SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2006, Seite 4

Antikommunismus

als Staatsdoktrin

von THIES GLEISS

Es jährt sich dieser Tage, am 17.August, zum 50.Mal das Verbotsurteil des Bundesverfassungsgerichts gegen die KPD. Zwölf Jahre war die KPD vom faschistischen Hitlerregime verboten, um dann nach der von den Besatzungsmächten erlaubten Wiedergründung, sofort den Angriffen der Adenauer-Regierung ausgesetzt zu sein. Dem kapitalistischen deutschen Staat wurde der Antikommunismus von Anbeginn an als Staatsdoktrin in die Wiege gelegt. Im Parlamentarischen Rat, in mehreren Landtagen und im ersten Bundestag war die KPD noch vertreten, sie erhielt 1949 knapp 1,4 Millionen Stimmen. Bereits 1951 wurde die Jugendorganisation FDJ verboten und die Bundesregierung stellte Ende des Jahres den Verbotsantrag gegen die Mutterpartei.
Der organisierte Kommunismus war trotz der geringen Stärke ein Störenfried bei der Westintegration, der Ablehnung eines entmilitarisierten vereinten Deutschlands und der zielstrebig verfolgten Wiederbewaffnung. Fünf Jahre lang dauerte das Verfahren vor dem Verfassungsgericht und drohte mehrfach an "Beweismangel" zu scheitern. Erst unmittelbarer Druck der Exekutive, der Adenauer-Regierung, auf das Gericht führte dann im August 1956 zur Verbotsentscheidung. Die nach eigenen Angaben 85000 Mitglieder der KPD wurden in die Illegalität getrieben oder suchten in der DDR Unterschlupf. Das Vermögen wurde beschlagnahmt und etwas 200000 Ermittlungsverfahren wegen diverser Gesinnungsdelikte im Zusammenhang mit dem KPD-Verbot wurden durchgeführt. Wie immer bei Gesinnungsjustiz waren allein diese Verfahren schon Ausgrenzung und Zukunftszerstörung für die Betroffenen genug, und für ungefähr 10000 Verurteilte gab es Gefängnis- und sonstige Strafen, Entzug der Bürgerrechte, Berufsverbote und andere Schikanen.
Die Welle der antikommunistischen Repression traf bei weitem mehr als die wirkliche Umgebung der KPD. Diese hatte leider selbst schon alles dafür getan, dass ihr Einfluss rasant zurückging. Ihre Unterordnung unter die sowjetische und die Ostberliner stalinistische Partei und gleichzeitige sektiererische Gewerkschaftspolitik, ihr Konzept des Bündnisses mit der angeblich antifaschistischen Bourgeoisie und ihre mehr erzwungene als demokratisch organisierte Vereinigung mit der SPD zur SED in den Ostländern hatte die Attraktivität der KPD trotz aller Opfer, die sie im Kampf gegen den Faschismus erleiden musste, stark gemindert.
Bei den Bundestagswahlen 1953 schaffte sie schon nicht mehr den Einzug in das Parlament und flog auch aus den meisten Landtagen heraus. Die Enthüllung der stalinistischen Verbrechen durch die Regierung der Sowjetunion selbst, nach dem 20.Parteitag vom Februar 1956, die brutale Repression gegen die Arbeiteraufstände vom 17.Juni 1953 in der DDR und 1956 in Polen und Ungarn führten in Deutschland fast zu einer Existenzkrise der KPD. So regte sich auch nur wenig öffentlicher Protest gegen das Verbot. Das Verbot richtete sich deshalb sicher nicht gegen einen ernsthaften Feind der deutschen Bourgeoisie und ihrer Regierung. Es war als präventiver Schlag gegen die gesamte radikaldemokratische und sozialistische Opposition gegen den Wiederaufbau eines militärisch hochgerüsteten und fest in den imperialistischen Westblock eingebundenen Deutschlands angelegt. Und es verfehlte diese Wirkung nicht.
Das KPD-Verbot besteht noch heute und verschafft der BRD den zweifelhaften Titel, als einziger der bürgerlich-demokratischen kapitalistischen Staaten der Welt sich solch ein Mittel der Gesinnungsjustiz zu halten. Nicht eines der Opfer der Verfolgungen wurde rehabilitiert oder entschädigt. Ein zaghafter Versuch der FDP von 1957 wenigstens einige zu amnestieren wurde vom Bundestag abgelehnt. Auch heute kann mit diesem Verbotsgesetz jede linke Opposition bedroht und kriminalisiert werden.
Das KPD-Verbot war der erste Baustein einer gradlinig ausgebauten Kette von Gesetzen und Erlassen zur Verfolgung oppositioneller Gesinnung: über die Notstandsgesetze, die Berufsverbote von 1972 bis zu den fürchterlichen "Otto (Schily)- Katalogen" im Zuge der Antiterrorismusgesetzgebung und dem Ausbau der Überwachungseinrichtungen von heute.
Selten war ein 50.Jahrestag so aktuell und Widerstandsverpflichtung für die Linke von heute.

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