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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2007, Seite 06

Das Unrecht das bleibt

Nur 10000—20000 bekommen eine Chance durch das veränderte Bleiberecht

Endlich, nach jahrelangen Kampagnen, zähen Verhandlungen und einem gescheiterten Zuwanderungsgesetz sollten die Innenminister Ende November eine bleibende Regelung für die rund 200000 in Deutschland lebenden geduldeten Flüchtlinge finden. Doch statt den erstrebten Durchbruch zu erringen, fanden die Innenminister erst recht wieder eine Regelung, die lediglich für 10000—20000 der Betroffenen wirklich von Nutzen ist.
Wie sieht diese Regelung aus? Ein Aufenthaltsrecht erhalten nur diejenigen Flüchtlinge, die einen festen Arbeitsplatz haben und sich seit sechs Jahren in Deutschland aufhalten, Alleinstehende müssen sogar schon acht Jahre hier sein. Der Stichtag dafür ist der 17. November 2006. Außerdem, so der bayrische Innenminister Beckstein, dürfen sie in der Vergangenheit nicht "in trickreicher Weise" ihren Aufenthalt hinausgezögert haben oder Verbindungen zu terroristischen Gruppen unterhalten.
Das trifft laut Pro Asyl nur auf rund 10000 Geduldete zu. Denjenigen, die alle Bedingungen außer dem festen Arbeitsplatz erfüllen, wird bis 30. September 2007 eine Gnadenfrist für die Arbeitsuche gewährt. Dabei hatten Arbeitsminister Müntefering und Innenminister Schäuble vorgeschlagen, den Geduldeten eine auf zwei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis zu gewähren und ihnen so eine reelle Chance bei der Arbeitssuche zu geben.
Der Status "Duldung" ist eigentlich kein Status, will heißen Aufenthaltsstatus. Denn Duldung bedeutet, dass die bereits entschiedene Abschiebung hinausgeschoben wird. Diese kann nicht erfolgen, weil im Heimatland immer noch Krieg herrscht oder Folter droht bzw. die Ursprungsländer die Flüchtlinge nicht wieder aufnehmen wollen. Konkret bedeutet der "Non-Status" Duldung, dass man das Bundesland, in vielen Fällen sogar den Landkreis nicht verlassen darf. Geduldete dürfen zur Schule gehen, jedoch nur selten eine Ausbildung absolvieren. Obwohl dieser Non-Status für Arbeitgeber nicht sehr attraktiv ist, weil er für die maximale Dauer von 3 Monaten bis runter zu 24 Stunden ausgestellt wird, finden Geduldete häufig Arbeit. Dennoch wird in den seltensten Fällen die Arbeitserlaubnis erteilt, weil meistens ja schon die Abschiebung bevorsteht. Geduldete kommen mit Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz über die Runden, das sind ca. 75% der Sozialhilfe.
Rund ein Viertel aller geduldeten Flüchtlinge lebt in Nordrhein-Westfalen. Viele sind schon zehn Jahre oder länger hier, haben Kinder die hier geboren wurden, die häufig die Sprache der Eltern nicht mehr sprechen und voll im deutschen Alltag integriert sind. Die Rollen kehren sich um, oft sind es die Kinder und Jugendlichen, die die Familien aufrechterhalten. So erzählt der 16- jährige Kurde Sener, wie er nachts aufsteht, um sich um seinen selbstmordgefährdeten Vater zu kümmern, der immer noch unter den Folgen der erlittenen Folterungen leidet.
Aber allein die Tatsache, ständig mit der Angst vor Vertreibung leben zu müssen, führt häufig zu Depression, Resignation bis hin zur Selbstmordgefährdung. Ein Leben in der Warteschleife, ohne die Möglichkeit, Perspektiven zu entwickeln. "Meine Schwester will Polizistin werden", erzählt die junge Albanerin Shyrete, "aber dazu bräuchte sie die deutsche Staatsbürgerschaft. Aber Lebensträume, sind wohl im Moment nicht erlaubt."
Unverständlich ist daher die nunmehr verabschiedete vorgebliche Lösung des Problems der sogenannten "Kettenduldungen", die keineswegs aus humanitären Gründen gefunden wurde, sondern um EU-Richtlinien zu erfüllen.
Während in Berlusconis Italien fast 700000 Irreguläre legalisiert wurden, gibt man hierzulande dauerhaft weniger als 200000 voll integrierten und sich heimisch fühlenden Menschen keine Chance. Und das, obwohl in sehr vielen Fällen das unmittelbare Umfeld sich sehr engagiert für die Geduldeten einsetzt. In vielen Fällen sind dies normale Bürger, die damit konfrontiert werden, dass die Klassenkameradinnen ihrer Kinder von einem Tag auf den anderen vertrieben werden.
Nach und nach setzen nun die Bundesländer die Regelung um. Anfang Dezember erhielt ein Afghane die Aufenthaltserlaubnis in Hamburg. Der 25-jährige Fawad Karbasi ist seit acht Jahren hier und fest bei einem Pizza-Service angestellt. Vielfach wurde das Vakuum vor der neuen Regelung dazu benutzt, noch einmal hart durchzugreifen und mehr Abschiebungen als gewöhnlich durchzuführen.

Angela Huemer



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