SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2006, Seite 07

Chronische Nebenwirkungen?

Gesundheitsreform absetzen!

von TOBIAS MICHEL

Wir erinnern uns: "Lösungen, die wirken, werden immer auch wehtun." So ungeniert bilanzierte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt vor zwei Jahren die frisch eingeführte Praxisgebühr, die Zuzahlungen und den Bruch der paritätischen Finanzierungen unserer Kassenbeiträge. Das tut weh. Und es wirkt. Ausgerechnet Patienten mit schlechtem Gesundheitszustand gehen seit Einführung der Praxisgebühr seltener zum Arzt. Suchten sie 2003 noch durchschnittlich 23 mal ihren Arzt auf, verzichteten sie 2005 auf fast ein Drittel dieser Besuche (16). Auch die Zahl der Rezepte und der verordneten Arzneimittel sank um etwa ein Viertel. Die Reform geht den Kranken und Armen schmerzhaft unter die Haut.
"Krankenkassenbeiträge sinken, die Gesundheitsreform wirkt" — die Wahlanzeige der rot-grünen Bundesregierung im vergangenen Sommer lieferte zugleich die Diagnose für Schröder und Schmidt: Sie halluzinierten offensichtlich. Denn die Beiträge der meisten Kassen sind immer noch meilenweit von den vollmundig angekündigten "13%" entfernt. Und viele von uns zahlen zähneknirschend bar, was aus unserer versicherten Gesundheitsversorgung herausgestrichen wurde.
"Wir wollen die Taschen der Versicherten nicht allzu sehr belasten" — sagte Ulla Schmidt dieser Tage. Es soll also noch schlimmer kommen, wenn die Schwarz-Roten ihre Pläne schrittweise offen legen. Und mittlerweile hellhörig geworden schrecken wir auf, wenn wir von ihr hören: Der "Faktor Arbeit" soll entlastet werden.
Das Gegenteil ist gemeint: Nicht wir, sondern die Arbeitgeber werden in ihrem Fondsmodell entlastet. Sie brauchen weniger zu zahlen für unsere Arbeit. Die so aufgerissenen Finanzlücken sollen die schließen, die nach den Steuerreformen noch Steuern zahlen — also vor allem die Beschäftigten und die Verbraucher.
Alle gesetzlichen Krankenkassen erhalten für die bei ihr versicherten denselben Betrag pro Kopf. Da werden unsere Gesundheit gedeckelt und versicherte Leistungen gestrichen. Am Jahresende müssen bald jene Kassen, die nicht gewissenlos genug bei unserer Gesundheit geknausert haben, uns privat abkassieren. Selber schuld, wer noch nicht in die virtuelle Billigheimerkasse geflüchtet ist?
Die Vernichtungskonkurrenz unter den Krankenkassen und Kliniken, den Zahnlaboren und Pflegediensten hat eines nicht erreicht: Qualität zu sinkenden Preisen. Wir können lange warten, bis Frau Schmidt merkt: Medizin, die vor allem schadet, sollten wir absetzen! Die Verursacher sollen zahlen! Eine Kasse für alle! Eine Kasse für alles geeignete! Versicherung und Versorgung aus einer Hand!

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