SoZ - Sozialistische Zeitung |
Für das Erwerbslosen Forum Deutschland stellen sich nach dem Spektakel am 21.10. eine Reihe
wichtiger Fragen, die für die Veränderungen unserer derzeitigen gesellschaftlichen Zustände
wichtig sind. Dass 220000 Teilnehmer an den Demonstrationen teilgenommen haben, ist auch ein Verdienst der
vielen Sozialprotest- und Migrantenbewegungen. Aber von einem wirkungsvollen Protest kann man kaum
sprechen. Viele Erwerbslose stellen sich auch die Frage, ob denn solche Veranstaltungen überhaupt
etwas bewegen können, und wenden sich enttäuscht ab, da sie sich in ihrer Situation unverstanden
fühlen. Und genau hier muss unser Erachtens der Ansatzpunkt sein, um den derzeitigen Status Quo zu
verändern. Veränderungen werden nicht aus der gesellschaftlichen Mitte kommen, sondern
müssen von den Menschen vorangetrieben werden, die unter den derzeitigen Zuständen zu leiden
haben.Wir halten viel davon, sich vom Begriff der Erwerbslosigkeit zu verabschieden und stattdessen den
Begriff Prekariat zu benutzen. Dieser beschreibt umfassender unsere derzeitige Situation und um was es bei
Veränderungen gehen muss. Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung hat zumindest in den Punkten
deutlich gemacht, dass wir uns auf eine Zwei-Drittel-Gesellschaft zu bewegen, von denen die Erwerbslosen
ein Teil sind. Somit muss die Aufgabe des zukünftigen Sozialprotestes sein, diese zwei Drittel zu
erreichen und zu solidarisieren. Ob es dem DGB gelingen wird, sich dem Prekariat zuzuwenden bleibt,
abzuwarten, denn diese sehr heterogene gesellschaftliche Schicht hat mit traditionellen Gewerkschaftern
wenig zu tun. Große Teile der sozialen Bewegungen wollen am 2. und 3.Dezember auf der Aktions- und
Strategiekonferenz darüber diskutieren, wie es mit den sozialen Bewegungen weiter gehen kann. Wir
erhoffen uns, dass von dieser Konferenz Impulse für die Solidarisierung und Formen des Widerstands
ausgehen. Grundlage dazu ist der "Frankfurter Appell", dem es aber an konkreten
Handlungsmöglichkeiten bisher fehlte.
Für die IG Metall ist die erste Antwort auf die Frage Wie weiter?, dass sich der Fehler vom
3.April 2004 nicht wiederholen darf. Die Demonstration am 21.10. war nicht das Ende des Protestes für
eine andere Politik, sondern der Anfang. Darum ist es besonders nötig, auch über die
Schwächen zu reden, die deutlich wurden. So ist es den Gewerkschaften nicht im gleichen Maße und
überall gleich erfolgreich möglich gewesen zu mobilisieren. Das gilt gerade auch für die
Bündnispartner. Bei ihnen ist die Kooperation mit den Gewerkschaften, vor allem aber die Aktivierung
ihrer Klientel nur bedingt gelungen. So euphorisch wie im Vorspann ist die Beteiligung des "Blocks
sozialer Opposition" wahrlich nicht zu bewerten. Wir haben allen Grund, miteinander zu analysieren, wo
Gründe für diese Schwächen liegen.
Bei den Mitgliedern und Funktionären
der IG Metall reichen die Einschätzungen für die nächsten Schritte von der Erwartung
bundesweiter, flächendeckender Proteste während der Arbeitszeit bis hin zu Zweifeln an der
Machbarkeit und Nützlichkeit weiterer Aktionen. Mehrheitlich herrscht die Stimmung vor, dass es
weitergehen muss und für Aktionen während der Arbeitszeit ein Vorlauf gebraucht wird.
Konkret geplant werden bundesweite
Protestaktionen während der Arbeitszeit Anfang 2007, davor und zusätzlich Wochen betrieblicher
Aktionen sowie regionale, bezirkliche Aktionskonferenzen zusammen mit Bündnispartnern noch in diesem
Jahr.
Die Initiative für einen
Politikwechsel wird am 10.Dezember in Frankfurt am Main (Gewerkschaftshaus) eine Veranstaltung
durchführen. VertreterInnen von Gewerkschaften und sozialen Initiativen werden dort bereden, welche
nächsten Schritte des Protestes wir gemeinsam gehen wollen.
Wir diskutieren die Mobilisierung zum 21.10. und die Frage, wie es danach weiter gehen soll,
ständig unter dem Blickwinkel der Parallele zu den Großdemonstrationen am 3.April 2004. Das ist
der Maßstab für alle Beteiligten. Damals wurde die Mobilisierung abgebrochen und die Linke hat
DGB-Chef Sommer stark dafür kritisiert, dass er von Sommerpause gesprochen hat und die Dynamik der
Mobilisierung keine Fortsetzung gefunden hat.
Diesmal gab es die feste Verabredung: Das
machen wir nicht wieder so. Diesmal geht es in die Vollen. So ist auch Michael Sommer bei uns in Stuttgart
aufgetreten. Selbstkritisch müssen wir allerdings sagen: Wir haben am 21.10. das Mobilisierungsniveau
vom 3.4. nicht erreicht, es ist uns schwer gefallen, einen großen Mobilisierungserfolg hinzukriegen.
Das erschwert uns auch die Antwort darauf, wie es jetzt weiter gehen soll. Das betrifft alle Beteiligten,
nicht nur die DGB-Spitze, auch die Einzelgewerkschaften bis hinunter in die Landesverbände. Das
hängt zum Teil damit zusammen, dass es zwar eine Riesenempörung über die ganzen sog.
"Reform"vorhaben gibt, aber ganz schwer ein Ansatzpunkt zu finden ist, wo es wirklich eine
Durchsetzungsperspektive gibt. Vom Kündigungsschutz über die Unternehmenssteuerreform, die
Gesundheitsreform, die Rente mit 67 und Verschlechterungen für Hartz-IV-Bezieher haben wir am 21.10.
alles auf die Tagesordnung gesetzt und damit die Bandbreite der Empörung zum Ausdruck gebracht. Aber
es ist nicht klar geworden, wo die Empörung denn machtpolitisch mal auf den Punkt gebracht werden
soll. Darüber diskutieren wir gerade, das zieht sich aber noch ein bißchen.
Ver.di Stuttgart und der Ver.di
Landesbezirk Baden-Württemberg haben sich darauf festgelegt, dass wir uns auf zwei Schwerpunkte
konzentrieren: Gesundheitsreform und Rente mit 67. Ich persönlich finde zwei Themen schon zuviel. Sie
haben eine unterschiedliche Zeitschiene: Bei der Gesundheitsreform ist es im Februar schon soweit, dass sie
im Bundestag abschließend verhandelt wird. Ich bin skeptisch, ob da noch was zu machen ist. Deswegen
wäre es aus meiner Sicht besser, wir verzettelten uns nicht, sondern konzentrierten uns ganz darauf,
die Rente mit 67 zu Fall zu bringen, die 2. und 3.Lesung dafür findet im März im Bundestag statt.
Dafür reichen Unterschriftensammlungen und breit gefächerte Demonstrationen nicht mehr aus;
dafür müssen wir die Frage "politischer Streik" angehen.
Diese Frage wird zumindest bei Ver.di, aber
auch bei der IG Metall immer stärker diskutiert: Was ist ein politischer Streik? Wo gibt es da
juristische Grenzen? Nach dem 21.Oktober steht diese Frage wieder auf der Tagesordnung. Wir versuchen ja,
mit gewerkschaftlichen Mitteln an Vorhaben des Staates heranzugehen, und da ist das Deklamieren der eigenen
Positionen auf öffentlichen Plätzen das eine, aber irgendwann muss man auf den Punkt kommen, und
das kann nur so sein, dass man in den Betrieben eine Erzwingungswirkung zu erzielen versucht.
Der Diskussionsprozess ist im Aktionsbündnis Sozialproteste noch nicht abgeschlossen. Ein
Vorschlag erhält bisher aber Zustimmung von allen Seiten: eine Kampagne gegen Armut 2007. Wir wollen
aufbauen auf der Kampagne gegen Kinderarmut der Koordinierungsstelle der gewerkschaftlichen
Arbeitslosengruppen (KOS) und wir wollen die Lage der ALG-II-Beziehenden und die verschiedenen
Betroffenheiten durch Hartz IV in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken. Wir wollen erreichen,
dass sich die Haltung durchsetzt: Armut kann nicht durch Arbeitszwang abgeschafft werden, nur durch
höhere Regelsätze. Hartz ist Armut per Gesetz, es liegt an den Kürzungen, die müssen
wieder aufgehoben werden.
Der von Peter Grottian ins Gespräch
gebrachte Hungerstreik kann Teil dieser Kampagne sein, da kommt es aber auf das Zusammenspiel der
Bündnispartner an. Genauso sieht es mit den Gewerkschaften aus. Wir wollen den Gesprächsfaden,
der vor dem 21.10. vor allem durch die Initiative von Annelie Buntenbach geknüpft wurde, wieder
aufnehmen und einen neuen Termin anschieben. Wir wollen darüber reden, inwieweit Betriebsversammlungen
während der Arbeitszeit, Arbeitsniederlegungen u.a. für die Gewerkschaften machbar sind und von
uns unterstützt werden können.
G8 und die Euromärsche interessieren
uns in jedem Fall auch. Wir möchten gerne ausloten, ob die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften vor
Ort intensiviert werden kann z.B. zum 1.Mai, dass dies nicht allein eine gewerkschaftliche
Veranstaltung bleibt, sondern eine, die auch von den sozialen Bewegungen getragen wird: Gewerkschaften und
Erwerbslose gemeinsam.
Wir wollen Erwerbslose qualifizieren, dass
sie Beratungsarbeit für ALG-II-Beziehende machen können; wir wollen dafür mit der BAGSHI,
der KOS usw. kooperieren. Wir müssen klären, wie vor Ort mit Unterstützung von
Gewerkschaften, linken Parteien u.a. eine geeignete Infrastruktur dafür geschaffen werden kann.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
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