SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2006, Seite 04

In eigener Sache

Kolumne

Jetzt haben wir uns also zwei Jahre abgestrampelt, um eine neue linke Partei aufzubauen. Und was ist das Ergebnis? Ein langweiliger, sprachlich entsetzlicher Text, der sich — Nomen est Omen — programmatische Eckpunkte nennt. Und eine Satzung für eine autoritäre, männerdominierte Patriarchenpartei, die nur Sakko-, Schlips- und Kofferträger anziehen wird.
Und herausgekommen ist eine Partei ohne Ausstrahlung, in der bei allen Verantwortlichen die Taktik statt der Leidenschaft das Leben bestimmt.
Ist das die Erfüllung der großen Idee, deren Zeit gekommen ist, wie es im Wahlkampf noch hieß? Ich glaube nein. Es ist wohl eher Angst vor der eigenen Courage, die so manchen meiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter in die Knochen gefahren ist. Dieses Parteiprojekt droht buchstäblich in Langweiligkeit erstickt zu werden. Wer das als "Realpolitik" verkauft, sollte lieber mal ein paar Folgen Simpsons sehen, statt diesen Unsinn zu erzählen. Wenn nicht mehr Mut zum Risiko, mehr Leidenschaft, mehr visionäre Politik aufgebracht wird, wird die neue Linkspartei mit Verachtung bestraft werden. Um den Mief von Lügen und Angstmacherei zu vertreiben, der in dieser Gesellschaft die Vorherrschaft hat, müssen wir in der Tat realistisch bleiben und das Unmögliche fordern.
Für eine sozialistische Partei der politischen Vielfalt, die Widersprüche aushalten kann und bedingungslos für eine konfliktbereite Politik streitet — dafür habe ich mich eineinhalb Jahre im Bundesvorstand engagiert und würde es auch weiterhin tun.
Rote Lilien statt rote Linien wären im Übrigen auch ganz schön...
...DESHALB BEWERBE ICH MICH NOCH EINMAL FÜR DEN BUNDESVORSTAND.

Mit diesem Text hat sich der Autor ein weiteres Mal für den Bundesvorstand der WASG beworben. Und siehe da, der Bundesparteitag vom 19.11. in tiefster westfälischer Provinz hat sich seiner erbarmt. Jetzt pupst er wieder in die Sessel, die nicht ihm gehören. Fast zur gleichen Zeit hat in der alten Reichshauptstadt Berlin Gregor Gysi auf dem Landesparteitag der Linkpartei.PDS — kurz nachdem diese mit ihrer Zustimmung zur völligen Abschaffung des Ladenschlussgesetzes, dem Gott des kapitalistischen Konsumismus gehuldigt und das Übel des Müßiggangs bei den Beschäftigten des Einzelhandels mit aller Leichtigkeit des Seins bekämpft hat — den Programmentwurf der neuen Linkspartei auf eine griffige Formel gebracht: "Das Leben ist nicht dazu da, um leicht zu sein." Oh ja, aus der geplanten neuen Partei noch etwas Hübsches zu machen, das wird schwer fallen. Aber wir strengen uns an. Versprochen.
Thies Gleiss

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