SoZ - Sozialistische Zeitung |
Auf ihrem Weg vom heute noch gültigen
"Berliner Programm" von 1989 zum geplanten "Hamburger Programm", das im Laufe dieses
Jahres fertig werden soll, hat die wie heißt sie noch mal? Sozialdemokratische Partei
Deutschlands in Bremen Station gemacht. Seit Mitte Januar und fast zeitgleich mit der köstlichen real
existierenden Metapher des ewigen Zuspätkommens der SPD anlässlich der Bürgermeisterwahl in
Wiesbaden kursiert ein 67 Seiten starker Text, der "Bremer Entwurf für ein neues
Grundsatzprogramm", auf den die internationale Arbeiterbewegung in fiebriger Erregung seit Monaten
gewartet hat. Und ganz besonders in Ahrweiler, im Hause von Andrea N., wird ein Fläschchen Schaumwein
geöffnet worden sein. Denn siehe da, die gute alte SPD bekennt sich weiterhin zum demokratischen
Sozialismus: "Wir sind uns einig in dem Ziel, für alle Menschen ein Leben in Freiheit, ohne
Ausbeutung, frei von Gewalt und Unterdrückung zu ermöglichen. Im Bewusstsein, dass das Streben
nach einer unseren Grundwerten entsprechenden Gesellschaft eine dauernde Aufgabe ist, bekennen wir uns zu
der unsere Geschichte prägenden Idee des demokratischen Sozialismus. Er ist kein Dogma und beschreibt
keinen Endzustand, sondern die Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft, für
deren Verwirklichung wir auch weiterhin eintreten. Die Arbeit für dieses Ziel und das Prinzip unseres
Handelns ist die Soziale Demokratie. Denn nichts kommt von selbst und jede Zeit verlangt ihre eigenen
Antworten."
Zurückgeschlagen wurde also der feige
Angriff von Olaf Scholz und anderen, die der SPD ihre Seele rauben wollten. Wer den Rest der 67 Seiten
konsumiert, außer Leuten, die das aus beruflichen Gründen machen müssen, werden es nicht
viele sein, wird allerdings zur Auffassung gelangen, dass wegen solcher Visionen in der Tat der alte Rat
von Kanzler Schmidt befolgt und ein Arzt aufgesucht werden sollte. Es folgen nämlich gnadenlose
Bekenntnisse zur Optimierung der Ausbeutung in der Marktwirtschaft, zur Vertreibung aller wirtschaftlich
unnützen Migrantinnen und Migranten, zur Sicherung der deutschen Interessen und Märkte in aller
Welt, zu Kriegseinsätzen der so supercoolen Bundeswehr, zur Ersetzung der sozialen Gerechtigkeit und
Gleichheit durch die bürgerliche "Chancengleichheit", bei der jede und jeder selbst Schuld
hat, wenn es mit dem Wohlstand nicht klappt, und drumherum geistert der Irrwitz eines "vorsorgenden
Sozialstaats", der zudem noch größtenteils aus der privaten Schatulle der Besitzlosen
mittels Versicherungspolicen geregelt werden soll. Und wer es wir konnten es nur häppchenweise
bis zum Ende geschafft hat, wird mit der Enthüllung des reinen Gagatums belohnt, worin Leute
enden, die auf der Schröder-Blairschen Suche nach der "neuen Mitte" völlig kirre
geworden sind: "Wir sind die Partei der solidarischen Mitte. Unsere Partei hat Hunderttausende
Mitglieder, aber es gibt Millionen von Menschen, die so denken und empfinden wie wir. Viele Menschen wollen
unabhängig von ihrer Lebenslage eine bessere und gerechtere Gesellschaft. Um gleiche Rechte für
die Benachteiligten durchzusetzen, braucht es die Solidarität derer, die weniger auf gesellschaftliche
Unterstützung angewiesen sind. Die solidarische Mitte hat die Soziale Marktwirtschaft möglich
gemacht und wird das Land auch in Zukunft mit ihrer Leistung und ihrer Solidarität zusammenhalten. Wir
wollen die solidarische Mitte in unserem Land verbreitern und für die Soziale Demokratie
gewinnen."
Wir haben es doch gesagt: "Nichts
kommt von selbst", der Kakao, durch den die SPD sich und ihre Anhänger zieht und sich und ihre
Anhänger ziehen lässt, wird gleichzeitig noch eifrig getrunken.
Wie die SPD ein letztes bizarres Gefecht
führt, sich vom Sozialismus zu verabschieden, so genehmigt sich die neue Linkspartei eine nicht minder
kuriose Schlacht zur Einführung des Sozialismus in die Programmatik. Dabei wäre es doch so
einfach: linke Politik hat in diesem und anderen Ländern nur eine zusammengefasste
Aufgabe: die je nach Ansicht über hundert oder wenigstens fünfundsiebzig Jahre bestehende
historische Lücke des Fehlens einer Sozialistischen Partei in Deutschlands schleunigst zu
schließen. Mit Hans Modrow wäre der neuen Linkspartei deshalb dringend zu empfehlen sich auch so
zu nennen. Und mit der alten Ruhrpottlegende Lothar Emmerich müsste die neue Linke der sich vom
Sozialismus befreienden Sozialdemokratie nur freundlich zuraunen: Ist doch toll, gib mich die Kirsche.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
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