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Seit den Tagen, als römische Kaiser die Christen den Löwen zum Fraß
hinwarfen, haben die Beziehungen zwischen Kaisern und Kirchenführern viele Wandlungen durchgemacht.
Konstantin der Große, der 306 genau vor 1700 Jahren Kaiser wurde,
machte das Christentum zur Staatsreligion seines Kaiserreichs, das damals auch Palästina einschloss. Jahrhunderte später teilte sich die Kirche in
einen östlichen (orthodoxen) und einen westlichen (katholischen) Teil. Im Westen erwarb der Bischof von Rom den Titel Papst und verlangte vom Kaiser,
sich ihm zu unterwerfen.
Der Kampf zwischen Kaiser und Papst spielte in der europäischen Geschichte eine
zentrale Rolle und spaltete die Völker. Es gab für beide Seiten Siege und Niederlagen. Einige Kaiser setzten den Papst ab oder vertrieben ihn, einige
Päpste setzen den Kaiser ab oder exkommunizierten ihn. Es gab aber auch Zeiten, in denen die Kaiser und die Päpste in Frieden miteinander lebten.
Heute erleben wir solch eine Zeit. Zwischen dem gegenwärtigen Papst Benedikt XVI. und dem gegenwärtigen Kaiser George Bush II. besteht eine
wunderbare Harmonie. Die (Mitte November in Regensburg) gehaltene Rede des Papstes, die einen weltweiten Sturm auslöste, passt gut zu Bushs
Kreuzzug gegen den "Islamo-Faschismus" im Kontext des "Kampfes der Kulturen".
In seiner Vorlesung an einer deutschen Universität beschrieb der 265. Papst den
großen Unterschied zwischen Christentum und Islam: während das Christentum sich auf die Vernunft gründe, verleugne der Islam diese.
Während die Christen die Logik in Gottes Handlungen erkennen, verleugneten die Muslime jegliche Logik in den Taten Allahs.
Als jüdischer Atheist habe ich nicht die Absicht, mich auf den Streitboden dieser
Debatte zu begeben. Es liegt außerhalb meiner bescheidenen Fähigkeit, die Logik des Papstes zu verstehen. Aber ich kann eine Passage nicht
übersehen, die auch mich betrifft, als Israeli, der in der Nähe der angeblichen Grenzlinie des "Kampfes der Kulturen" lebt.
Um den Mangel an Vernunft im Islam zu beweisen, behauptete der Papst, dass der Prophet
Mohammed seinen Anhängern befahl, seine Religion mit dem Schwert auszubreiten. Nach Ansicht des Papstes wäre dies unvernünftig, weil
der Glaube aus der Seele kommt und nichts mit dem Körper zu tun hat. Wie könnte also das Schwert die Seele beeinflussen?
Um dies noch zu unterstreichen, zitierte der Papst ausgerechnet das Wort eines
byzantinischen Kaisers, der natürlich zur konkurrierenden Ostkirche gehörte. Ende des 14.Jahrhunderts erzählte Kaiser Manuel II.
Palaeologus von einem (zweifelhaften) Streitgespräch, das er mit einem nicht namentlich genannten persisch-muslimischen Gelehrten geführt
hätte. In der Hitze des Gefechts schleuderte der Kaiser nach seiner eigenen Aussage folgende Worte gegen seinen Kontrahenten:
"Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den
Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten."
Diese Worte geben Anlass, drei Fragen zu stellen: a) Warum sagte der Kaiser sie? b) Stimmt
das denn? c) Warum hat der gegenwärtige Papst diese Worte zitiert?
Als Manuel II. seine Abhandlung schrieb, war er das Haupt eines Imperiums, das im
Niedergang begriffen war. Er kam 1391 zur Macht, als dem einst so blühenden Kaiserreich nur noch wenige Provinzen geblieben waren, die auch schon
von den Türken bedroht wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatten die ottomanischen Türken bereits das Donauufer erreicht. Sie hatten Bulgarien und den
Norden Griechenlands erobert und zweimal Europas Heere besiegt, die das östliche Kaiserreich retten sollten. 1453, nur wenige Jahre nach Manuels Tod,
eroberten die Türken seine Hauptstadt Konstantinopel das heutige Istanbul und setzten dem Kaiserreich ein Ende, das mehr als tausend
Jahre gedauert hatte.
Während seiner Herrschaft hatte Kaiser Manuel II. die Hauptstädte Europas
besucht und versucht, die Trommeln für Unterstützung zu rühren. Er versprach, die Kirche wieder zu vereinigen. Zweifellos schrieb er seine
religiöse Abhandlung, um die christlichen Länder gegen die Muslime, die "Achse des Bösen", anzustacheln und sie zu einem
neuen Kreuzzug zu bewegen. Das Ziel war praktisch ausgerichtet, die Theologie diente der Politik.
In diesem Sinn passt das Zitat genau zu den Erfordernissen des gegenwärtigen Kaisers
George Bush. Auch er will die christliche Welt gegen den Islam, die "Achse des Bösen", einigen. Außerdem klopfen die Türken
wieder an die Türen Europas, dieses Mal friedlich. Es ist allgemein bekannt, dass der Papst die Kräfte unterstützt, die gegen den Eintritt der
Türkei in die EU sind.
Steckt irgendwelche Wahrheit in Kaiser Manuels Behauptung? Der Papst selbst hat Vorsicht
angemahnt. Als seriöser und namhafter Theologe konnte er es sich nicht leisten, Texte zu fälschen. Deshalb gab er zu, dass der Koran streng
verbietet, den Glauben mit Gewalt zu verbreiten. Er zitierte die 2.Sure, Vers 256 (seltsam für einen Papst er meinte den Vers 257), der lautet:
"In Glaubenssachen darf kein Zwang herrschen."
Wie kann man eine so simple und eindeutige Feststellung ignorieren? Der Papst behauptete
einfach, dass dieses Gebot vom Propheten zu Beginn seiner Kariere festgelegt wurde, als er noch schwach und ohnmächtig war. Aber später befahl
er die Anwendung des Schwerts im Dienst des Glaubens. Solch einen Befehl gibt es im Koran gar nicht. Mohammed rief zwar in seinem Krieg gegen feindliche
christliche, jüdische und andere Stämme in Arabien zur Anwendung des Schwerts auf, als er seinen Staat aufbaute. Aber das war
ein politischer und kein religiöser Akt; es ging grundsätzlich um Gebiete und nicht um die Verbreitung des Glaubens.
Jesus sagte: "An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen." Wie der Islam
mit anderen Religionen umging, sollte mittels eines einfachen Tests beurteilt werden: Wie haben sich muslimische Herrscher mehr als tausend Jahre lang
verhalten, als sie die Macht hatten, "den Glauben mit dem Schwert zu verbreiten"? Sie haben genau dies nicht getan.
Viele Jahrhunderte lang herrschten Muslime über Griechenland. Wurden die Griechen
Muslime? Versuchte jemand sie zu islamisieren? Im Gegenteil. Christliche Griechen besetzten die höchsten Ämter in der ottomanischen Regierung.
Die Bulgaren, Serben, Rumänen, Ungarn und andere europäische Nationen lebten länger oder kürzer unter der ottomanischen
Herrschaft und hielten an ihrem christlichen Glauben fest. Keiner zwang sie, Muslim zu werden. Alle blieben gläubige Christen. Die Albaner konvertierten
zwar zum Islam und auch die Bosniaken. Aber keiner behauptet, dass dies unter Zwang geschehen ist. Sie nahmen den Islam an, um Vergünstigungen der
Regierung zu erlangen und sich der Früchte zu erfreuen.
1099 eroberten die Kreuzfahrer Jerusalem und massakrierten willkürlich seine
muslimischen und jüdischen Einwohner im Namen des sanften Jesu. Während der 400 Jahre muslimischer Besatzung Palästinas wurden keine
Anstrengungen unternommen, der christlichen Mehrheit den Glauben Mohammeds aufzuzwingen. Es gibt auch keinen Beweis für einen Versuch, den
Juden den Islam aufzuzwingen.
Wie allgemein bekannt ist, erlebten die Juden Spaniens während der muslimischen
Herrschaft eine Blütezeit, wie sie sie nirgendwo beinahe bis in unsere Zeit erlebt hatten. Dichter wie Yehuda Halevy schrieben arabisch, genau wie der
große Maimonides. Im muslimischen Spanien waren Juden Minister, Dichter, Wissenschaftler. Im muslimischen Toledo arbeiteten christliche,
muslimische und jüdische Gelehrte zusammen und übersetzten die antiken griechischen, philosophischen und wissenschaftlichen Texte. Das war
wirklich ein Goldenes Zeitalter. Wie hat das nur möglich sein können, hätte der Prophet die "Ausbreitung des Glaubens mit dem
Schwert" verordnet?
Was dann geschah, ist aber noch bedeutsamer. Als die Katholiken Spanien von den
Muslimen zurückerobert hatten, begannen sie eine Herrschaft des religiösen Terrors. Juden und Muslime wurden vor eine grausame Wahl gestellt:
entweder zum Christentum zu konvertieren, massakriert zu werden oder das Land zu verlassen. Und wohin flohen die Hunderttausende von Juden, die sich
weigerten, ihren Glauben aufzugeben? Fast alle von ihnen wurden mit offenen Armen in muslimischen Ländern aufgenommen. Die sephardischen
"spanischen" Juden siedelten in der ganzen muslimischen Welt von Marokko im Westen bis zum Irak im Osten, von Bulgarien (im Norden, damals
ein Teil des ottomanisch-türkischen Reiches), bis in den Sudan im Süden. Nirgendwo wurden sie verfolgt. Sie machten nicht die Folterungen der
Inquisition, die Flammen der Ketzerverbrennungen, die Pogrome, die schrecklichen Massenvertreibungen durch, die in fast allen christlichen Ländern bis
zum Holocaust stattfanden.
Warum? Weil Mohammed ausdrücklich jede Verfolgung der "Völker des
Buches" verboten hat. In der islamischen Gesellschaft war ein besonderer Platz für Juden und Christen reserviert. Sie hatten zwar nicht völlig
die gleichen Rechte, aber beinahe. Sie mussten eine besondere Steuer bezahlen, waren aber vom Militärdienst befreit eine Übereinkunft, die
vielen Juden sehr willkommen war. Es wurde gesagt, dass muslimische Herrscher die Stirne runzelten, wenn Versuche selbst mit sanften Methoden
gemacht wurden, Juden zum Islam zu konvertieren, weil das weniger Steuereinnahmen bedeutete.
Jeder ehrliche Jude, der die Geschichte seines Volkes kennt, kann gegenüber dem
Islam nur große Dankbarkeit empfinden. Er hat die Juden 50 Generationen lang geschützt, während die christliche Welt die Juden verfolgte
und viele Male "mit dem Schwert" versuchte, sie von ihrem Glauben abzubringen.
Die Geschichte über die "Ausbreitung des Glaubens mit dem Schwert" ist
eine üble Legende, eine der Mythen Europas während des langen Krieges gegen die Muslime die Wiedereroberung Spaniens durch die
Christen, der Kreuzfahrer, der Abwehr der Türken, die beinahe Wien erobert hätten. Ich habe den Verdacht, dass auch der deutsche Papst ehrlich an
dieses Märchen glaubt. Das würde heißen, dass das Haupt der katholischen Kirche selbst ein namhafter Theologe sich nicht
die Mühe gemacht hat, die Geschichte der anderen Religionen zu studieren.
Warum äußerte er diese Worte in der Öffentlichkeit? Und warum jetzt?
Man kann sie nur vor dem Hintergrund des neuen Kreuzzugs von Bush und seiner fundamentalistisch-christlichen Unterstützer sehen sowie seiner Slogans
vom "Islamofaschismus" und "dem globalen Krieg gegen den Terror" nachdem "Terrorismus" ein Synonym
für die Muslime geworden ist. Denn für Bushs andere Helfershelfer ist dies ein zynischer Versuch, die Herrschaft über die Ölressourcen
der Welt zu rechtfertigen.
Es wäre nicht das erste Mal im Laufe der Geschichte, dass ein religiöses
Mäntelchen über nackte wirtschaftliche Interessen gebreitet wird; es wäre nicht das erste Mal, dass ein Raubzug zum "Kreuzzug"
wird. Die Rede des Papstes passt zu diesen Bemühungen. Wer kann uns die möglichen unheilvollen Folgen voraussagen?
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