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Das große Schweigen der radikalen Linken in Deutschland zum Libanonkrieg
beweist vor allem eines, nämlich dass sie nicht in der Lage ist, revolutionäre Positionen zu
imperialistischen Kriegen im Nahen Osten zu finden.
Schon während des Afghanistankriegs
bewegten sich die Debatten zwischen den Schlagworten "völkerrechtswidriger Angriffskrieg"
und "Frauenrechte in Afghanistan". Während des Irakkriegs verdeckten die großen
Mobilisierungen gegen den Krieg die inhaltlichen Mängel in der Kritik an dem US-geführten Krieg.
Besonders erschreckend war damals der sozialdemokratische Chauvinismus vom angeblich besseren "Alten
Europa".
In den Auseinandersetzungen über den
Libanonkrieg spiegelte sich das alte Antiimperialismus-gegen-Antideutsche-Schema wider. Die
"antiimperialistische" Seite der Linken betonte die Völkerrechtswidrigkeit des israelischen
Krieges und die Bombardierung der Infrastruktur und der Zivilbevölkerung im Libanon. Auf dieser Seite
wurde die Hizbollah überwiegend als "nationale Befreiungsbewegung" gedeutet. Eine kritische
Auseinandersetzung mit der Hizbollah wurde entweder mit der Konstruktion einer nicht vorhandenen
"Volksfront" abgelehnt oder als Propaganda für die imperialistische Seite verworfen.
Die "Antideutschen" und ihnen
nahe stehenden Gruppierungen sahen dem gegenüber durch die Raketenangriffe der Hizbollah auf
israelische Städte und die Opfer in der israelischen Zivilbevölkerung die Existenz des Staates
Israel gefährdet. So kam es häufiger zu Solidaritätskundgebungen für Israel auf denen
neben "Antideutschen" und CDUlern auch Gewerkschaftfunktionäre und "radikale
Linke" teilnahmen. Die hier erhobenen Forderungen reichten von der Verurteilung der Hizbollah bis hin
zur "uneingeschränkten Solidarität mit Israel, sowie ihrer Kriegsführung".
Somit war der Diskurs innerhalb der
radikalen Linken von zwei falschen Polen dominiert. Beide bewegten sich im Rahmen der Propaganda der
kriegführenden Parteien: viele "Antiimperialisten" übernahmen Nasrallahs Behauptung, er
verteidige den Libanon, die "Antideutschen" hingegen die Behauptung der israelischen Regierung,
in diesem Krieg gehe es um reine Selbstverteidigung.
Die "Antideutschen" reduzieren
die Geschichte Israels und seine Außenpolitik auf die Shoa. Mit der Shoa allein, die vom deutschen
nationalsozialistischen Regime verübt wurde, kann die Gründung des Staates Israel und seine
Geschichte jedoch nicht analysiert werden. Ohne die Interessen des US-Imperialismus am Nahen Osten und sein
Öl hätte es keinen Staat Israel gegeben. Dass der israelische Staat ohne die Unterstützung
der USA nicht existieren kann, erkannte die israelische Zeitung Haaretz schon 1951:
"Die feudalen Regime des Nahen Ostens
mussten den nationalistischen Bewegungen solche Zugeständnisse machen ... dass sie immer weniger
willens sind, Großbritannien und den Vereinigten Staaten ihre natürlichen Ressourcen und
Militärbasen zur Verfügung zu stellen ... Die Stärkung Israels hilft den Westmächten
bei der Aufrechterhaltung des politischen Gleichgewichts ... im Nahen Osten. Israel muss der Wachhund
werden. Es braucht nicht befürchtet zu werden, dass Israel eine aggressive Politik gegen die
arabischen Staaten ins Werk setzen wird, wenn dies ausdrücklich den Wünschen der USA und
Großbritanniens widerspricht. Aber wenn es die Westmächte einmal aus dem einen oder anderen
Grunde vorziehen sollten, ein Auge zuzudrücken, dann könnte man gewiss sein, dass Israel in der
Lage wäre, einen oder mehrere Nachbarstaaten zu bestrafen, sollte deren Unhöflichkeit
gegenüber dem Westen die Grenzen des Erlaubten überschreiten."
Der Kampf gegen Antisemitismus darf nicht
mit Solidarität mit einer für die USA Krieg führenden israelischen Regierung gleichgesetzt
werden. Eine semantische Verschiebung, in der jeder Widerstand gegen die Besatzung Palästinas (Grenzen
1967) oder kriegerische Akte gegen andere Länder zum "strukturellen Antisemitismus"
erklärt wird, erklärt nichts mehr und bietet auch keine Perspektive, den Antisemitismus im Nahen
Osten und in der ganzen Welt zu überwinden.
Auf sog. antiimperialistischer Seite sieht
es nicht viel besser aus. Die Hizbollah, eine reaktionäre islamistische fundamentalistische Bewegung,
wurde zu einer "nationalen Befreiungsbewegung" verklärt. Dass die
"antiimperialistische" Seite schon seit langem dazu neigt, die islamistische Bewegungen zu einer
"antiimperialistischen" umzuschreiben, ist nicht neu. Die Tragödie der iranischen
"Revolution" von 1979 hätte eigentlich allen die Augen öffnen müssen. Wer mit
diesem Pack gemeinsame Sache macht, bringt nicht nur sein eigenes Hälschen auf die Schlachtbank
sondern auch das der Juden, Frauen, Schwulen & Lesben und alle Menschen, die nicht in das
reaktionäre islamistische Weltbild passen.
Manche Teile der "Antiimps" gehen
sogar noch weiter: "Natürlich werden nicht alle, die im Kampf gegen die Weltordnung stehen, dabei
von fortschrittlichen, revolutionären und antiimperialistischen Motiven geleitet. Dennoch bleibt ihre
Rolle in globaler Hinsicht fortschrittlich, solang sie sich dem Imperialismus und der herrschenden
Weltordnung widersetzen." (Auszug aus dem Antiimperialistischen Manifest, Antiimperialistische
Koordination.) Hier scheinen selbsternannte Kommunisten einiges vergessen zu haben: Die "Proletarier
haben kein Vaterland" und auch keine islamistischen Vorkämpfer, die sie in das Bettchen legen,
aus dem die Arbeiterklasse den Klassenkampf besser führen könnte. Eine politische Solidarisierung
auf Demonstrationen oder Veranstaltungen mit solchen fundamentalistischen Bewegungen muss für jeden
Revolutionär ein Tabu sein. Der Kampf gegen den Imperialismus muss ein weltweiter Kampf werden, in
Israel genauso wie in Gaza, und er wird nur dann die Kriege stoppen, wenn er das ganze kapitalistische
System überwindet.
Alexander Simon
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