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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2006, Seite 19

China Blue

USA 2005, Regie, Kamera: Micha X. Peled, Start: 2.November 2006

Zwanzig Prozent der Textilimporte stammen aus China, wobei der Marktanteil noch weiter steigen dürfte in den USA von 16 auf 50% und in der EU von 18 auf 29%.
Jasmin ist 16 Jahre alt und Fadenabschneiderin, ihr Arbeitstag hat 17 Stunden. Jeden Tag, Woche für Woche. Sie sitzt zwischen Jeansbergen und entfernt mit einer kleinen Schere abstehende Fäden. Wenn es Lieferprobleme gibt, weil die Kunden drängen, arbeiten die Frauen und Mädchen oft bis 3 Uhr früh oder sogar die Nacht durch. Der Lohn? 60 Euro im Monat, davon wird noch Unterkunft, Essen und Wasser abgezogen.
In China Blue, dem Dokumentarfilm von Micha X. Peled, sieht man Jasmin. Sie ist eine von 8 Millionen Wanderarbeitern in Südchina. So viele Einwohner hat Österreich. Bei der Uraufführung des Films konnte man in Wien nach Abschluss der Vorstellung mit Yuk Yuk Choi, sie ist Aktivistin der Organisation Worker Empowerment und Jenny Chan von der Sudentenorganisation SACOM über die Arbeitsbedingungen in Chinas Textilindustrie sehr viel neue Informationen erfahren.
Frauen und Mädchen im Alter zwischen 14 und 30 Jahren sind die Arbeitssklaven des 21.Jahrhunderts. In der Hoffnung auf ein besseres Leben in der Großstadt verlassen diese Frauen in jungen Jahren ihre Heimatdörfer, um in den Großstädten Chinas Arbeit zu finden. Yuk Yuk Choi: "Sie kennen ihre Rechte nicht und lassen sich leicht einschüchtern."
Es gibt in China ein Arbeitsrecht, Vorschriften über Arbeitsnormen, aber die sind für die Firmenbesitzer kein Hindernis. Neun von zehn haben kein Problem, diese Vorschriften zu missachten. So sind die monatlichen Überstunden in den Textilbetrieben oft siebenmal höher als erlaubt. Dafür gibt es kaum mehr als den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn von 70 Euro im Monat. Ihre Familien sehen sie oft ein ganzes Jahr nicht, weil sie sich die Reisekosten nicht leisten können.
Nach der Öffnung Chinas für den Welthandel zeigt der Film China Blue den Unternehmer Mr.Lam. Er war früher Polizeichef und stellt nun Jeans für die neoliberale "freie" Welt her. Der Dokumentarfilm zeigt eine der wuchernden Phantomstädte Chinas, die in Südchina gelegene Stadt Shax, in der für Hungerlöhne die Menschen, z.B. für die Firma Lifeng von Mr.Lam, ihre Arbeitskraft verkaufen.
Der Arbeitsunfall ist in China Alltag. Täglich sterben in China 350 Menschen, weil der Arbeits- und Unfallschutz unzureichend ist, bei Arbeitsunfällen, dazu kommen noch täglich mindestens 80 Arbeitsunfälle bei denen es zu schwersten Verstümmelungen an der Hand kommt, weil Arbeitshetze und ungeschützte Maschinen in China zum Arbeitsalltag gehören.
Im Lande der Arbeiterklasse gibt es keine Gewerkschaften, die tatsächlich die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter vertreten. Streiks sind verboten und wer kennt sie nicht, die Spruchbänder, mit denen man Einschüchterung am Arbeitsplatz betreibt. "Wer heute nicht hart arbeitet, sucht morgen einen Job", kann Jasmin auf einem der Spruchbänder lesen, die sie bei der Arbeit "motivieren" soll, wenn bis in die frühen Morgenstunden malocht wird, für kleines Geld.
Kontrollen der Arbeitsbedingungen finden zwar statt, werden aber früh genug vorher angekündigt. Dann wird "geübt", damit die Männer und Frauen, die in den Fabriken arbeiten, auf die Fragen die richtigen Antworten geben können. Chan: "Die Arbeiterinnen müssen sogar Überstunden machen, um sämtliche Unterlagen zu fälschen."
Nicht nur im Film China Blue, auch sonst fragen sich die Arbeiterinnen, für wen diese Hosen hergestellt werden, in die nur dicke unförmige und riesige Menschen passen, die diese Hosen dann tragen.
Es wird Zeit, dass sich die Konsumenten dafür interessieren sollten, wie, wo und unter welchen Bedingungen Kleider, Textilien hergestellt werden. Denn ohne Nachfrage und Kaufverweigerung lässt sich kaum etwas an den Arbeitsbedingungen in China ändern.
So bleibt nur noch die Antwort auf die Frage, wer wie viel bei einem Jeanskauf verdient.
50% Einzelhandel, Mehrwertsteuer und Verwaltung, 11% Transport, Steuer Importkosten, 13% Material und Gewinn der Fabrik im Billiglohnherstellerland, 25% Markennamen, Verwaltung und Werbung und 1% Lohn für die Arbeiterin.

Dieter Braeg

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