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Seit den Parlamentswahlen vom 9. und 10.April wird Italien von einem Mitte-
Links-Bündnis unter der Führung Romano Prodis regiert, dem auch Rifondazione Comunista
angehört. Unter dem gemeinsamen Dach leben jetzt Seelen, die nicht zueinander passen.
Das Mitte-Links-Bündnis namens Unione fußt auf einem politischen Abkommen, das die Grundlage
für das Regierungsprogramm abgibt. Seine Hauptorientierung ist wirtschaftsliberal zu nennen
Rifondazione konnte nur an wenigen Stellen mäßigend wirken, die Gesamtrichtung aber nicht
umkehren. Die sozialliberalen und bürgerlichen Kräfte (Linksdemokraten und Margerite) geben in
der Koalition den Ton an.
Das Regierungsprogramm unterstützt den
Stabilitätspakt und die Strategie von Lissabon seine europapolitische Dimension steht in
Kontinuität zu den Grundzügen der Politik, die die Kommission Prodi von 1999 bis 2004 vertreten
hat. Ausdrücklich sind weitere Maßnahmen zur Privatisierung und Deregulierung der Wirtschaft
vorgesehen. Die schlimmsten Gesetze der Regierung Berlusconi Aushebelung des
Kündigungsschutzes, Schulreform u.ä. werden nicht zurückgenommen weder auf
diesem noch auf anderen Gebieten.
Prodi hat angekündigt, die
Lohnnebenkosten weiter senken zu wollen. Der Druck in diese Richtung wird dadurch verschärft, dass die
Regierung Berlusconi ihrer Nachfolgerin eine hohe Schuldenlast hinterlassen hat. 2005 betrug das
Haushaltsdefizit 4,3% (3% sind zulässig nach dem Stabilitätspakt), in 2006 sollte es auf 3,5%
zurückgefahren werden. In einem Kommentar zu dem Haushalt 2006, der noch von der
Vorgängerregierung vorgelegt wurde, mahnte die EU-Kommission Mitte Juni jedoch an, mit dem vorgelegten
Haushalt werde das Ziel nicht erreicht werden können das Defizit werde erneut auf 4,1% steigen,
das entspricht einem zusätzlichen Haushaltsloch von 10 Milliarden Euro.
Jeder Prozentpunkt Defizit wiegt 13
Milliarden Euro. Der neue Finanzminister, Paolo Schioppa, hat deshalb einen Nachtragshaushalt
angekündigt, der den Hebel zur Haushaltssanierung vor allem bei den öffentlichen
Gesundheitsausgaben ansetzen will. Ganz wie bei Hans Eichel bilden Sparpolitik und Einhaltung der
Maastricht-Kriterien die obersten Leitlinien der Wirtschaftspolitik der neuen Regierung.
In der Außenpolitik fordert sie
nach Absprache mit der irakischen Regierung den Rückzug der italienischen Truppen aus dem Irak
besser gesagt: die Ersetzung der militärischen durch eine zivile Mission. Sie spricht sich
zugleich deutlich für das atlantische Bündnis mit den USA aus und für den Aufbau einer EU-
Armee als Gegengewicht zur militärischen Kraft Washingtons. Um die Zuverlässigkeit Italiens als
außenpolitischer Bündnispartner zu unterstreichen, hat Außenminister DAlema
vorgeschlagen, den Rückzug aus dem Irak durch ein verstärktes militärisches Engagement in
Afghanistan zu kompensieren.
Nachdem der italienische Bankensektor seit
den 90er Jahren tiefgehend umstrukturiert und für ausländisches Kapital geöffnet worden ist,
soll dasselbe nun auch mit dem Industriesektor geschehen, um ihn international konkurrenzfähig zu
machen. Der Unternehmerverband Confindustria fordert mehr Hilfen für die Unternehmen, eine noch
stärkere Senkung der Lohnkosten, noch mehr Flexibilität in den Betrieben, mehr Konkurrenz. Die
Regierung unterstützt diese Forderungen und will die Gewerkschaften über eine Art
"Bündnis für Arbeit" in diesen Prozess einbinden. Dafür stellt sie in Aussicht,
Gewinne, die nicht investiert werden, stärker zu besteuern. Sie unterstützt auch die
Bolkesteinrichtlinie.
Dass Rifondazione ein so eindeutig wirtschaftsliberales Programm unterschreibt, ist Ausdruck einer
politischen Kehrtwende. Die Jahre, in denen die Parteiführung den Schulterschluss mit den sozialen
Bewegungen gesucht hat, sind vorbei, nun sucht sie das Bündnis mit der europäisch gesinnten
Fraktion des italienischen Unternehmertums. Allerdings geht dieser Prozess unter vielen Windungen und
Verrenkungen vor sich und sein Ausgang ist durchaus offen. Denn Rifondazione steht auch massiv unter
Beschuss von seiten der Rechten (Parteien, italienische Bischofskonferenz, Confindustria) wie auch
innerhalb der Unione selbst.
Die bürgerliche Mehrheit in der Unione
hat Rifondazione scharf wegen ihrer Unterstützung für die Bewegung gegen den
Hochgeschwindigkeitszug durch das piemontesische Tal Val di Susa, aber auch der Friedens- und der
globalisierungskritischen Bewegung angegriffen. Äußerungen führender Vertreter der Unione
zur Homoehe und zur Abtreibung haben noch vor der Wahl fast die gesamte Homosexuellenbewegung und die
Frauenbewegung gegen sie aufgebracht. Die Organisation Arcilesbica hat deshalb einen Wahlaufruf für
die Unione abgelehnt. In dieselbe Schublade gehört, dass Rifondazione auf Druck der bürgerlichen
Bündnispartner Marco Ferrando von der Kandidatenliste gestrichen hat (er gehört zur Strömung
Progetto Comunista in Rifondazione).
Nach den Wahlen konzentriert sich das
Sperrfeuer der Medien vor allem gegen herausragende Vertreter von Rifondazione wie Fausto Bertinotti
(Parlamentspräsident) oder Gennaro Migliore (Fraktionschef von Rifondazione in der Kammer). Stein des
Anstoßes: die Teilnahme an einer Friedensdemo am 2.Juni, die Ablehnung von Sondergefängnissen
für Flüchtlinge usw. Hier ist eine regelrechte Hetzkampagne im Gang, die sich nicht allein gegen
Rifondazione richtet, sondern auch gegen soziale Bewegungen, vorrangig gegen die Gewerkschaft CGIL (siehe
Kommentar auf dieser Seite).
Mit der Regierungsbeteiligung von Rifondazione eröffnet sich für die antikapitalistische Linke
in Italien eine neue Phase. Anders als Bertinotti selbst noch zu Beginn der Verhandlungen um ein
Wahlbündnis gefordert hatte, ist mit dem Wechsel zur Regierung Prodi nicht auch ein Politikwechsel
verbunden sie bleibt im Rahmen des neoliberalen Grundkonsenses, den sie nur anders ausgestaltet. Die
wesentliche Aufgabe, die sich einer linken Partei heute stellt, wird in einem solchen Rahmen verfehlt:
nämlich die Wiederbelebung und Stärkung der Rolle der lohnabhängigen Klasse (im breiten
Wortsinn) als eigenständiger und unabhängiger Akteur einer gesellschaftlichen Alternative
auf dem Weg einer umfassenden Demokratisierung der Gesellschaft und der Politik. Diese Aufgabe kann nicht
in Gemeinschaft mit denen gelöst werden, die durch eine neoliberale Politik alles dafür tun, eben
dieses Subjekt zu zerstören.
Die linken Strömungen innerhalb von
Rifondazione fordern deshalb weiterhin, dass die Partei aus der Regierung austritt und sie dort, wo es
möglich ist, von außen unterstützt. Eine von ihnen, Sinistra Critica, schreibt in einem
Antrag an den Parteivorstand von Rifondazione vom 22.April dieses Jahres (er erhielt 13 Stimmen): "Wir
denken, dass die Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung der PRC heute nicht gegeben sind, weder
inhaltlich noch vom Charakter der Regierungskoalition her."
Die Strömung fordert als erste
Maßnahmen einer neuen Regierung den sofortigen Truppenabzug aus dem Irak und aus Afghanistan und die
Aufhebung verschiedener Berlusconi-Gesetze: namentlich das zum Kündigungsschutz, zur Schulreform, zur
Ausländerpolitik, die Ablehnung weiterer Privatisierungen und Deregulierungen und eine Anhebung der
Löhne. Sinistra critica fordert eine Autonomie der Partei gegenüber der Regierung und eine
Hinwendung zum gesellschaftlichen Widerstand, den es aus einer Position gestärkter parlamentarischer
Präsenz heraus zu unterstützen gilt.
Sinistra Critica hat begonnen, ein eigenes
"Programmatisches Manifest für eine antikapitalistische Linke" auszuarbeiten. Sein Ziel ist
der Kampf um die Partei. Es wurde Mitte Mai auf einer nationalen Konferenz der Linken in Rifondazione
diskutiert. Sie fordert auch eine Parteireform, in deren Mittelpunkt eine kollektive Parteiführung
sowie die Trennung von Amt und Mandat stehen soll.
Salvatore Cannavò
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