SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2006, Seite 12

Reisebericht

Krieg ist keine Naturkatastrophe

"Sagt der Welt, dass sie den Krieg stoppen soll!", war die immer wieder vorgetragene Forderung an eine 30-köpfige Delegation des Europäischen Sozialforums, die vom 28.Juli bis 4.August relativ spontan den Libanon bereiste.
Ihr Ziel war es, die Auswirkungen der Bombardements auf die Bevölkerung von Beirut zu erforschen und sie der Solidarität jener Bewegungen zu versichern, die in den letzten Wochen weltweit zu Demonstrationen gegen den Krieg im Libanon aufgerufen hatten.
In einer vom libanesischen Fernsehen übertragenen Rede des libanesischen Staatspräsidenten Amil Lahoud vor den Vertretern der Antikriegsnetzwerke, bekräftigte Lahoud den mit der Hizbollah ausgehandelten 7-Punkte-Plan der libanesischen Regierung. Dieser sieht u.a. eine sofortige, bedingungslose Einstellung der Kampfhandlungen und den Rückzug der israelischen Truppen auf die von den Vereinten Nationen festgesetzte sog."blaue Linie" vor.
Wie dringend die Umsetzung dieser Forderungen ist, zeigte auch ein Besuch der zerbombten Straßenzüge Südbeiruts. Besonders eindrucksvoll war ein fünfstöckiges Spital des Armenviertels, das wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen war. Nur einige Teddybären und ein Schaukelpferd erinnerte in der Geisterstadt daran, dass es hier einmal menschliches Leben gegeben hatte. "Es waren Vakuumbomben, die innerhalb von Sekunden ganze Gebäude zum Einsturz bringen konnten", erklärte der ehemalige Direktor des Spitals und konnte es sich nicht verkneifen, hinzuzufügen: "Ist das die Demokratie, die die USA und Israel im Neuen Mittleren Osten einführen wollen?"
Eines der Delegationsmitglieder, der südafrikanische Dichterphilosoph und ehemalige Zellengenosse Nelson Mandelas, Dennis Brutus, erinnerte sich an den Plan der National Security Survey, eines von Paul Wolfowitz und Donald Rumsfield geleiteten US- Forschungsinstituts, demzufolge die Kontrolle Israels über die Gesamtregion des Nahen und Mittleren Ostens durch einen Angriff auf den Libanon eingeleitet werden sollte. Präsident Clinton hatte damals diesen Plan verworfen.
Auch der Einsatz von Clusterbomben und wiederholte Angriffe auf Ambulanzen im Südlibanon wurden von den Krankenpflegern des Hariri-Spitals in Beirut bestätigt. Besonders eindringlich war in diesem Zusammenhang auch der Appell des Generaldirektors des Spitals, Doktor Warzan: "Wir brauchen natürlich Medikamente und Verbandszeug, ganz besonders im Süden des Landes. Aber was wir vor allem brauchen ist, dass ihr die israelischen Verbrecher dazu bringt, diesen Wahnsinn zu stoppen. Dieser Krieg ist doch keine Naturkatastrophe!"
Besonders spannungsgeladen war der Besuch bei Patrick Renot, dem Delegationschef der Europäischen Kommission im Libanon. Er sprach von einer "Roadmap towards Sovereignty", einem Plan zur Souveränität des Libanon, den die EU nach dem Vorbild von Timor derzeit mit allen am Konflikt Beteiligten abstimmen würde und erntete damit einen Sturm der Entrüstung bei den Kriegsgegnern. Nahla Chahal, eine gebürtige Libanesin von der International Civilian Campaign for the Protection of the Palestinian People (CIPPP) in Paris: "Die vom Tode bedrohten libanesischen Kinder können doch nicht warten, bis ihr einen solchen Plan ausgehandelt habt."

Leo Gabriel

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04


zum Anfang