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Gleich zwei international besetzte Konferenzen zum Nahostkonflikt fanden
Anfang/Mitte November in Berlin statt.
Am ersten Wochenende des Monats hatte die Bundestagsfraktion der Linkspartei zusammen mit der Rosa-
Luxemburg-Stiftung zu einem dreitägigen "Dialog für Frieden und Gerechtigkeit im Nahen
Osten" eingeladen. Bereits im Vorfeld der Konferenz hatte es Probleme gegeben. So hatten einzelne
Vertreter der Linkspartei eine angeblich allzu israelkritische Haltung der Organisatoren kritisiert. Vor
allem aber war es die deutsche Bundesregierung, die durch die Verweigerung eines Visums für Rasi
Hamad, den Sprecher der palästinensischen Regierung sowie für eine Aktivistin der PFLP den
Veranstaltern Knüppel zwischen die Beine warf. Trotzdem gelang es in Berlin, israelische,
palästinensische und europäische Aktivistinnen und Aktivisten in beispiellos großer Zahl
zusammenzubringen.
In der Eröffnungsdiskussion dominierte die Frage nach der Rolle Europas im Nahostkonflikt. Francis
Wurtz, Vorsitzender der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke
(GUE/NGL) im Europäischen Parlament, nannte drei Aufgaben, denen sich die EU im Nahostkonflikt stellen
müsse: die "Rettung" von Gaza durch eine sofortige Wiederaufnahme der finanziellen Hilfen,
ein Eintreten für die sofortige Öffnung der von Israel kontrollierten Grenzen zu den besetzten
Gebieten und schließlich, auf internationaler Ebene, ein Eintreten für die Rückkehr zu
internationalem Recht und die Durchsetzung der den Nahostkonflikt betreffenden UNO-Resolutionen seit 1967.
Yossi Ben Bassat von der israelischen Meretz-Partei forderte gar, sowohl Israel als auch Palästina
sollten innerhalb der nächsten zehn Jahre Mitglieder der EU werden. Und Aref Hajjaj, Vorsitzender des
Palästinaforums Deutschland, bedauerte das Scheitern der Europäischen Verfassung, weil hierdurch
eine gemeinsame Außenpolitik der EU erschwert werde.
Soviel Europabegeisterung konnten in der
anschließenden Diskussion freilich nicht alle Teilnehmer aufbringen. So betonte sowohl Gershon Baskin
vom Israelisch-Palästinensischen Forschungs- und Informationszentrum IPCRI wie auch der bekannte
Friedensaktivist Uri Avnery von Gush Shalom, die Lösung des Konflikts müsse aus der Region selbst
kommen. "Wer Hoffnung auf Europa setzt, ist ein größerer Optimist als ich", so Avnery
wörtlich.
Diesen Gedanken vertiefte Avnery am
nächsten Tag. Es gebe zwei Arten von Frieden, einen Frieden der Regierungen, der seinen Ausdruck in
Verträgen und ähnlichem finde und der allem voraus gehen müsse, und einen Frieden der
Völker, ohne den eine wirkliche Beilegung des Konflikts letztlich nicht möglich sei. Im Grunde,
so Avnery, seien die Konturen des Friedens völlig klar: eine Zweistaatenlösung mit einem
souveränen Staat Palästina, Jerusalem als gemeinsame Hauptstadt ohne physische Trennung der
beiden Stadthälften, Auflösung der Siedlungen, Wiedergutmachung oder Rückführung
für die palästinensischen Flüchtlinge und schließlich die Bildung eines Komitees
für Wahrheit und Versöhnung. Auf Deutschland und Europa sei er nur wütend, sagte Avnery.
Während der israelischen Aggression gegen den Libanon im Sommer dieses Jahres hätten sie sich dem
US-amerikanischen Druck gebeugt, anstatt einen sofortigen Waffenstillstand zu fordern.
Scharf kritisierte er auch die Einstellung
der europäischen Zahlungen an die palästinensische Regierung und den Einsatz deutscher Soldaten
im Nahen Osten. Deutschland solle gefälligst die Friedenskräfte in der Region unterstützen
und sonst nichts.
Wie weit sich einige Kräfte der
israelischen Friedensbewegung inzwischen von ihren ursprünglichen Positionen entfernt haben, wurde im
Vortrag von Yariv Oppenheimer (Peace Now) deutlich. Trotz des Rückzugs der israelischen Armee aus Gaza
sei es zu keinem Frieden gekommen. Gleiches sei auch für die Westbank zu befürchten. Die
hermetische Abriegelung der besetzten Gebiete durch die israelische Armee und die fortwährende
Siedlungstätigkeit erwähnte Oppenheimer allerdings mit keinem Wort. Friedensverhandlungen, so
fuhr er stattdessen fort, seien derzeit nicht möglich, sie würden nur zu einer weiteren
Eskalation führen.
Michael Warschawski ordnete in seinem
Vortrag den Kampf in Palästina in den Kontext des globalen Krieges der USA ein. Die neokonservativen
Kräfte, die 1996 in Israel mit Netanyahu und 2000 in den USA mit Bush jr. an die Macht gekommen seien,
verfolgten ein Projekt der neokolonialen Neuordnung der Welt. Die Genfer Konvention sei in den neuen
Kriegen dabei faktisch nicht mehr gültig, das Verbot der Folter aufgehoben. Israel habe hier eine
Vorreiterrolle und diene zudem als eine Art Laboratorium. So sei das Vorgehen der US-Arme im irakischen
Fallujah von den Israelis bereits in den besetzten Gebieten geprobt worden. Notwendig sei, so Warschawski,
ein Zusammengehen der internationalen Antikriegsbewegung und der Bewegung gegen die neoliberale
Globalisierung.
War beim "Dialog für Frieden und Gerechtigkeit" das Gespräch der unterschiedlichen
israelischen und palästinensischen Kräfte an sich bereits ein Erfolg, so orientierte sich die
zwei Wochen später stattfindende Konferenz "Weg mit der Mauer in Palästina"
stärker auf die Entwicklung ganz konkreter Interventionsmöglichkeiten der
Solidaritätsbewegung.
Auch hier hatte man internationale
Referentinnen und Referenten eingeladen. Und auch hier hatte die Bundesregierung eine Visumserteilung
verweigert. Diesmal glaubten die deutschen Behörden Janet Michael, die Bürgermeisterin von
Ramallah, nicht einreisen lassen zu dürfen. Aber dies hinderte die nach Angaben der Veranstalter (Pax
Christi, IPPNW, Deutsch-Palästinensische Gesellschaft und andere) rund 200 Teilnehmer der Konferenz
nicht an einer engagierten und lebhaften Debatte.
Zunächst diskutierten Fathi Khdirat
von der Palästinensischen Kampagne gegen die Apartheidmauer, Jeff Halper vom israelischen Komitee
gegen Häuserzerstörung sowie Gilbert Achcar und die palästinensische Aktivistin Jamalat Abou
Youssef über die deutsche und europäische Politik in der Region, wobei erneut die globale
Dimension des Konflikts betont wurde. So verwies z. B. Halper auf die enge Verquickung der israelischen
Hightechforschung mit der europäischen und amerikanischen Rüstungsindustrie. Hieran
anschließend referierte Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische
Studien (BITS) teils sehr detailreich über die schon bald nach der Gründung der beiden Staaten
einsetzende Rüstungskooperation zwischen der BRD und Israel.
Abschließend rückte Fanny-
Michaela Reisin von der Initiative European Jews for a Just Peace (ECCP) wieder die Aufgaben der
Solidaritätsbewegung in den Mittelpunkt. Angesichts des Scheiterns aller bisherigen Versuche, Druck
auf die israelische Regierung auszuüben, so Reisin, müsse man nun zu einem "letzten
Mittel" greifen und zu einer europäischen Kampagne des Boykotts, des Investitionsstopps und der
Sanktionen gegen Israel aufrufen.
Harald Etzbach
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