SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2006, Seite 04

Nahostkrieg

Gegen die Kriegstreiber im eigenen Land: Dialog und Widerstand

von ANGELA KLEIN

Die Tabuisierung der Rolle Israels als eine aggressive und expansionistische Macht im Nahen Osten bildet in Deutschland das Einfallstor für die Einbindung in den "Krieg gegen den Terror".Diese Tabuisierung, vorgeblich vorgenommen als Lehre aus dem Holocaust, charakterisierte lange Jahre die Position des deutschen Bürgertums, das dahinter seine Verantwortung für den Judenmord versteckte. Nach dem Fall der Mauer wurde sie von den sog. "Antideutschen" aufgegriffen. Solche Positionen bemächtigen sich nunmehr vom Rand her auch der LPDS und drohen deren Fähigkeit, Antikriegspartei zu sein, in Frage zu stellen.
Wir erfahren, dass Mitglieder der LPDS Sachsen in einem Offenen Brief an die Mitglieder der Linksfraktion im Bundestag Anstoß nehmen an Äußerungen von Norman Paech und Wolfgang Gehrcke und fordern, den "wichtigen Reflexionsprozess der letzten Jahre" nachzuvollziehen, als da sind: "grundsätzliche (!) Solidarisierung mit Israel" "und Entsolidarisierung mit religiösen, fundamentalistischen (Volks-)Befreiungsbewegungen" — womit vorwiegend Hamas und Hizbollah gemeint sind, die "keine demokratischen Organisationen, sondern faschistische Strukturen" seien.
Wir erfahren von Oskar Lafontaine in seiner Antwort auf den Offenen Brief, "dass die Linke in diesem Konflikt nicht parteiisch sein darf" — was wohl nichts anderes heißen kann, als dass sie der realen, von Israel ausgehenden Aggression nicht entgegen treten soll. Wir erfahren, dass der Berliner Senat Hizbollah-Anhängern verbietet, auf Demonstrationen ihre Parteifahne zu zeigen, dies sei Volksverhetzung.
Erfolgreich sickert das Gift, das der 11.9. versprüht hat, in die Hirne. Zwar lehnen immer noch 59% der Menschen hierzulande eine deutsche Beteiligung an der geplanten UNO-Truppe ab, aber gewisse Kreise scheinen daran zu arbeiten, dass in Deutschland die Zeit der Schonung vor Anschlägen vorbei ist. Kein Instrument taugt besser zur Vernebelung der Hirne und politischen Manipulation als das Schüren von Angst. Und keine Regierung weiss das heute so gut und setzt dieses Instrument so gezielt ein wie die israelische. Deren Erfolgsrezept beruht fast ausschließlich darauf, dass sie die Mehrheit der Bevölkerung in Angst und Schrecken vor einem äußeren Feind hält. Nichts Schlimmeres kann ihr passieren, als dass ihr dieser abhanden kommt. Deshalb ignoriert sie Angebote wie die jüngste "nationale Plattform" Palästinas, die alle politischen Kräfte in der Akzeptanz einer Zwei-Staaten-Lösung und dem Verzicht auf gewaltsamen Widerstand vereint — und beantwortet sie mit Bomben.
Die Kritik, die an die israelische Politik zu richten ist, betrifft kein Detail. Sie richtet sich fundamental dagegen, dass diese Gesellschaft in einem permanenten Zustand der Furcht, des Expansionsdrangs und der Vorwärtsverteidigung gehalten wird, damit ihre Lebenslüge nicht auffliegt: Einen Frieden mit den Arabern könne es nie geben.
Wir wissen in Deutschland, wie es ist, wenn eine Gesellschaft sich in einen Wahn hineinsteigert. Mit Vernunft ist dem nicht beizukommen — doch braucht es den Appell an die Vernünftigen. Und das ist nicht die Regierung, sondern es sind die kleinen Friedensgruppen und NGOs, die sich seit Jahr und Tag für den israelisch-arabischen Dialog einsetzen.
Gute Worte allein tun‘s allerdings auch nicht. Damit die Gesellschaft aufwacht, brauchen solche Regime Niederlagen. Das militärische Scheitern des zweiten Libanonkriegs kann nur heilsam sein. Unter einer Voraussetzung: Dass sich die Stärke des (auch militärischen) Widerstands auf arabischer Seite mit einem politischen Angebot für Frieden und Zusammenarbeit verbindet — z.B. eine Nahostgemeinschaft mit sicheren Grenzen, Abrüstung und Repatriierung.
Das Hauptproblem der heute antiimperialistisch gesinnten arabischen Kräfte ist, dass sie ein solches Angebot nicht entwickeln, sondern in ihrer Rhetorik eher denen recht geben, die eine Vernichtung der nationalen Existenz der Israelis befürchten. Das schadet ihnen und erschwert die Solidarisierung. Hier ist ein sehr kritischer Dialog mit Hizbollah und Hamas angebracht. Die Linie, die sich in den jüngsten Friedensdemonstrationen herausgebildet hat, ist richtig: Keine Transparente und Losungen, die Israel in die Nähe des Nationalsozialismus rücken, aber Verteidigung des Rechts von Hizbollah und Hamas, mit ihren Fahnen an den Demonstrationen teilzunehmen, wie jüdische Gruppen es auch mit der Israelfahne tun.

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