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Menschen kamen am 11./12.November zum 2.bundesweiten Vorbereitungstreffen für die Proteste gegen den G8-Gipfel
in Rostock zusammen darunter zahlreiche Gäste überwiegend aus dem europäischen Ausland, von denen
viele ein Wochenende zuvor in Frankfurt am Main am Vorbereitungstreffen für das nächste Europäische
Sozialforum teilgenommen hatten. Das war viel und doch noch zuwenig.
Zuwenig war es vor allem gemessen an den Erwartungen, die die Organisatoren selber pflegen: Nach eigenem Bekunden
wollen sie mindestens 100000 Menschen zur Großdemonstration am 2.Juni nach Rostock bewegen; in den Tagen danach ist
ein Camp für 10000 Menschen "zur Übernachtung und als Rückzugsmöglichkeit" geplant, auf die
man auch hofft, um die "rote Zone" um Heiligendamm einzukreisen und die Verkehrswege zu blockieren. Die rote
Zone besteht aus einem 13 Kilometer langen und 2,50 Meter hohen Zaun um Heiligendamm, der noch gebaut wird. Der
Willkür sind allerdings keine Grenzen gesetzt: auf den 22 Kilometer, die Heiligendamm von Rostock trennen, lassen
sich noch viele No-go-Areas einrichten.
Zusammensetzung und Beschaffenheit des Bündnisses,
das bislang zur Organisierung der Gegenaktivitäten zusammen gekommen ist, steht in krassem Gegensatz zu den hoch
gespannten Erwartungen. Zwar reicht es von "Erlassjahr", örtlichen Pastoren, der DGB- und der IGM-Jugend
über Attac, die verschiedenen Zweige der Friedensbewegung, die Initiative Freie Heide bis hin zu den
Euromärschen, Euromayday, die Interventionistische Linke und verschiedene Schattierungen des autonomen Spektrums,
die sich zum Bündnis "Dissent!" zusammengetan haben. Aber erstens fehlen noch wichtige gesellschaftliche
Bereiche: die Gewerkschaften, die Umweltbewegung, die Drittweltbewegung, Migrantenverbände, ein nennenswerter Teil
der Kirchen...
Breiter gesellschaftlicher Protest sieht anders aus;
zweifelsohne ist der Anteil derer, die ob der Politik der G8 Wut im Bauch haben, bedeutend größer, als dies
bisher in der Bandbreite des Bündnisses zum Ausdruck kommt. Wird es gelingen, den großen Teil von ihnen zum
Protest gegen die G8 zu mobilisieren? Dann würden die G8 tatsächlich "delegitimiert", wie das
erklärte politische Ziel der Aktionen lautet.
Zweitens aber ist das Hauptproblem, dass es im
vorbereitenden Bündnis über Ziel und Schwerpunkt der Mobilisierung keine politische Debatte gibt. Die gab es
auch in Rostock nicht, die Anwesenheit der Partner aus dem Ausland wurde nicht genutzt herauszuarbeiten, was die
gemeinsame Botschaft des europäischen Protests sein soll. Rostock II war angekündigt als "internationale
Aktionskonferenz" zur Vorbereitung einer Mobilisierung, die die Versammlung sozialer Bewegungen auf dem ESF in Athen
beschlossen hat. Der Austausch über die gemeinsamen Ziele fand jedoch nicht statt. Der bundesdeutsche
Vorbereitungskreis präsentierte die bisherigen Planungen zu Einzelvorhaben, die Gäste aus dem Ausland konnten
sich dazu verhalten. Sie blieben Gäste und sind bisher nicht gleichberechtigt in die Planungen einbezogen.
Die Planungen verraten eine alte Krankheit der Linken:
Man weiß, dass man zusammenarbeiten muss, soll die Mobilisierung halbwegs erfolgreich sein. Aber zwischen dem
Dissent-Spektrum und den NGOs klaffen tiefe Unterschiede hinsichtlich der Vorstellungen über die Mobilisierung. Wo
die einen mit Massenblockaden am Zaun den G8 real in seinem Ablauf mindestens stören wollen und hoffen, den Effekt
von Seattle zu wiederholen, konzentrieren die anderen sich auf einen Alternativgipfel in der Mitte der Woche, lange nach
der für den 2.6. geplanten Großdemonstration und exakt parallel zum offiziellen Gipfel, in der Hoffnung, etwas
von der Medienaufmerksamkeit, die der erstere genießt, auf sich lenken zu können.
Die Blockierer sind darauf angewiesen, möglichst
massiv aufzutreten. Da aber der Rückhalt für die Anti-G8-Proteste in der Region bisher vorsichtig
formuliert sehr zurückhaltend ist, und da die meisten, die zur Großdemonstration am Samstag kommen,
wahrscheinlich nicht bis Mittwoch bleiben können, um an einer Blockade teilzunehmen, sehen sich die Blockierer
gedrängt zu verlangen, dass der Alternativgipfel nicht zeitgleich mit den Blockaden stattfindet ein Ding der
Unmöglichkeit, wenn beides parallel zum offiziellen Gipfel stattfinden soll.
Aus dem Trägerkreis des Alternativgipfels waren
wesentliche Organisationen gar nicht in Rostock anwesend: die IG Metall z.B. oder der BUND... Deren Zeitplan, den
Gegengipfel auf die Tage Mittwoch und Donnerstag zu legen, verriet wiederum, dass bisher nicht daran gedacht ist, den
Alternativgipfel als Teil eines Mobilisierungskonzepts zu verstehen, das wesentlich von Straßenprotesten getragen
wird.
Die Kirchen wiederum und die ihnen angeschlossenen NGOs
haben für Donnerstag nachmittag ein Großkonzert mit Herbert Grönemeyer angesetzt, zu dem Jugendliche aus
der ganzen BRD mit Bussen anfahren. Sie stehlen auf diese Weise der Protestbewegung die Schau ähnlich wie
1999 mit der Menschenkette der Erlassjahrkampagne.
Die Situation war bereits verfahren, als die Konferenz
begann, der Streit zwischen Blockierern und NGOs (um es vereinfacht auszudrücken) schien unüberbrückbar.
Etwas Bewegung kam in die Sache, als die Partner aus dem Ausland forderten, der Gegengipfel müsse bereits am Sonntag
beginnen, denn sie kämen nicht nur zum Demonstrieren, sie wollten auch mit uns diskutieren. Dem wurde dann
nachgegeben (siehe Kasten), der jetzt gefundene Kompromiss löst aber das Problem nicht. Denn nach wie vor werden in
der Mitte der Woche nicht die benötigten Menschenmassen für Blockadeaktionen bereit stehen, und die
Mobilisierungsbasis ist insgesamt zu schwach.
Es bleibt also kein anderer Weg als die politische
Debatte nachzuholen. Der bisher von allen Seiten gepflegte Opportunismus: "Wir haben sehr unterschiedliche, zum Teil
auch sich ausschließende Vorstellungen, aber wir tun uns gegenseitig nicht weh jeder macht seins",
funktioniert nicht. Am Ende muss doch ein gemeinsamer Ablauf verabredet werden, und da greift das eine ins andere.
Die Kunst besteht darin, die politischen Differenzen
auszutragen, nicht um die Aktionen der anderen schlecht zu machen, sondern über die Einzelaktion hinaus einen
gemeinsamen Nenner zu finden. Dazu müsste man sich zumindest auf folgende Aspekte einigen können:
Erfolg kann es nur geben, wenn die Mobilisierung so
breit wie möglich ist.
Die Parole "Die G8 delegitimieren" reicht
nicht als gemeinsamer Nenner, weil damit viele ausgegrenzt sind, die nicht von vornherein eine Anti-G8-Haltung haben (und
das ist der größte Teil der Bevölkerung im Westen wie im Osten).
Das bedeutet, wir müssen einen inhaltlichen
Schwerpunkt suchen, der zentral mit den G8 identifiziert wird und so umfassend ist, dass viele Aspekte darunter
subsumiert werden können. Die Infragestellung des "Krieges gegen den Terror" könnte so ein
Schwerpunkt sein. Darunter lässt sich die Kritik an der Kriegspolitik der USA ebenso subsumieren wie die
Auseinandersetzung mit der Umwandlung der EU in eine neue Militärmacht (Neuauflage der Verfassung!) und die
Forderung nach sofortigem Rückzug der deutschen Truppen von Auslandseinsätzen bis hin zum Kampf gegen
das Bombodrom und den Ausbau des Rostocker Flughafens zu einem militärischen Stützpunkt.
Von der lokalen bis zur internationalen Ebene lassen sich
so die verschiedenen Aspekte des "Kampfes um eine neue Weltordnung" sehr gut integrieren. Die Aktualität
steht eh außer Frage. Und "weichere" Themen wie Energiesicherheit, Migration, globale soziale Rechte,
Patentrechte, Entschuldung usw. lassen sich problemlos zuordnen. Wenn es uns gelingt, hierzu eine breite europäische
Mobilisierung zustande zu kriegen und damit unsere Sichtweise der Dinge öffentlich zum Thema zu machen, sind wir in
der Delegitimierung der G8 ein Stück weiter.
Wir tun gut daran, uns in den Aktionen des zivilen
Ungehorsams nicht zu verzetteln je mehr es sind, desto kleiner werden sie. Die Blockade von Rostock-Laage scheint
bisher diejenige, die inhaltlich am besten ausgewiesen ist und den größten Rückhalt in der Region hat.
Zwischen dem Alternativgipfel und den direkten
Aktionen muss es eine Verzahnung geben: was bei den einen geschieht muss bei den anderen diskutiert werden können.
Einen reinen NGO-Gipfel wird es nicht geben können.
Angela Klein
Das nächste bundesweite Vorbereitungstreffen findet
am 4.12. von 11 bis 17 Uhr in Hannover im Raschplatzpavillon statt.
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