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Der mexikanische Regisseur Iñárritu zeigt mit seinem neuen Film Babel, dass ihn sein Wechsel in die USA nicht zu einem Mainstream-Filmemacher
gemacht hat. Auch der Auftritt von Stars wie Brad Pitt und Cate Blanchett kann den eigenwilligen Stil des Regisseurs, den er erstmals in seinem Erstling Amores
Perros unter Beweis gestellt hat, nicht verändern. Auch in Babel verbindet ein Ereignis mehrere Geschichten. War es in Amores Perros ein Autounfall, so
ist es in Babel ein in Marokko abgegebener Schuss, der die Schicksale von verschiedenen Menschen in Marokko, Japan, den USA und Mexiko, die sich
überwiegend untereinander nicht kennen, verbindet.
Alle erzählten Geschichten sind tragisch, nur gelegentlich blitzt etwas Humor auf, z.B.
bei der Darstellung einer Hochzeitsfeier in Mexiko. In Marokko tötet das Gewehr eine US-amerikanische Touristin fast und als Folge dessen einen
halbwüchsigen Jungen tatsächlich. In Japan brachte das Gewehr den Tod in eine Familie bevor es nach Marokko gelangte und in den USA geraten
als Folge des Anschlags auf die Mutter ihre beiden Kinder in Lebensgefahr und die mexikanische Kinderfrau in äußerste Bedrängnis.
Der Film erzählt seine Geschichte nicht chronologisch. Er beginnt mit dem Schuss in
Marokko, die Vorgeschichte spielt in Japan und die Nachgeschichte in den USA und Mexiko. Dabei springt der Film ständig zwischen den verschiedenen
Schauplätzen und damit auch in der Chronologie hin und her. In Japan stehen ein taubstummes Mädchen, ihr Vater und ein junger Polizist im
Mittelpunkt. In Marokko sind die Protagonisten eine arme Bauernfamilie und ein mittelständisches Ehepaar aus den USA, die als Touristen mit einer
Reisegruppe unterwegs sind. In den USA und Mexiko sind es die kleinen Kinder ebendieses Ehepaares mit ihrer mexikanischen Kinderfrau und deren Neffen.
Durch die Erzählweise bedingt, gibt es im Film viele Schnitte. Trotzdem gelingt es
dem Regisseur sowohl die Wüsten Marokkos und Nordmexikos bzw. der südlichen USA als auch das von Wolkenkratzern geprägte Stadtbild
von Tokyo eindrucksvoll ins Bild zu setzen. Der Film wirkt trotz der vielen Schnitte nie hektisch und lässt auch den Darstellerinnen und Darstellern Zeit,
ihre Figur zu entwickeln und ihnen ein Gesicht, einen Charakter zu geben. Dabei sind vor allem die im Film mitwirkenden Kinder und Jugendlichen
hervorzuheben, die an allen drei Schauplätzen wichtige Rollen haben und diese in sehr beeindruckender Art und Weise ausfüllen. Rinko Kikushi,
die die taubstumme Chieko spielt, ist besonders hervorzuheben. Sie verkörpert das pubertäre Mädchen, das durch den Selbstmord ihrer Mutter
traumatisiert ist, ebenso anrührend wie glaubwürdig. Ihr teilweise sehr irritierendes Verhalten wirkt wie ein einziger Schrei nach Liebe.
Der Regisseur mutet sowohl seinen Darstellern als auch den Zuschauern einiges zu. Auch
gegenüber seinen Figuren scheinen sich Gnadenlosigkeit und Mitleid seltsam zu mischen. Das Ende ist halbwegs versöhnlich und deswegen
vielleicht auch etwas unglaubwürdig. Der Film wirft jedenfalls ein sehr realistisch wirkendes Schlaglicht auf die Situation in verschiedenen
Ländern. Man kann ihn so auch als Parabel über unsere globalisierte Welt sehen. Alles hängt irgendwie zusammen und die Armen zahlen
meistens den höheren Preis.
Wieder einmal ist Iñárritu ein sehr irritierender und gerade deshalb sehr sehenswerter
Film gelungen.
Andreas Bodden
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