SoZ - Sozialistische Zeitung |
Wieviele Menschen haben am Weltsozialforum in Nairobi teilgenommen und woher kommen sie?
Die Organisatoren sprechen von 50000, ich denke es sind höchstens 20000. In der Mehrzahl kommen
sie aus Ostafrika und Südafrika. Daneben gibt es eine starke Delegation aus Asien, sicher 500 allein
aus Indien; aus Europa sind vor allem Frankreich, Spanien, Italien, Belgien und Deutschland vertreten. Es
wird darüber noch eine Debatte mit den Organisatoren geben, weil die in einem Anflug von
Größenwahn eine Infrastruktur angemietet haben, die in keinem Verhältnis zur Teilnehmerzahl
steht, nämlich ein riesiges Sportstadion, das 6000080000 Menschen fasst sie haben 100000
Menschen erwartet. Das kostet enorm viel Geld und um es einigermaßen bezahlen zu können, haben
sie beschlossen, das WSF in ein wohlhabendes Wohnviertel 15 Kilometer außerhalb der Stadt zu verlegen.
Es wäre viel besser gewesen, sich an die ursprünglichen Planungen zu halten und das Forum in der
Stadtmitte von Nairobi durchzuführen. Die Hauptstadt Kenyas ist sehr grün mit vielen großen
Parks, in denen man Zelte hätte aufbauen können. 20000 Leute hätten da ohne weiteres Platz
nehmen können. Dann hätte auch die kenyanische Bevölkerung am Forum teilnehmen können.
Das ist eines der großen Probleme
hier, es ist sogar Gegenstand von Protesten und Demonstrationen innerhalb des WSF und von Konflikten mit
dem kenyanischen Organisationskomitee, das an das Sekretariat des Afrikanischen Sozialforums angebunden
ist. Das Organisationskomitee hatte beschlossen, dass der Teilnehmerbeitrag für Afrikaner 500
Schilling beträgt, das sind 6 Euro. Das entspricht dem Mindestlohn von einer Woche. Dazu kommt die
Örtlichkeit, die sie nur mit dem Bus erreichen können, der kostet auch wieder 2030
Schilling die einfache Fahrt. Für jemanden, der aus dem Armenviertel kommt, ist eine Teilnahme unter
diesen Bedingungen ein Ding der Unmöglichkeit.
Wer wird für die Kosten eines so luxuriösen Tagungsorts aufkommen?
Die Organisatoren verlangen von den Teilnehmern aus den Ländern des Nordens einen
Teilnehmerbeitrag von 80 Euro auf 50006000 Teilnehmende hochgerechnet addiert sich das.
Für jede Aktivität, die man durchführt (Seminare, Arbeitsgruppen usw.) zahlt man zwischen
120 und 200 Euro; ein Stand kostet 600 Euro Gebühren. Da kommt was zusammen. Damit wird nicht nur
gegenüber den afrikanischen Bewegungen, sondern auch noch innerhalb der Delegationen aus dem Norden
eine Diskriminierung zwischen den großen NGOs und den selbstorganisierten Initiativen und sozialen
Bewegungen geschaffen. Letzteres ist nicht das Wichtigste: irgendwie schaffen es die Netzwerke von Aktiven
aus dem Norden immer, das Geld zusammenzukratzen. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Organisatoren
von Teilnehmern, die mehr Mittel haben, auch einen höheren Beitrag fordern. Aber das Geld wird
für den falschen Zweck ausgegeben, nämlich für eine repräsentative Tagungsstätte
statt für die maximale Beteiligung der Bevölkerung.
Hinzu kommt, dass ganze Bereiche der
Organisationsarbeit, z.B. die Anmeldung, an private Firmen vergeben wurden, das machen nicht Aktivisten
ehrenamtlich. Die Mahlzeiten werden an kleine Cateringfirmen vergeben, die für die Konzession 30000
Schilling zahlen müssen. Das ist eine riesige Summe; die Frauen aus den einfachen Vierteln, die
normalerweise auf den Märkten Essen für 3050 Schilling anbieten, konnten da gar nicht
mithalten und mussten draußen bleiben.
Wer ist denn das Afrikanische Sozialforum?
Im ASF geben große, auch sehr reiche, afrikanische NGOs den Ton an, darunter auch kenyanische.
Mehrere unter ihnen sind mit der Kirche verbunden; Caritas Catolica ist hier sehr massiv vertreten, ebenso
einige reformierte Kirchen. Das alles führt zu einem großen Ungleichgewicht: die sozialen
Basisbewegungen sind unterrepräsentiert, die NGOs und die Kirchen sind überrepräsentiert.
Ist das ein Anzeichen für eine allgemeine Entwicklung des Weltsozialforums, oder war das jetzt
eine afrikanische Besondernheit?
Zum Teil entspricht das einer Entwicklung im Internationalen Rat des Weltsozialforums. Darin dominieren
die NGOs immer stärker. Es ist aber auch ein Ausdruck der Schwäche der sozialen Bewegungen und
der radikalen Linken in Afrika. Viele Organisationen der radikalen Linken aus afrikanischen Ländern
haben bei dieser Gelegenheit versucht, Kontakte zu Partnern in Kenya zu knüpfen sie sind aber
nicht fündig geworden. Es gibt in Kenya keine Organisation der radikalen Linken, die ein
öffentliches Auftreten hätte (mit Zeitung, Büro usw.), keine solche Kraft ist hier aus Kenya
auf dem WSF vertreten. Das einzige, was es gibt, ist eine Initiative, die sich "Parlament des
Volkes" nennt, sie führt ein Alternativforum durch, an dem ich zusammen mit anderen sozialen
Bewegungen aus dem Norden teilgenommen habe. Da sind immer einige hundert Menschen versammelt, über
die sechs Tage dürften es etwa 2000 Leute geworden sein. Sie machen das mitten in der Stadt in einem
Park. Das ist eine radikale Initiative, aber keine politische Partei.
Gibt es Ergebnisse vom diesjährigen WSF?
Ja, in der Tat, man darf bei der Kritik nicht stehenbleiben. Immerhin sind 20000 Menschen
zusammengekommen, darunter sicher an die 1500 Gewerkschaftsvertreter aus Afrika. Sie haben u.a. eine
Demonstration in Solidarität mit dem Generalstreik organisiert, der zur Zeit in Conakry (der
Hauptstadt von Guinea) läuft, von dem hat man wahrscheinlich in Europa gar nichts gehört...
Nicht dass ich wüsste...
Er ist blutig unterdrückt worden, es hat 20 Tote gegeben. Das Parlament des Volkes hat eine
Demonstration mit mehreren hundert Teilnehmern gegen die Essenspreise auf dem Forum durchgeführt. Weil
die Konzessionsgebühren für den Essenverkauf so hoch sind, sind auch die Essenspreise hoch; ein
Teller warmes Essen kostet 350 Schillinge. Das können sich die Ortsansässigen gar nicht leisten.
Meine Organisation, die CADTM, hat auf die
hohen Preise hier reagiert und am ersten Tag den Eingang besetzt. Wir haben mit dem Organisationskomitee
verhandelt, dass die Eingänge geöffnet und draußen Wartende, die teilnehmen wollten aber
nicht zahlen konnten, reingelassen werden. An den folgenden Tagen haben das andere Bewegungen wiederholt,
der Weltfrauenmarsch, afrikanische Gruppen usw. Mit dieser Methode konnten aber nur die Kenianer
teilnehmen, die bis zum Tagungsort vorgedrungen sind.
Man muss noch sagen, dass das Stadion, in
dem wir untergebracht sind, vom Militär abgeschirmt wird. Sie stehen da mit Maschinenpistolen
bewaffnet. Bisher hat es noch keinen Zwischenfall gegeben, er ist aber auch nicht auszuschließen. Das
ist das erste Weltsozialforum, das unter bewaffnetem Polizeischutz steht.
Das wird doch Folgen für den Internationalen Rat haben, oder?
Natürlich. Der trifft sich im Anschluss am 26. und 27.Januar, da wird es Streit geben.
Organisationen wie der meinen wird man sicher vorwerfen, wir hätten die Disziplin nicht gewahrt; wir
werden von den Organisatoren verlangen, dass sie sich für die inakzeptablen Teilnahmebedingungen
entschuldigen. Die CADTM hat schon eine provokatorische Losung in die Welt gesetzt: "Das WSF ist keine
Ware." Wir werfen ihnen vor, dass sie anfangen, einen Ausverkauf des WSF zu betreiben. Im Innern des
Stadions befindet sich ein privat betriebenes Restaurant in einem Steinhaus (während die anderen
Restaurants in Zelten untergebracht sind), das gehört dem Justizminister. Der war bis zur
Unabhängigkeit enger Kollaborateur der britischen Kolonialmacht und an der Repression der Bewegung der
Mau-Mau beteiligt, die für die Unabhängigkeit Kenyas gekämpft hat. Er schlägt jetzt
Profit aus dem WSF, das ist völlig inakzeptabel.
Das ist ja schrecklich, was du erzählst.
Ja, es ist schrecklich, aber man muss die Wahrheit berichten.
Gibt es Ergebnisse, sind Kampagnen beschlossen worden?
Ja, gegen den Krieg, gegen die Schulden, Frauenaktionen, zum Klimawandel, zum Handelsabkommen EU-
Afrika, zur Migration. Das sind alles wichtige Themen hier.
Am letzten Tag wird eine große
Versammlung der sozialen Bewegungen stattfinden, wir hoffen auf tausend Leute. Wir wurden auch darin
behindert, weil die Organisatoren zunächst angezeigt hatten, dass es dafür keine
Übersetzungsanlage geben würde. Wir konnten aber erreichen, dass das noch geändert wird. Wir
wollen in der Versammlung hauptsächlich den afrikanischen Organisationen das Wort geben, die in
gesellschaftlichen Auseinandersetzungen stehen: den Bauern, den Frauen weil die realen Kämpfe,
die in Afrika heute geführt werden, auf dem WSF nicht genügend sichtbar geworden sind. Wir wollen
den gemeinsamen internationalen Kampf stärken.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04