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SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2006, Seite 14

Vorschläge für eine internationale Kampagne "Shrink or sink"

Gefährlich wie ein Atomreaktor

Der IWF muss entmachtet oder abgewickelt werden

Das folgende Dokument wurde kollektiv von Vertretern von Organisationen erarbeitet, die am Rande der Frühjahrstagung des IWF im April 2006 an der "Strategiesitzung" beim Institute for Policy Studies in Washington DC teilgenommen haben. Es versteht sich als Startschuss für eine globale Kampagne und sucht weitere Unterstützer.
Erstunterzeichner: Institute for Policy Studies, der Ausschuss für Gerechtigkeit der Heiligkreuzschwestern, Focus on the Global South, Jubilee South, 50 Jahre sind genug, Gender Action, Freundschaftsverband Nikaragua—USA, Netzwerk Afrikasolidarität sowie weitere Netzwerke aus Asien und Lateinamerika...

Der Internationale Währungsfonds (IWF) steckt derzeit in einer dreifachen Krise: eine Krise der Legitimität, eine Haushaltskrise und eine Krise seines Selbstverständnisses. Für die Kritiker des IWF ist dies Anlass, ihrer Forderung nach radikaler Schrumpfung und Entmachtung, wenn nicht gar Auflösung dieser Institution stärker Gehör zu verschaffen. Sie muss genutzt werden, sonst wird der IWF gerettet und gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Vor zehn Jahren war der IWF im Höhenflug und arrogant in seiner Selbstgewissheit, er wisse was für die sich entwickelnden Länder am Besten sei. Heute versteckt er sich in Washington DC in seinen vier Wänden, wird von allen Seiten belagert und ist unfähig, der wachsenden Zahl der Kritiken etwas entgegen zu halten.

Die Legitimationskrise

Sein Stern begann zu sinken, als Asien im Sommer und Herbst 1997 von der Finanzkrise erschüttert wurde, die die berüchtigten Tiger zu Fall brachten. Die Asienkrise war das "Stalingrad" des IWF, er konnte sich nie mehr davon erholen. So sagte Dennis de Tray, ein früherer Funktionär beim IWF, der zur Zeit der Krise für die Weltbank in Jakarta arbeitete: "Damals verlor der Fonds seine Glaubwürdigkeit und hat sie nie mehr zurückgewonnen."
Damals in der Krise traf den Fonds ein dreifacher Schlag. Er wurde verantwortlich gemacht für die Beseitigung der Kapitalverkehrskontrollen — ein Ratschlag, den viele ostasiatische Regierungen in den Jahren 1993—1997 befolgt hatten. Damit lockten sie Milliarden Dollar Spekulationskapital an; gleichzeitig sorgten diese Maßnahmen aber auch dafür, dass dem Kapitalabfluss im Paniksommer 1997 keine Schranken gesetzt werden konnten und über 100 Milliarden US-Dollar sich in wenigen Wochen aus Indonesien, den Philippinen, Thailand, Malaysia und Südkorea absetzten.
Der zweite Schlag war die verbreitete Wahrnehmung, dass das milliardenschwere Hilfspaket, das der IWF für die betroffenen Länder geschnürt hatte, nicht in den Wiederaufbau ihrer Wirtschaft floss, sondern in die Taschen ausländischer Gläubiger und Spekulanten. So verlor die Citibank, obwohl sie in Asien überaus exponiert war, keinen Cent in der Krise. Dieser Skandal verschärfte die Kritik am IWF, selbst seitens solcher Parteigänger des Freihandels wie George Shultz, der einmal Außenminister unter Richard Nixon war und der dem Fonds vorwarf, er begünstige "moralisches Glücksspiel" und sollte deshalb abgeschafft werden.
Der dritte Schlag gegen den Fonds waren die Folgewirkungen der Stabilisierungsprogramme, die er den notleidenden Ökonomien aufnötigte. Mit ihrer falschen Betonung auf der Kürzung der staatlichen Haushaltsausgaben, um die Inflation einzudämmen, beschleunigten diese Programme den Weg in die Rezession.
Das Debakel der Asienkrise führte zu einer anhaltenden Überprüfung der Strukturanpassungsprogramme, die der IWF zusammen mit der Weltbank seit 1980 über mehr als 90 Länder verhängt hatte: Entwicklungsländer ebenso wie Übergangsökonomien. Nur wenigen war es gelungen, das Wachstum, die Reduzierung der Ungleichheit und den Rückgang der Armut zuwege zu bringen, die ihnen mit Hilfe dieses Programms versprochen worden war. Dafür stieß die "Schocktherapie" des IWF in den 90er Jahren Millionen Menschen in Russland und in Osteuropa in die Armut. So bedrückend waren die Ergebnisse, dass die Strukturanpassungsprogramme umbenannt werden mussten: in Programme zur "Senkung der Armut und Förderung des Wachstums".
Dann, im Jahr 2002 — der Fonds suchte noch immer, sich von den Folgen der Asienkrise zu erholen — brach Argentinien zusammen und blieb 100 von 140 Milliarden US-Dollar Außenschulden schuldig. Mehr als jedes andere Land der Welt hatte es die neoliberale Rezepte des IWF bis zum letzten i- Tüpfelchen befolgt — einschließlich radikaler Deregulierung, radikaler Liberalisierung des Handels und der Finanzmärkte. Der Fonds war auch der energischste Unterstützer der argentinischen Notenbank, die eine Wechselkursparität zwischen US-Dollar und Peso durchsetzte. Als diese Politik 2001 und 2002 zusammenbrach, begrub sie auch die Glaubwürdigkeit des IWF unter sich, denn dieser hatte Milliarden Dollar in Stabilisierungskredite zur Unterstützung dieses Kurses gepumpt.
Die Nachwehen der Krise brachten noch größeren Schaden. Als Nestor Kirchner 2003 zum Staatspräsidenten Argentiniens gewählt wurde, erklärte er, seine Regierung werde privaten Gläubigern die Schulden zurückzahlen, aber nur zum Kurs von 25 Cent pro Dollar. Aufgebrachte Gläubiger bedrangen den IWF, er solle Kirchner in die Schranken weisen, aber davor schreckte der Fonds zurück, denn sein Ruf war ruiniert und sein Einfluss untergraben. Argentiniens Präsident erreichte somit eine radikale Abschreibung der argentinischen Staatsschuld an internationale private Finanziers.
Argentiniens nächster Schritt war — zusammen mit Brasilien — die Tilgung der gesamten Restschuld beim IWF — beide Länder konnten sich nunmehr von einer Institution unabhängig erklären, die in Lateinamerika zutiefst verhasst ist. Dies jedoch erschütterte das Image des IWF als unverzichtbarer "letzter Kreditgeber".

Die Haushaltskrise

Die Legimitätskrise hatte für den Fonds finanzielle Konsequenzen. Im Jahr 2003 erklärte die thailändische Regierung ihre Schulden beim IWF für fast gänzlich abbezahlt: sie werde bald finanziell unabhängig von ihm sein. Indonesien beendete 2003 den Kreditvertrag mit dem Fonds und hat vor kurzem die Absicht erklärt, seine mehrere Milliarden US-Dollar schwere Schuld innerhalb von zwei Jahren zurückzuzahlen. Mehrere andere große Kreditnehmer in Asien sind, eingedenk der verheerenden Folgen der IWF-Politik, davor zurückgeschreckt, den Fonds um neues Geld anzugehen. Darunter sind die Philippinen, Indien und China. Nun ist dieser Trend durch die Entscheidungen Brasiliens und Argentiniens noch verschärft worden — mit ihrer Entscheidung, alle Schulden zurückzuzahlen und ihre finanzielle Unabhängigkeit zu erklären, haben sie implizit deutlich gemacht, dass sie keine weiteren Kredite aufzunehmen wünschen.
Was faktisch ein Boykott seitens der größten Kreditnehmer ist, verwandelt sich für den IWF in eine Haushaltskrise. Denn in den letzten beiden Jahrzehnten hat sich der IWF zunehmend aus der Rückzahlung der Schulden der sich entwickelnden Länder finanziert und weniger aus den Beiträgen der reichen Länder des Nordens, die die Last des Unterhalts der Institution auf die Schuldner abgeladen hat. Das Fazit ist, dass die Zahlungen von Zins und Tilgung laut Haushaltsplan des IWF um über die Hälfte zurückgeht — von 3,19 Milliarden US-Dollar 2005 auf 1,39 Milliarden US-Dollar 2006; für 2009 rechnet er nur noch mit 635 Millionen Dollar.
Das schafft "eine gewaltige Haushaltsklemme", sagt Ngaire Woods, IWF-Spezialist an der Universtät Oxford dazu.

Die Rollenkrise

Die Rolle des IWF als Zuchtmeister verschuldeter Länder und Erzwinger von Strukturanpassungsprogrammen ist unterminiert; händeringend sucht er eine neue Rolle. Die G7 (die sieben größten westlichen Wirtschaftsmächte der Welt, einschließlich Japans) haben versucht, den IWF zum Dreh- und Angelpunkt einer "neuen globalen Finanzarchitektur" zu machen, indem er ihm die Verwaltung eines "Eventualkredits" zugesprochen wird, den Länder, die in Finanznot geraten sind, in Anspruch nehmen können, wenn sie die makroökonomischen Programme des IWF erfüllen. Sie haben diesen Plan jedoch fallengelassen, als ruchbar wurde, dass eine Regierung, die Zugang zu dieser Kreditlinie sucht, allein dadurch die Panik auslösen könnte, die sie zu vermeiden sucht.
Ein anderer Vorschlag war, dem IWF das "Schuldenrestrukturierungsverfahren" für souveräne Schuldner zu übertragen — eine internationale Version von Kapitel 11 des Konkursverfahrens, das Länder vor Gläubigern schützen würde, wenn sie einen Restrukturierungsplan vorlegen. Dagegen opponierten jedoch Länder des Südens, aber auch die USA, die befürchteten, die Handlungsfreiheit der US-Banken würde dadurch eingeschränkt.
Auf dem Frühjahrstreffen des IWF 2006 wurde der Fonds beauftragt, die Beziehungen zwischen Ländern mit großen makroökonomischen Ungleichgewichten — z.B. massiven Handelsüberschüssen oder -defiziten — zu überwachen, aber das Mandat blieb extrem vage. Bestenfalls spiegelte sich darin der verzweifelte Versuch der G7, für eine internationale Wirtschaftsbürokratie eine Aufgabe zu suchen, die überflüssig und belanglos geworden ist.

Wir müssen jetzt handeln

Jetzt, wo der IWF wegen seiner dreifachen Krise so verwundbar ist, ist der beste Augenblick, eine Kampagne zu seiner Entmachtung wenn nicht zu seiner Abwicklung zu starten.
Es gibt drei Faktoren, die für den Erfolg dieser Kampagne wirken könnten.
An erster Stelle steht die Tatsache, dass die Großkunden des IWF unter den sich entwickelnden Ländern die Nase voll haben und sich von ihm lösen wollen.
Zweitens ist die US-Elite mehr denn je über den Fonds gespalten — ein bedeutender Teil der Konservativen will ihn schließen. Das letzte Mal, als der Fonds den US- Kongress 1998 um die Wiederauffüllung seiner Geldmittel anging, konnte der Antrag nur mit Ach und Krach durchgebracht werden. Es ist zweifelhaft, ob er heute passieren würde.
Drittens gibt es Differenzen zwischen den USA und wichtigen EU-Ländern über ihre Politik gegenüber dem IWF. Wichtige EU-Regierungen z.B. wollen den IWF dazu einsetzen, Argentinien zu zwingen, dass es die größten europäischen Wertpapierinhaber auszahlt. Die Bush-Regierung zeigte sich diesem Ansinnen gegenüber reserviert, aus Angst europäische Spekulanten könnten mit IWF-Mitteln zum Ausstieg ermuntert werden. Die europäischen Regierungen haben positiv auf das "Schuldenrestrukturierungsverfahren" reagiert, die USA torpedieren es.
Kurzum, die drei Säulen, auf denen der IWF über 60 Jahre fest stand — der Glaube der sich entwickelnden Länder in seine Unverzichtbarkeit, ein "internationalistischer Konsens" innerhalb der US-Elite und ein "transatlantischer Konsens" zwischen den europäischen und den US-Eliten — sind erheblich ins Wanken geraten, und das eröffnet reale Möglichkeiten für eine Kampagne der globalen Zivilgesellschaft, um den Fonds zu entmachten oder abzuwickeln.

Unverzichtbarer Kreditgeber?

Während eine wachsende Zahl von Personen und Organisationen, die zum IWF arbeiten, darin übereinstimmt, dass der Fonds zunehmend dysfunktional wird, zögern einige, seine Schließung zu fordern, weil sie meinen, es bräuchte immer noch einen "letzten Kreditgeber" für die sich entwickelnden Länder. Aber das kann nicht mehr die Rolle des IWF sein.
Für viele Länder in Asien ist eine regionale Institution, die die komplexen Vorgänge in der Region besser versteht als der IWF und ihre Auflagen weniger pauschal formuliert, eine angemessenere Lösung. Ein Asiatischer Währungsfonds (AWF) hätte während der Asienkrise diese Rolle erfüllt — dagegen legten Washington und der IWF selber jedoch ein Veto ein. Mit dem "ASEAN-plus- drei"-Abkommen bewegen sich die ostasiatischen Staaten jetzt möglicherweise in diese Richtung.
Auch in Lateinamerika gibt es Bewegung in Richtung auf ein regionales Institut, das als Kreditgeber und "letzter Kreditgeber" funktioniert: es ist ALBA, die von Venezuela, Bolivien und Kuba betriebene bolivarianische Alternative zur panamerikanischen Freihandelszone ALCA.
Bleibt ein Einwand: Ostasien und Lateinamerika haben genügend eigene Kapitalressourcen, um einen regionalen überstaatlichen Kreditgeber damit zu füttern. Aber was ist mit dem kapitalarmen Afrika? Deshalb zögern viele afrikanische Regierungen, auf Distanz zum IWF zu gehen.
Die vorrangigste Notwendigkeit für die afrikanischen Länder südlich der Sahara ist, wie für die meisten Länder des Südens, die bedingungslose Streichung ihrer Schulden — nicht so ein Schwindel wie die HIPC-Initiative, die eng an Auflagen im Stil des IWF gebunden ist. Auch die Schulden, die die afrikanischen Ländern beim IWF selber haben, müssen gestrichen werden — da stellt sich der Fonds immer wieder quer. Damit ist noch nicht die Frage geklärt, wer als letzter Kreditgeber für Afrika in Frage käme, aber etwas Besseres als der IWF findet sich allemal. Afrika entwickelt sich derzeit zum Refugium für politische Rezepte, die anderswo gescheitert sind, und diese werden noch von einem IWF-Personal umgesetzt, das weniger Erfahrung hat und weniger qualifiziert ist.
Afrikanische Regierungen könnten eher die Zusammenarbeit mit relativ kapitalreichen Regierungen des Südens wie China, Venezuela, Indien oder Südafrika suchen und den Versuch unternehmen, mit deren Hilfe eine eigene regionale Institution zu schaffen. Sie sollten dabei jedoch aus ihren Erfahrungen mit dem Norden und dem IWF lernen und auf gerechten, sie nicht erdrosselnden Abkommen mit diesen Regierungen bestehen. Das wird nicht einfach sein, denn einige von ihnen sind ebenso ausbeuterisch wie die Länder des Nordens.
Afrika hat nur die Wahl, die Kontrolle über den ressourcenreichen Kontinent zurückzuerlangen — entweder durch Streichung oder Nichtzahlung der Schulden, oder durch Bündnisse mit potenziellen Verbündeten, die ihre Verbindungen zum IWF bereits gekappt haben. Diese Ressourcen müssen für die eigene wirtschaftliche Entwicklung eingesetzt werden und dürfen nicht länger an große Gläubiger in anderen Teilen der Welt abfließen.

Aktionen und Forderungen

Der IWF ist derzeit schwer angeschlagen, aber seine Fähigkeit, sich wieder aufzurichten, darf nicht unterschätzt werden. Unvorhersehbare Ereignisse können die USA und die europäischen Länder wieder veranlassen, ihre Reihen zu schließen und der Institution neues Leben einzuhauchen. Oder die USA können sie auch als finanzieller Arm einer unilateralen Politik Washingtons am Leben erhalten, z.B. um China zu zwingen, den Renminbi aufzuwerten und damit das Problem der US-Handelsbilanz zu lösen.
Wir können uns nicht den Luxus leisten, beiseite zu stehen und zuzuschauen, wie der Fonds in den letzten Zuckungen liegt. Wir müssen handeln, damit ihm das Schicksal zuteil wird, das er so sehr verdient.
Um das strategische Ziel der Entmachtung des IWF zu erreichen, sollte die Kampagne Regierungen der Südens drängen, keine neuen Kredite beim IWF aufzunehmen.
Sie sollte sie auch drängen, Schulden beim IWF einseitig aufzukündigen.
Länder, die Schuldenerleichterungsprogramme vom Typ HIPC unterzeichnet haben, die vom IWF und der Weltbank überwacht werden, sollten diese Programme kündigen.
Die Kampagne sollte Länder, die sog. Armutssenkungsprogramme des IWF unterzeichnet haben, ermutigen, diese zu kündigen und die Verpflichtungen, die sie eingegangen sind, zu überprüfen. Wichtig dafür ist die systematische Aufdeckung der negativen Wirkung der Auflagen von IWF und Weltbank für Produktion, Arbeitsplätze, Löhne, Einkommen, Geschlechtergleichheit, Gesundheit, öffentliche Dienste und die Umwelt. Das IWF-Programm "Senkung der Armut und Förderung des Wachstums" scheint hier besondere Schwächen zu haben, und eine gezielte Kampagne, es zu begraben, hätte eine Aussicht auf Erfolg, was dann wiederum Mut für andere Initiativen geben würde.
Parlamentarische Kontrollverfahren und Rechnungsprüfungen sollten genutzt werden, um in allen Ländern Anhörungen und Prüfverfahren über den IWF einzuberufen. Die Kündigung der Mitgliedschaft beim IWF könnte ein Vorschlag sein, der unter Regierungsbeamten wie auch in der Zivilgesellschaft zur Diskussion reizt. Die Durchführung eines Forums über diesen Gegenstand, z.B. in Argentinien, könnte weitere Foren dieser Art in anderen Ländern nach sich ziehen. Es könnten Volksabstimmungen über die Mitgliedschaft im IWF angestrengt werden — wie die, die 2002 in Brasilien über dessen Mitgliedschaft in der FTAA durchgeführt wurde. Wo dies Erfolg verspricht, kann auch im Parlament ein Antrag über die Kündigung der Mitgliedschaft im IWF eingebracht werden.
Im Jahr 2007 sollte eine größere Konferenz über Alternativen zum IWF als "letzter Kreditgeber" einberufen werden — dazu müssten 2006 umfangreiche vorbereitende Forschungsarbeiten geleistet werden. Als Aufschlag für eine solche Konferenz sollte die Kampagne ein Tagesseminar zu diesem Thema anlässlich der kommenden Herbsttagung des IWF in Singapur durchführen.
Ein Verfahrensgrundsatz der Kampagne sollte sein, den an ihr teilnehmenden Organisationen die Möglichkeit einzuräumen, dies "auf ihrem Niveau" zu tun. Vielleicht sind einige Regierungen und Organisationen nicht bereit, einen Aufruf zum Rückzug aus dem IWF zu unterzeichnen, würden aber das Armutssenkungsprogramm kündigen oder fordern, dass das Programm "Senkung der Armut und Förderung des Wachstums" geschlossen wird.

Lasst den Dino sterben

In seinem Klassiker Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen weist Thomas Kuhn nach, wie Paradigmen, die einst einen Quantensprung in der Erkenntnis darstellten, zu Hindernissen für die weitere Entwicklung der Wissenschaft werden können. So hat sich der IWF von einer vitalen Institution, die in den zwei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg für globales Wachstum und Stabilität gesorgt hat, zu einem 800-Pfund-Gorilla gemausert, der in den letzten dreißig Jahren Millionen Armen in der Welt den Weg zur nachhaltigen Entwicklung versperrt hat.
Wäre diese überholte Institution anlässlich ihres 50.Geburtstags im Jahr 1994 geschlossen worden, wären 22 Millionen Indonesier und eine Million Thai davor bewahrt worden, unter die Armutsgrenze zu fallen; Argentinien wäre die Tragödie erspart worden, dass über die Hälfte seiner Bevölkerung erwerbslos ist und in Armut lebt; in Malawi wären Tausende vor dem Hungertod und vor Unterernährung gerettet worden; hundert Millionen Menschen in Russland und in Osteuropa wäre der freie Fall in die Armut erspart geblieben. Sie alle wurde Opfer der Programme und Auflagen des IWF.
Globale Wirtschaftssteuerung ist wichtig, aber dazu bedarf es eines Systems, in dem der Fonds, so wie er derzeit ist, keine positive Rolle mehr spielen kann. Die vorgeblich stabilisierende Funktion des IWF in der unbeständigen Welt unregulierter globaler Finanzen wird von seinem größten Mitglied, den USA, systematisch torpediert; seine Rolle als letzter Kreditgeber von den Auflagen unterminiert, die er den Schuldnern auferlegt, da sie Armut und Ungleichheit auf die Spitze treiben und wirtschaftliche Stagnation institutionalisieren.
Die Entmachtung des Fonds wird nicht zu dem globalen Finanz- und Steuerchaos führen, das die Wall Street gern an die Wand malt. Im Gegenteil, die Entmachtung des Fonds ist die Voraussetzung für die Schaffung eines wirklich gerechten, rationalen und effektiven globalen Finanzsystems. Die Auflagen der IWF treiben die sich entwickelnden Länder in Krisen und noch tiefere Armut. Die "Hilfsprogramme" des IWF entschädigen nur die großen Gläubiger, während die Schuldner Stabilisierungsprogramme verpasst bekommen, die sie in die Rezession treiben. Der IWF hat kein Interesse daran, die Macht der großen Spekulanten anzugreifen, und solange er irgendeine Macht ausüben kann, wird er auf Geheiß der Wall Street die notwendige Reform des internationalen Finanzsystems blockieren — so wird es mehr Finanzkrisen, mehr Unsicherheit für die Menschen und weniger Pflicht zur Rechenschaftslegung durch das Finanzkapital geben.
Der IWF ist gefährlich wie veraltete Atomreaktoren, deshalb muss er aus dem Verkehr gezogen werden. Die optimale Lösung für solche Dinos wäre ihre Abwicklung. Solange dies nicht möglich ist, müssen seine Fähigkeit, Schaden anzurichten, und sein Einfluss drastisch verringert werden.

(Übersetzung: Angela Klein)



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