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Die Banken haben ihr Machtwort gesprochen und die Neue Heimat wechselte erneut ihren Besitzer: Die Gewerkschaften mussten
den maroden Wohnungsbaukonzern wieder als Eigentümer übernehmen. Beim Blitzverkauf der Neuen Heimat an
Schiesser wurde seitens der DGB-Führung öffentlich erklärt, man wolle durch den Verkauf der Neuen Heimat
die Gefahr der Erpressbarkeit von den Gewerkschaften abwenden. Jetzt mit der erzwungenen Rücknahme der Neuen
Heimat durch die gewerkschaftseigene BGAG wird von den Großbanken öffentlich klargestellt, wie
erpressbar im Zuge der gemeinwirtschaftlichen Verstrickung in die kapitalistische Ökonomie tatsächlich ist: das
Finanzkapital pfeift die DGB-Führung und ihre Topmanager müssen parieren.
BGAG-Sprecher Stanzick erläuterte wohl zutreffend,
warum die DGB-Führung und das BGAG-Management zu Kreuze kriechen mussten: "Wir leben von einem guten
Verhältnis von den Banken."
Der Schwarze Peter ist also wieder da, wo er nach Ansicht
von Kapital und politischer Reaktion auch ausschließlich hingehört: bei den Gewerkschaften. Eine Auffangs- bzw.
Treuhandgesellschaft soll gegründet werden, von der zur Stunde völlig unklar ist, wer ihr außer der
gewerkschaftseigenen Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft noch angehören wird.
Klar ist, dass sich der DGB mit dem Projekt
"Treuhandgesellschaft" in das Dilemma begeben hat, Partner für das Dilemma der Krise der Neuen Heimat bei
den erklärten Feinden der Gewerkschaftsbewegung suchen zu müssen: Banken, Bundesregierung, CDU/CSU-
Landesregierungen. So naiv zu glauben, dass diese gewerkschaftsfeindliche Allianz von Kapital und konservativer Reaktion
mit Blick auf die Bundestagswahl und mit Blick auf die Auseinandersetzung um die 35-Stunden-Woche bei vollem
Lohnausgleich im kommenden Jahr diese Schwäche des DGB nicht bis zum Letzten ausnutzen wird, kann man eigentlich
nicht sein. Das Lager der Reaktion wird keine Gelegenheit verstreichen lassen, um den DGB zu demütigen, politisch zu
isolieren, finanziell zu schwächen.
Kein Kommentator des Bayernkuriers hätte es sich vor
einigen Monaten wohl träumen lassen, dass es möglich sein würde, den DGB so öffentlich zu blamieren,
wie es jetzt mit der Farce "Verkauf an Schiesser Rückkauf von Schiesser" geschehen ist.
Buchstäblich für nothing hat sich der DGB in die wohl größte Glaubwürdigkeitskrise seiner
Geschichte gestürzt. Jetzt muss er zig Millionen an Schiesser, wahrscheinlich 2 Milliarden in die Kasse der
projektierten Auffanggesellschaft, die damit vorzugsweise die Banken bedienen wird, zahlen und steckt tiefer im
Schlamassel denn je.
Eben diese Farce hat aber auch deutlich gemacht, dass die
DGB-Führung jede Fähigkeit zur politischen Initiative in dieser Frage verloren hat. Stattdessen wird sie
nicht nur in Sachen Neue Heimat, sondern auch mit dem Verkauf der BfG-Mehrheit als Elefant im Porzellanladen
gewerkschaftlicher Prinzipien vorgeführt.
Diese DGB-Führung ist zu tief in die
Abhängigkeit von den Feinden der Gewerkschaften geraten. Diese DGB-Führung ist zu sehr mit der Rettung des
eigenen Kopfes beschäftigt. Von dieser Führung kann eine wirkliche Lösung der Krise der Gemeinwirtschaft,
die mit jedem Tag mehr zu einer Krise der Gemeinwirtschaft zu werden droht, kaum ausgehen.
Dringlich wäre deshalb die unverzügliche
Einberufung eines außerordentlichen DGB-Kongresses; denn was der letzte DGB-Kongress zum Thema Gemeinwirtschaft/Neue
Heimat diskutiert und beschlossen hat, ist längst Makulatur. Die Aufgaben dieses DGB-Kongresses lägen auf der
Hand: er müsste die Erfahrungen mit den gemeinwirtschaftlichen Unternehmungen schonungslos bilanzieren und die
Konsequenzen daraus ziehen.
Diese Konsequenzen könnten so ausgehen:
1. Festgestellt werden muss, dass die über Jahre
hinweg betriebene Vertuschung der Korruptions- und Bereicherungsaffären sowie des katastrophalen Missmanagements den
Gewerkschaften schweren Schaden zugefügt hat. Diese Feststellung ist ohne personelle Konsequenzen unsinnig: Nicht
nur der zurückgetretene Lappas, auch seine BGAG-Vorstandskollegen müssen gehen. Aber es wäre aberwitzig zu
übersehen, in welchem Ausmaß Ernst Breit als Gewerkschaftsführer desavouiert ist. Schlimm genug, dass er
aber auch einige Führer von Einzelgewerkschaften das nicht selbst erkennen.
2. Festgestellt werden muss, dass das gesamte Konzept der
Gemeinwirtschaft gescheitert ist. Es gibt den berühmten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus nicht. Die
gemeinwirtschaftlichen Unternehmen haben nicht den Kapitalismus im Sinne der Lohnabhängigen "korrigiert",
sie haben vielmehr die Gewerkschaften auf schädliche Weise mit dem Kapitalismus verbunden. Ein
Funktionärsmilieu entstand, das in Kategorien der Profitmacherei aber nicht mehr in gewerkschaftlichen
Zusammenhängen dachte. Die korrumpierende Wirkung, die von dieser Integration in die kapitalistische Ökonomie
ausging und ausgeht, reicht im hauptamtlichen Funktionärskörper weit hinunter. Das Gefälligkeitsgeflecht
zwischen hauptamtlichem Funktionärskörper und gemeinwirtschaftlichen Unternehmen funktioniert leider auch auf
kommunaler Ebene.
3. Aus diesem notwendigen Eingeständnis gäbe es
nur eine Konsequenz: der DGB muss sich von allen gemeinwirtschaftlichen Unternehmen (wir reden nicht von Zeitungen,
Verlagen, Druckereien, Büchergilde usw., die im Hinblick auf die satzungsgemäßen Ziele ihre Berechtigung
haben) trennen.
Dabei gilt es aber zu bedenken:
Die Gewerkschaften dürfen nicht die
Zusammenballung privatwirtschaftlicher Macht fördern bzw. die konservativ-liberale Privatisierungskampagne faktisch
unterstützen.
Die Gewerkschaften müssen dafür Sorge
tragen, dass die Interessen der bei den gewerkschaftlichen Unternehmen Beschäftigten im vollen Umfang gewahrt
werden.
Die Gewerkschaften tragen Verantwortung dafür,
dass die Sozialbindung der Neue-Heimat-Wohnungen erhalten bleibt.
Daraus folgt, dass die perspektivlose Zerlegung des
gemeinwirtschaftlichen Sektors, die der politischen Verantwortung der Gewerkschaften nicht gerecht wird, gestoppt werden
muss, dass auch der praktisch beschlossene Verkauf der BfG-Mehrheit nicht getätigt werden darf. Stattdessen sollte
die Überführung des gesamten gemeinwirtschaftlichen Komplexes in öffentliches Eigentum gefordert werden.
Dies ist auf verschiedene Weise denkbar.
Die Gewerkschaften, die dabei auch ökonomisch, wenn
man den gemeinwirtschaftlichen Konzern insgesamt betrachtet, keineswegs als Almosenbittsteller auftreten würden,
müssten weitgehende über die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Mitbestimmungs-
und Kontrollrechte fordern, um die Interessen der Beschäftigten und der Mieter wahrnehmen und
Privatisierungsversuche verhindern zu können.
Mit einem solchen Gesamtkonzept könnten die
Gewerkschaften den Kampf gegen die Versuche der Reaktion, die Krise der Neuen Heimat zum schweren Schlag gegen die
Gewerkschaftsbewegung zu nutzen, mit Aussicht auf Erfolg führen. Sie könnten den Kampf um die Wiederherstellung
ihrer angeschlagenen Glaubwürdigkeit in der Arbeiter- und Angestelltenschaft führen. Sie könnten
schließlich trotz des Scheiterns der Gemeinwirtschaft ihren Anspruch auf Gestaltung einer im Sinne der
Lohnabhängigen gerechten Gesellschaft behaupten.
Wenn ein solcher grundlegender Kurswechsel jedoch
ausbleibt, muss befürchtet werden, dass die Gewerkschaften immer weiter in die Defensive gedrängt werden.
Horst-Dieter Koch
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
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