SoZ - Sozialistische Zeitung |
Dass die Linke weniger liest denn je,
darüber beschweren sich nicht nur die Bücherhändler und Zeitungsmacher. Am Medium selbst
kann es kaum liegen, denn auch der Markt für linke Ton- und Filmträger, sprich: CDs und DVDs, ist
noch immer bemerkenswert übersichtlich. Über die fast unvermeidlichen linken Vordenker à la
Theodor W. Adorno und Ernst Bloch scheint der Markt kaum hinauszukommen. Umso verdienstvoller, wenn sich
mediale Einzelkämpfer mit dem nötigen technischen Knowhow auf die Spuren eines Guido Knopp
begeben und Stück für Stück Zeitzeugen der etwas anderen Art heimsuchen.
Bereits vor zehn Jahren sprach ich bspw.
mit einem Filmemacher, dass es doch an der Zeit wäre, einen biografischen Film über Jakob Moneta
zu drehen. Das scheiterte damals nicht nur an der nötigen Infrastruktur und einer mangelnden
Hartnäckigkeit der Diskutanten, sondern auch an jener falschen Bescheidenheit, mit der Menschen wie
Jakob jahrelang auf solche Ansinnen reagiert haben. Umso verdienstvoller ist nun, dass Jürgen Hinzer,
Horst Gobrecht und Juri Hälker nicht locker gelassen und Moneta vor die Kamera gesetzt haben.
Moneta, den man dem SoZ-Publikum wirklich nicht mehr vorzustellen braucht, ist eine der schillerndsten
Gestalten der westdeutschen Gewerkschaftsbewegung sicherlich der bekannteste deutsche
Nachkriegstrotzkist, den die meisten jedoch nicht als solchen kennen, sondern als ehemaliges SPD- und
späteres PDS-Mitglied, als Chefredakteur der großen IG-Metall-Zeitschriften Metall und Der
Gewerkschafter. Als Jude will sich der überzeugte Radikalsozialist zwar bekennen, solange es
Antisemitismus gibt. Doch eigentlich, das hat er immer wieder deutlich gesagt, versteht er sich als
Internationalist.
Schon oft und immer wieder gern hat er aus
seinem bewegten Leben erzählt. Nun kann man sich wenigstens ein paar dieser erhellenden Anekdoten per
DVD zu Gemüte führen. Und auch wenn das Budget der Filmemacher leider nicht mehr hergab als das
Draufhalten der Kamera, sprich: ein Stück weitgehend ungefilterter Erinnerungsarbeit ohne
kommentierende und dokumentierende Einordnung, so ist auch dies reichlich beeindruckend und auf angenehme
Weise belehrend. Wie er von seinen politischen und gewerkschaftlichen Kämpfen im Palästina der
30er Jahre erzählt, von seiner Orientierung auf einen nichtzionistischen binationalen Staat und der
gemeinsamen politischen Praxis von Arabern und Juden ist genauso aktuell wie Monetas Berichte über den
französischen "Anti-Terror-Kampf" gegen die Aktivisten der algerischen Befreiungsbewegung
der 50er Jahre, als es sich der französische Staat nicht nehmen ließ, Algerier in Deutschland
gezielt zu ermorden.
Mit Verve erzählt er von seinen
Erfahrungen als Gewerkschaftsredakteur, von den Grabenkämpfen in der IG Metall der 70er Jahre und
seiner Ablehnung der in die auch ideologische Korruption führenden Mitbestimmungsorgane der
Sozialpartnerschaft. Noch heute gibt er sich betont optimistisch und fest überzeugt, dass auch
"die Leute" bald merken werden, dass es nicht reicht, nur seinen eigenen Arbeitsplatz auf Teufel
komm raus zu verteidigen. Und dann? Dann werden wieder die Bedürfnisse der Menschen zum Kriterium des
Wohlbehagens und Fortschritts und nicht mehr die Gesetze von Profit und Konkurrenz.
Etwas verhaltener optimistisch gibt sich auch Arno Klönne auf einer DVD, die eine Veranstaltung des
Linken Forums Paderborn dokumentiert, die dieses anlässlich des 75.Geburtstages Klönnes im
vergangenen Frühling organisierte.
Auch hier hält die Kamera bloß
drauf, doch der Rahmen ist ein anderer. Hier erzählt einer vor öffentlichem Publikum von seinen
politischen Erinnerungen und Erfahrungen, die so gänzlich anders verlaufen sind als die Monetas, dort
der internationalistische jüdische Weltbürger nicht nur politisch, sondern auch sprachlich
zuhause in mehreren Kontinenten. Hier der Paderborner Jung, dessen Jugend vom deutschen Faschismus
und der unmittelbaren Nachkriegszeit geprägt wird, der im katholischen Milieu Westfalens groß
wird und über die bündische Jugend Anschluss an die emanzipatorischen und v.a.
antimilitaristischen Traditionen der Weimarer Zeit fand und diese in den restaurativen Zeiten des Adenauer-
Regimes weiter trug. Persönliches erfahren wir eher wenig Klönne bekennt sich offen zu
jenem Traditionalismus, dem das Private nicht automatisch politisch ist. Dafür erfahren wir viel
über die Politik und Kultur der Zeit vor 1968, über deren Antikommunismus und das historisch Neue
der Ostermarschbewegung. Und wir erfahren, dass die westfälische Provinz, in der Klönne groß
geworden ist und in die er nach den Umwegen seiner akademischen Ausbildung offensichtlich gerne wieder
zurückgekehrt ist, alles andere als langweilig oder politisch unbedeutend war. Seine Ausführungen
über den im Westfälischen besonders tief verwurzelten Katholizismus dem auch er
eingestandenermaßen nicht entkommen konnte und dessen linkskatholische Ränder sind ein
erfrischendes Stück Aufklärung. Mit Leben gefüllt wird die Veranstaltung zudem durch die
Gitarren- und Gesangsperformance von Eckhard Radau, der Lieder von Erich Kästner, Boris Vian,
Ferdinand Freiligrath und anderen zum Besten gibt nicht selten mit direktem Bezug zu Paderborn, und,
ich geb es freimütig zu, nicht gerade etwas für Liebhaber der Rock- und Popmusik wie mich.
Und weil die Zeitreise nach 68
reichlich abrupt endet, wird im "Bonusmaterial" auch noch kurz die heutige Situation
nachgetragen. Viel zu kurz für mein Empfinden, denn gerade in den letzten zehn Jahren hat Klönnes
Wirken eine neue Ebene erklommen.
Wie kein anderer hat er seitdem (in
Beiträgen und Büchern) die großen Linien der deutschen Politik in ihrem Zusammenhang
analysiert, jene unheilige Trias von Enttabuisierung des Militärischen nach außen, von
neoliberalem Sozialdarwinismus nach innen und der mit beidem aufs engste verbundenen schleichenden
Entdemokratisierung eines vermeintlich sozialen und demokratischen Rechtsstaates. Unvergessen, wie er
(nicht nur, aber zumeist in Ossietzki) die entdemokratisierenden und entpolitisierenden Mechanismen der
Mediendemokratie aufgezeigt und die Transformation der großen etablierten Parteien, vor allem
natürlich der sozialdemokratischen, zum verfassungswidrigen Kanzlerwahlverein aufs kritische Korn
genommen hat. Unvergessen und aktuell aber auch, wie er die linken Illusionen in den herrschenden
Parlamentsbetrieb entlarvt hat bspw. Anfang 2002, als er an Petra Paus Kommentaren zur "rot-
roten" Senatsbildung in Berlin aufzeigte, wie sich hier eine Logik Bahn bricht, der es einzig noch
darum gehe, "regierend ein paar Krumen vom Tisch der Mächtigen abzubekommen". Wie kein
anderer verbindet Arno Klönne diese Analyse der großen Linien der deutschen Politik auch mit dem
praktischen Engagement eines souverän über den Strömungen der deutschen Linken stehenden
Propagandisten eines neuen linken Aufbruchs.
So ist Klönne auch in eine Rolle
gerutscht, die er jüngst an seinem akademischen Lehrer Wolfgang Abendroth gerühmt hat, denn heute
ist es Klönne, der den linken Politikanalytiker in der Tradition der Arbeiter- und
Gewerkschaftsbewegung gibt; der die Entschiedenheit in der (antikapitalistisch-sozialistischen) Sache mit
einem freundlichen Umgang ebenso mischt wie die Schärfe des politischen Geistes mit der Ablehnung
jeder Effekthascherei; der Theorie und Praxis nicht auseinander gerissen hat und politische Wirksamkeit in
Gewerkschaften, Parteien und sozialen Bewegungen mit der Mitarbeit in publizistischen Projekten und linken
Kleingruppen verbindet; der beschränkte Sichtweisen ebenso kritisiert wie Scheinradikalitäten;
der die Bürokratisierung linker Organisationsformen ebenso zu überwinden trachtet wie die
rechthaberische Isolation im gesellschaftlichen Gegen-Ghetto.
Es wäre wert gewesen, diesen seinen
Kampf gegen die unheilige Trias von Enttabuisierung des Militärischen nach außen, von
neoliberalem Sozialdarwinismus nach innen und der mit beidem aufs engste verbundenen schleichenden
Entdemokratisierung, auch auf der DVD stärker fortzusetzen, und in Beziehung zu setzen mit der
Geschichte jener Neuen Linken, deren integraler Teil Klönne war und ist. Nicht zuletzt, weil sich hier
wie in jenem von Radau intonierten Tucholsky-Lied das Gestern und das Morgen kräftig
mischen. Eine DVD also, die nach einer Fortsetzung geradezu schreit...
Christoph Jünke
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