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Eine andere
Welt ist möglich diese Parole wird den Krisen der Globalisierung entgegengesetzt. Wolfgang
Schaumberg unternimmt mit seiner Broschüre den Versuch, diese "mögliche" Welt ein
Stück in die bestehende hinein zu holen, um anhand seiner Erfahrungen jahrelanger Arbeit in der
Automobilindustrie Schaumberg war lange Zeit Betriebsratsaktivist bei Opel Bochum
aufzuzeigen, wie sich arbeitende Menschen einer anderen Welt annähern. Der große Vorteil seines
Ansatzes ist dabei die Zusammenführung von oft ganz getrennten Ebenen. Was lernen wir in der
täglichen Arbeit im Betrieb? Was haben wir von daher für Forderungen und Vorstellungen für
die Zukunft? Was lernen wir aus der Lektüre kritischer, antikapitalistischer Bücher oder bei
theoretischen Debatten? Und wie bringen wir dies mit anderen Menschen in eine gemeinsame
gesellschaftsverändernde Praxis?
Er kennt die Mühen der Ebenen, wenn es
im Betrieb gegen die Standortlogik des Kapitals geht. Er weiß, wie die Betriebsratsmehrheit oft genug
dem Gegner auf den Leim geht, und dass nicht wenige der Standardargumente "moderner"
Spitzengewerkschafter genau das Gegenteil jener internationalen Solidarität befördert, die im
Angesicht der Globalisierung dringend erforderlich wäre. Aber es geht Schaumberg um mehr als
prinzipielle Alternativen in Betrieb und Gewerkschaft. Er erläutert, wie anhand der Umbrüche in
der Produktion (am Beispiel der Autoindustrie) auch andere Fähigkeiten und Möglichkeiten der
Beschäftigten gefordert und ermöglicht werden, die zu nutzen seien für eine andere Welt,
eine andere Gesellschaft. Dabei greift er sowohl auf die Erfahrungen der Gruppenarbeit (und den dort
vorhandenen wenigen Ansätzen von Demokratie im Betrieb) zurück als auch auf Erfahrungen mit Open-
Source-Informatikern und ihrer Vorstellung von offener Verfügungsmacht über das, was man
erarbeitet hat.
Schaumberg ordnet die Kämpfe der
Automobilarbeiter unter denen die der Opel-Beschäftigten aus Bochum herausragen den
weltweiten neueren Bewegungen zu. Und er weist nach, dass sich die Widersprüche des Kapitalismus trotz
aller strukturellen Änderungen auch weiterhin massiv in den produzierenden Betrieben und den
Köpfen der dort Beschäftigten abspielen. Deswegen müsse man auch dort die Ansätze einer
Aufhebungsbewegung suchen. Das Fragezeichen im Titel weist dabei auf offene Debatten und Fragestellungen
hin.
Er widmet sich u.a. auch den Erfahrungen
der argentinischen Kollegen der Keramikfabrik Zanon, die seit Oktober 2001 den Betrieb besetzt haben und
dort weiter produzieren, zitiert sie ausführlich und sagt: "Konzentrieren wir uns hier auf die
Frage nach den neuen, bewusstseinsverändernden Erfahrungen und den Möglichkeiten, die sich daraus
für die gemeinsame Entwicklung der Vorstellung einer anderen Produktionsweise ergeben." Und eine
seiner Schlussfolgerungen lautet entsprechend: "Wir hätten die Chance, in der Politik, in der
Organisation unseres Zusammenlebens überall mitreden zu können. Wir alle sind Mitglieder der
Gesellschaft, leben auf lokaler, regionaler und globaler Ebene miteinander verbunden. Wir konsumieren alle,
vom ersten Atemzug bis zum letzten. Wir erarbeiten die nötigen und gewünschten Güter und
Dienstleistungen arbeitsteilig gemeinsam. Wir können unsere Erfahrungen, Interessen und Wünsche
miteinander besprechen. Warum sollten wir mit Hilfe aller von uns erarbeiteten Techniken nicht in der Lage
sein, planmäßig abzusprechen, was jeder und jede von uns benötigt und gerne bekommen
möchte, und dass dann Geld eigentlich gar nicht nötig wäre? Und was und wie wir das auf
lokaler Ebene herstellen und verteilen können und welche Güter und Dienstleistungen
sinnvollerweise Absprachen und Herstellung auf regionaler oder internationaler Ebene erfordern? Sozusagen
würden wir alle im Bewusstsein, gesellschaftlich zusammenzuleben, zu selbstbewussten
Politikerinnen und Politikern werden können."
Größe und Grenzen seiner Arbeit
finden sich in seinem Zitat eines anderen Diskutanten: "Unser Herangehen ist eines, das sich
traditionell dem Vorwurf des Eklektizismus aussetzt: Aber angesichts des Scheiterns der
traditionellen linken Großansätze und der zunehmenden Uneinheitlichkeit diverser Lebenswelten
trotz (oder wegen) weltweiter kapitalistischer Gleichmacherei ist die Suche nach dem
Richtigen in den verschiedenen Ansätzen für eine Neukonstitution antikapitalistischer Bewegung
unseres Erachtens geradezu Grundbedingung."
Rolf Euler
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