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Am 1.Oktober 2005 verkaufte Siemens seine Handysparte an den taiwanesischen Konzern BenQ. Am 30.9.2006 meldete BenQ
Insolvenz an. Der Mischkonzern zählt in Deutschland 3000 Beschäftigte.
BenQ zahlte für die Sparte vor einem Jahr 285 Millionen Euro. Die 1700 Patente,
Lizenzen und Markenrechte sind aber ungleich mehr wert. So wird gesagt, Siemens habe dem Konzern die Übernahme mit netto 415 Millionen Euro
vergoldet. IG-Metall-Chef Jürgen Peters spricht von einer "Abwrackprämie"; Rudolf Hickel äußerte im Neuen Deutschland
den Verdacht, "da hätten sich die Bosse der Siemens AG im Hinterzimmer entschlossen, die Drecksarbeit einer Pleite nach Taiwan zu
exportieren". Kurz vor dem Deal genehmigte der Aufsichtsrat dem Siemens-Vorstand eine Gehaltserhöhung von 30% Mannesmann
lässt grüßen.
Die IG Metall sieht Siemens weiter in der Pflicht. Im Jahr 2004 hatte der Gesamtbetriebsrat
mit Siemens einen Ergänzungstarifvertrag abgeschlossen. Damals drohte Konzernchef Pierer damit, die beiden Standorte für Handyproduktion in
Bocholt und in Kamp-Lintfort nach Osteuropa zu verlagern, wenn die Belegschaften nicht einer Ausweitung der Wochenarbeitszeit von 35 auf 40 Stunden ohne
Lohnausgleich zustimmen. Weihnachts- und Urlaubsgeld wurden durch eine Erfolgsprämie ersetzt. Den Beschäftigten wurden bis zu 30%
Lohnverlust zugemutet. Im Gegenzug gab Siemens eine Beschäftigungsgarantie bis 2009 ab. Die steht jetzt in Frage.
Ein Jahr später gab es eine Überleitungsvereinbarung, die den
Betriebsübergang zu BenQ regelte. Darin war vorgesehen, im Fall von Arbeitsplatzverlusten greife der Siemens-Sozialplan. BenQ sollte die Kosten tragen.
BenQ hat die Vereinbarung aber nicht unterschrieben. Ansprüche, die sich nun an Siemens richten, betreffen neben der Arbeitsplatzgarantie die
Altersversorgung, Altersteilzeit und Ausbildung.
Die BenQ-Pleite bildet nur den kleineren Teil der Zerschlagung der Sparte
Telekommunikation bei Siemens (Com-Sparte). Den Kern der Telekommunikation, das Netzwerkgeschäft, will Siemens in Zukunft mit Nokia zusammen
betreiben. An der Fusion sind zwar beide Konzerne zu 50% beteiligt, doch Nokia übernimmt die Führerschaft auf der ganzen Linie. Die neue Firma
wird ihren Sitz in Helsinki haben und in der Nokia-Bilanz konsolidiert werden. Die beiden Konzerne haben angekündigt, die Fusion werde 1015%
des Personals kosten bis zu 9000 Arbeitsplätze, die in erster Linie bei Siemens abgebaut werden. Das kann auch noch nicht alles sein; von den
insgesamt 60000 in der Com-Sparte Beschäftigten sollen nur 40000 übrig bleiben. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis auch die übrigen
Abteilungen der Com-Sparte verkauft oder geschlossen werden. BenQ ist eine davon. Eine weitere ist das Firmenkundengeschäft (Siemens Business
Services). Die Telekommunikation bildet das Zentrum des Unternehmens seit seiner Gründung vor 160 Jahren.
Die Zerschlagung der Com-Sparte gründet sich auf die seit 1998 im Konzern
gültige Strategie, wonach alle Geschäftsbereiche "mindestens ihre Kapitalkosten zu verdienen" haben. Die "Kapitalkosten"
errechnen sich aus dem Wert des Geschäftsvermögens multipliziert mit dem Höchstzinssatz, den der Kapitalmarkt verlangt. Für die
Com-Sparte ergibt das eine Rendite von 8 bis 11%. In der ersten Hälfte des Geschäftsjahrs 2005/06 betrug die Rendite aber "nur" 5,1%.
Mit der neuen Politik hat der Vorstand den Gesamtwert der Siemens-Aktien Ende 2005 um
4,5 Milliarden Euro in die Höhe getrieben, die Dividenden um 1,2 Milliarden Euro ein Vermögenszuwachs von 5,7 Milliarden Euro. Nicht
genug für die Investmentgesellschaft DWS, hinter der die Deutsche Bank steht. Sie forderte deshalb, der Konzern müsse sich von der Com-Sparte
trennen. Der neue Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld versprach Vollzug bis April 2007.
Die Aktienbesitzer interessieren sich nicht für Technologiepolitik, nur für den
schnellen Höchstprofit. Die Topmanager aber sind mit Eigeninteressen an die Prioritäten der Investoren gekoppelt: 50% der Vergütungen der
Vorstandsmitglieder bestimmen sich nach dem Erreichen der Renditevorgabe und dem Anstieg des Aktienwerts. Das Münchner isw, auf dessen
Recherchen sich die vorliegenden Informationen stützen, hat errechnet: "Für jedes einzelne Vorstandsmitglied hat sich die Zerschlagung der
Com-Sparte wahrscheinlich mit einigen 100000 Euro gelohnt."
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