesburg. War
Soweto noch in den 70er Jahren eine Hochburg des Widerstands gegen die Apartheid, so gilt es in der Post-Apartheid-
Gesellschaft als Hochburg der Kriminalität. "Tsotsi" bedeutet dementsprechend "Gangster". Die im
Film gesprochene Sprache wird Tsotsi-Taal genannt, ein Gemisch der verschiedenen in Südafrika gesprochenen
afrikanischen Sprachen wie Zulu und Xhosa mit Englisch und Afrikaans. Deswegen lohnt es sich durchaus, den Film im
Original (mit Untertiteln) zu schauen.
Erzählt wird die Geschichte eines jugendlichen
Gangsters, der auch nur so nämlich Tsotsi genannt wird. Der Film beginnt damit, dass Tsotsi und seine
Kumpane in der U-Bahn einen Mann erstechen, nur um an sein Geld zu kommen. Es werden also brutale, gewissenlose Gangster
vorgeführt, die auch für eine kleine Beute zum Äußersten bereit sind. Als Tsotsi ein Auto stiehlt,
findet er auf dem Rücksitz einen Säugling. Er kümmert sich um das Kind und entsagt so nach und nach seinem
Gangsterleben. Das hört sich ziemlich kitschig an, ist es aber nur zum Teil.
Die Schilderung des Milieus in den Townships ist
authentisch. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass die Romanvorlage Anfang der 60er Jahre spielt.
Regisseur Hood hat das Ganze in die Gegenwart verlegt, was ohne weiteres möglich war. Denn die Apartheid ist zwar
aufgehoben, die sozialen Probleme aber sind geblieben. Denn obwohl die Wandlung von Tsotsi vom kriminellen Saulus zum
kinderlieben Paulus etwas zu glatt geht, vermittelt der Film realistische Bilder vom heutigen Südafrika. Landeskunde
eingebettet in einen spannenden Unterhaltungsfilm, der großartig fotografiert ist und einen hervorragenden
Hauptdarsteller hat. Was will man mehr?
Moolaadé ist etwas schwerere Kost. Sein Thema ist
auch ein brennendes soziales Problem: Die "Beschneidung" oder besser Verstümmelung von Mädchen und
Frauen, die in weiten Teilen Afrikas bis heute üblich ist. Ousmane Sembene, der Altmeister des afrikanischen Kinos,
hat sich in seinem neuesten Film dieses Themas angenommen. In einem Dorf in Mali haben sich vier Mädchen vor ihrer
Beschneidung in das Haus einer Frau geflüchtet, die sich geweigert hat, ihre eigene Tochter beschneiden zu lassen.
Sie gewährt ihnen Asyl, indem sie eine Moolaadé um das Haus legt, eine Art Bann, der die Frauen, die mit der
Beschneidung der Mädchen beauftragt sind, vom Betreten des Hauses abhält. Der Vorgang ist natürlich bald
Dorfgespräch und wird von den Honoratioren als Angriff auf die Tradition und vermeintliche Missachtung des Islam
ausgelegt. Die Frau wird zur Herausgabe der Kinder aufgefordert, weigert sich aber. Das Dorf ist gespalten, es kommt zu
Auseinandersetzungen, bei der zwei Menschen sterben. Das Ende ist offen, aber die alleinige Herrschaft der Tradition um
der Tradition willen ist stark in Frage gestellt.
Der Film kommt manchmal sehr pädagogisch daher. So
sagt eine Frau, als die Dorfältesten die Vernichtung aller Radios im Dorf anordnen: "Sie wollen unseren
Verstand einsperren." Der Regisseur weist den Massenmedien eine Aufklärungsfunktion zu, die sie wohl nur schwer
erfüllen können. Auch das letzte Bild des Films weist in diese Richtung. Zuerst sieht man die Spitze der
Moschee, dann eine Fernsehantenne. So wird die Ablösung des Alten durch das Neue dargestellt, obwohl die
Beschneidungen vorislamischen Ursprungs sind und über das Fernsehen auch reaktionäre Propaganda verbreitet
werden kann. Aber für Sembene sind die Medien ein Mittel der Befreiung und manchmal hat man den Eindruck, einige
Frauen und wenige Männer im Dorf rebellieren, weil sie Radio hören. Trotz dieser Vereinfachungen ist der Film
sehenswert als afrikanischer Blick auf ein auch in Europa heiß diskutiertes Thema.
Andreas Bodden
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