SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2007, Seite 07

PrivatZensur oder:

Die Ehre der Bank Oppenheim

Ein gutes Dutzend juristischer Verfahren, darunter zehn einstweilige Verfügungen, haben die Bank Oppenheim und ihre Berliner Kanzlei Schertz Bergmann gegen Verlag, Autor und Vorwortverfasser des Buchs Der Bankier sowie gegen die Online-Zeitung nrhz.de erwirkt. Bisher.
Das Buch erschien im Mai 2006. Schon im Januar, auf die Verlagsankündigung hin, hagelte es Unterlassungsforderungen. Dann wurde dem Autor eine Strafanzeige angekündigt, weil ein ungenannter Informant in einer Veranstaltung etwas Ehrverletzendes über die Kanzlei gehört habe. Es folgten Unterlassungsforderungen namens der Bank, wieder mit Berufung auf den ungenannten Informanten, der wie bei der Strafanzeige vor Gericht alles unter Eid bekräftigen würde. Die trübe Quelle wurde dann doch nicht angezapft. Doch Christopher von Oppenheim forderte Unterlassungen wegen der "postmortalen Persönlichkeitsrechte" seines Vaters.
Dr. Schertz, Chef der von Oppenheim beauftragten Berliner Kanzlei, bietet Unternehmen an, die Berichterstattung "bereits am Anfang im Keim zu ersticken oder im besten Falle noch im Recherchestadium zu verhindern". Buchhändler erhielten Abmahnungen und anschließend eine Rechnung dafür. Gegen einen Bericht über die Gerichtsverhandlung am 22.8.06 erwirkte die Kanzlei zwei Einstweilige Verfügungen. Sie will u.a. verbieten lassen, dass der Name ihres Anwalts überhaupt genannt wird. Wegen dessen angeblicher Beleidigung fordert sie 15000 Euro Entschädigung.
Die 22 zunächst verbotenen Passagen des Buches drehen sich vor allem um Nebensächlichkeiten: Gibt es in keiner der Bankfilialen Bankschalter oder doch in einigen? Wurde der ehemalige Kölner Oberstadtdirektor Geschäftsführer in der Bank oder nur in einer Tochtergesellschaft? Galt die Rendite von jährlich 24% eines Luxemburger Pharmafonds bis 2005 oder nur bis 2001?
Verbote von wichtigeren Passagen hat das Landgericht inzwischen aufgehoben: So darf weiter behauptet werden, dass die Gesamtmiete für die Kölner Messehallen, errichtet von Esch-Oppenheim, die Stadt Köln etwa 800 Millionen Euro kostet und nicht unter 700 Millionen; auch dass der Kölner Rat beschlossen hat, der Investor habe die Altlastensanierung auf dem Messegelände zu bezahlen — Bankchef Graf Krockow hatte eidesstattlich versichert, einen solchen Ratsbeschluss gebe es nicht.
Einsatz anonymer Informanten, im Keim erstickte Berichterstattung, ausufernde Verfügungen, Eingriffe in den Buchhandel, Androhung von Zwangsvollstreckung für Anwaltskosten, Entschädigungsforderungen für angebliche Beleidigungen: Dass die feine Bank und ihre Kanzlei um sich schlagen, mag man nachfühlen. Doch dass die Justiz einstweilige Verfügungen scheinbar "wie am Fließband" produziert, ist ein Skandal. Er betrifft im Übrigen nicht nur das Buch Der Bankier, den Nomen-Verlag und den Buchhandel. Die Liste der Mandanten der neuen Medienkanzleien wie Schertz Bergmann, die sich Banken und Konzernen andienen, um deren "Persönlichkeitsrechte" zu verteidigen, wird lang und länger.
Die Berliner Richter sind sich der Zwiespältigkeit bewusst. Deshalb heißt es in den ersten einstweiligen Verfügungen mit den 22 zunächst untersagten Passagen, dass "aufgebundene und bereits ausgelieferte Exemplare" von der Verfügung ausgenommen sind und weiter verkauft werden dürfen. Dagegen hat die Bank Oppenheim Beschwerde eingelegt. Das Landgericht wies die Beschwerde aber ab, weil "die beanstandeten Äußerungen die Antragstellerin [Bank Oppenheim] nur am Rande berühren und von geringem Gewicht sind" (Landgericht Berlin 27O653/06, 11.7.06). Trotzdem hat das Gericht die einstweiligen Verfügungen erlassen und langwierige und teure Verfahren in Gang gesetzt.
Die Bank beschwört "Ehrverletzungen", beweist aber, dass sie nur noch eine sehr spezielle Restehre hat. Finanzbeschaffung für Preußenkrieg und NS-Aufrüstung, Teilnahme an Arisierungen, illegale Parteispenden für Adenauers und Kohls CDU, nach 1945 Unterschlupf für Finanznazis, Vermögensdepot für SPD-Verteidigungsminister Scharping, Förderung des Andenkens an das Familienmitglied Max von Oppenheim, den "Vater des deutschen Jihad", der Islamisten zu Bombenattentaten gegen England aufrief — diese und ähnliche Darstellungen konnte die Bank nicht beanstanden. Welche Ehre verteidigt eine Bank mit diesem (unvollständigen) Sündenregister?
Im Buch wird dargestellt, dass die Bank nach dem erklärten Vorbild der US-Finanzinvestoren über Tochterfirmen wie Argantis Unternehmen aufkauft, "restrukturiert" und weiterverkauft. Zu den Methoden solcher Finanzinvestoren ("Heuschrecken") gehören bekanntlich Entlassungen, Lohnsenkungen u.ä. Die Bank behauptet, diese Darstellung würde ihre Ehre verletzen, da sie solche Maßnahmen bisher nicht durchgeführt habe. An anderer Stelle im Buch wird dagegen ein Sprecher der Bank zitiert: Er lobt, dass zur Aktienwertsteigerung der Vorstand von DaimlerChrysler notfalls 6000 Arbeitsplätze verlagert und dass die Beschäftigten jährlich auf 4000 Euro Einkommen verzichten sollen. Diese Stelle konnte von der Bank nicht beanstandet werden. Welche Ehre also wird hier beschworen?

Werner Rügemer

Am 27.2. und 13.3.2007 finden die nächsten Verhandlungen statt: Landgericht Berlin, Tegeler Weg 17—21, Raum I/143, 11 Uhr.



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