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Brasilien
gehört weltweit zu den Ländern mit dem höchsten Ausmaß an sozialer Ungleichheit. Das
Land wurde als eine Art "Schweizer Indien" beschrieben, wo die Reichen leben wie in der Schweiz,
während das Leben der Armen denen ihrer indischen Leidensgenossen entspricht.
Im Jahre 2001 hatte der Wahlsieg Lulas, des
Kandidaten der Arbeiterpartei (PT), unter der Bevölkerung gewaltige Hoffnungen auf eine Änderung
dieser Situation "sozialer Apartheid" geweckt, auf eine neue Orientierung auf die
Bedürfnisse und Erwartungen der Armen. Diese Hoffnungen wurden weitgehend enttäuscht, als die von
Lula gebildete Regierung die neoliberale Wirtschaftspolitik der vorangegangenen rechten Regierungen
fortsetzte. Man kann insofern von einer "sozialliberalen" Regierung sprechen, als die neoliberale
Orientierung harte Einschnitte in Sozialprogramme zur Rückzahlung der Auslandsschulden
für die ärmsten Schichten durch einige soziale Maßnahmen wie das Programm "Null
Hunger" ergänzt wurde.
Eine der ersten von Lula eingeführten
neoliberalen Reformen war eine Änderung des brasilianischen Rentensystems, bei der frühere
soziale Vergünstigungen für Lohnabhängige gestrichen wurden. Als die PT-Senatorin Heloisa
Helena und einige andere Parlamentsabgeordnete der Partei diese Reform ablehnten die stets von der
PT abgelehnt worden war, als diese noch Oppositionspartei war , wurden sie aus der PT ausgeschlossen,
trotz breiter Proteste sowohl in Brasilien als auch international. Eine von bekannten Persönlichkeiten
der Linken aus der ganzen Welt unterzeichnete Erklärung, rief die PT-Führung vergeblich auf, sie
nicht auszuschließen. Heloisa Helena und ihre Freunde beschlossen mit der Unterstützung Hunderter
weiterer ehemaliger PT-Mitglieder eine neue Partei zu schaffen, die PSOL, Partei des Sozialismus und der
Freiheit ("sol" bedeutet im Portugiesischen auch "Sonne"). Zwei Jahre später, nach
einem schwerwiegenden Korruptionsskandal, in den einige wichtige Führer der PT verwickelt waren,
beschloss ein bedeutender Teil der Parteilinken, darunter mehre Parlamentsabgeordnete und bekannte
Persönlichkeiten der christlichen Linken, in diese neue Partei einzutreten.
Heloisa Helena, die Kandidatin der PSOL
für die kommenden Präsidentschaftswahlen im Oktober 2006, wurde in Alagoas geboren, einem der
ärmsten Bundesstaaten Brasiliens. Von Beruf Krankenschwester, wurde sie zur Senatorin gewählt,
und sie entwickelte sich vor ihrem Parteiausschluss bald zu einer führenden Gestalt der PT-Linken. Sie
ist eine junge Frau von bemerkenswerter charismatischer Ausstrahlung und die einzige Frau, die für die
Präsidentschaft kandidiert. Als eine christliche Marxistin macht sie keinen Hehl aus ihrem Engagement
für den Sozialismus, den Antiimperialismus und die Kämpfe der brasilianischen Arbeiter und Bauern
für ihre soziale Befreiung. Durch ihre leidenschaftlichen Reden im Senat, mit denen sie die politische
Korruption und die politische Begünstigung der Oligarchie angeprangert hat, hat sie unter der
Bevölkerung viel Sympathie gewonnen, weit über die organisierten Reihen der radikalen Linken
hinaus.
Während von Lula und Alckmin
dem Kandidaten der konservativen rechten Allianz die Monopolisierung der Präsidentschaftswahlen
erwartet wurde, führte die Präsenz Heloisa Helenas eine neue und unerwartete Dimension in die
politische Debatte ein: sie ist die einzige Kandidatin, die eine radikale Kritik des Neoliberalismus aus
sozialistischer Perspektive äußert. Sie wird von einem breiten Spektrum von Sozialisten,
Gewerkschaftern, Linksintellektuellen und linken Christen unterstützt und steht in den
Meinungsumfragen gegenwärtig bei etwa 12%.
Die Wahlen in Brasilien betreffen
Sozialisten und Radikale überall. Aus diesem Grund haben viele Menschen nach ihren Protesten gegen den
Ausschluss Heloisa Helenas aus der PT nun einen weltweiten Aufruf zu ihrer Unterstützung
veröffentlicht.
Michael Löwy
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