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Ein gutes Dutzend juristischer Verfahren, darunter zehn einstweilige
Verfügungen, haben die Bank Oppenheim und ihre Berliner Kanzlei Schertz Bergmann gegen Verlag, Autor
und Vorwortverfasser des Buchs Der Bankier sowie gegen die Online-Zeitung nrhz.de erwirkt. Bisher.
Das Buch erschien im Mai 2006. Schon im
Januar, auf die Verlagsankündigung hin, hagelte es Unterlassungsforderungen. Dann wurde dem Autor eine
Strafanzeige angekündigt, weil ein ungenannter Informant in einer Veranstaltung etwas Ehrverletzendes
über die Kanzlei gehört habe. Es folgten Unterlassungsforderungen namens der Bank, wieder mit
Berufung auf den ungenannten Informanten, der wie bei der Strafanzeige vor Gericht alles unter Eid
bekräftigen würde. Die trübe Quelle wurde dann doch nicht angezapft. Doch Christopher von
Oppenheim forderte Unterlassungen wegen der "postmortalen Persönlichkeitsrechte" seines
Vaters.
Dr. Schertz, Chef der von Oppenheim
beauftragten Berliner Kanzlei, bietet Unternehmen an, die Berichterstattung "bereits am Anfang im Keim
zu ersticken oder im besten Falle noch im Recherchestadium zu verhindern". Buchhändler erhielten
Abmahnungen und anschließend eine Rechnung dafür. Gegen einen Bericht über die
Gerichtsverhandlung am 22.8.06 erwirkte die Kanzlei zwei Einstweilige Verfügungen. Sie will u.a.
verbieten lassen, dass der Name ihres Anwalts überhaupt genannt wird. Wegen dessen angeblicher
Beleidigung fordert sie 15000 Euro Entschädigung.
Die 22 zunächst verbotenen Passagen
des Buches drehen sich vor allem um Nebensächlichkeiten: Gibt es in keiner der Bankfilialen
Bankschalter oder doch in einigen? Wurde der ehemalige Kölner Oberstadtdirektor
Geschäftsführer in der Bank oder nur in einer Tochtergesellschaft? Galt die Rendite von
jährlich 24% eines Luxemburger Pharmafonds bis 2005 oder nur bis 2001?
Verbote von wichtigeren Passagen hat das
Landgericht inzwischen aufgehoben: So darf weiter behauptet werden, dass die Gesamtmiete für die
Kölner Messehallen, errichtet von Esch-Oppenheim, die Stadt Köln etwa 800 Millionen Euro kostet
und nicht unter 700 Millionen; auch dass der Kölner Rat beschlossen hat, der Investor habe die
Altlastensanierung auf dem Messegelände zu bezahlen Bankchef Graf Krockow hatte eidesstattlich
versichert, einen solchen Ratsbeschluss gebe es nicht.
Einsatz anonymer Informanten, im Keim
erstickte Berichterstattung, ausufernde Verfügungen, Eingriffe in den Buchhandel, Androhung von
Zwangsvollstreckung für Anwaltskosten, Entschädigungsforderungen für angebliche
Beleidigungen: Dass die feine Bank und ihre Kanzlei um sich schlagen, mag man nachfühlen. Doch dass
die Justiz einstweilige Verfügungen scheinbar "wie am Fließband" produziert, ist ein
Skandal. Er betrifft im Übrigen nicht nur das Buch Der Bankier, den Nomen-Verlag und den Buchhandel.
Die Liste der Mandanten der neuen Medienkanzleien wie Schertz Bergmann, die sich Banken und Konzernen
andienen, um deren "Persönlichkeitsrechte" zu verteidigen, wird lang und länger.
Die Berliner Richter sind sich der
Zwiespältigkeit bewusst. Deshalb heißt es in den ersten einstweiligen Verfügungen mit den 22
zunächst untersagten Passagen, dass "aufgebundene und bereits ausgelieferte Exemplare" von
der Verfügung ausgenommen sind und weiter verkauft werden dürfen. Dagegen hat die Bank Oppenheim
Beschwerde eingelegt. Das Landgericht wies die Beschwerde aber ab, weil "die beanstandeten
Äußerungen die Antragstellerin [Bank Oppenheim] nur am Rande berühren und von geringem
Gewicht sind" (Landgericht Berlin 27O653/06, 11.7.06). Trotzdem hat das Gericht die einstweiligen
Verfügungen erlassen und langwierige und teure Verfahren in Gang gesetzt.
Die Bank beschwört
"Ehrverletzungen", beweist aber, dass sie nur noch eine sehr spezielle Restehre hat.
Finanzbeschaffung für Preußenkrieg und NS-Aufrüstung, Teilnahme an Arisierungen, illegale
Parteispenden für Adenauers und Kohls CDU, nach 1945 Unterschlupf für Finanznazis,
Vermögensdepot für SPD-Verteidigungsminister Scharping, Förderung des Andenkens an das
Familienmitglied Max von Oppenheim, den "Vater des deutschen Jihad", der Islamisten zu
Bombenattentaten gegen England aufrief diese und ähnliche Darstellungen konnte die Bank nicht
beanstanden. Welche Ehre verteidigt eine Bank mit diesem (unvollständigen) Sündenregister?
Im Buch wird dargestellt, dass die Bank
nach dem erklärten Vorbild der US-Finanzinvestoren über Tochterfirmen wie Argantis Unternehmen
aufkauft, "restrukturiert" und weiterverkauft. Zu den Methoden solcher Finanzinvestoren
("Heuschrecken") gehören bekanntlich Entlassungen, Lohnsenkungen u.ä. Die Bank
behauptet, diese Darstellung würde ihre Ehre verletzen, da sie solche Maßnahmen bisher nicht
durchgeführt habe. An anderer Stelle im Buch wird dagegen ein Sprecher der Bank zitiert: Er lobt, dass
zur Aktienwertsteigerung der Vorstand von DaimlerChrysler notfalls 6000 Arbeitsplätze verlagert und
dass die Beschäftigten jährlich auf 4000 Euro Einkommen verzichten sollen. Diese Stelle konnte
von der Bank nicht beanstandet werden. Welche Ehre also wird hier beschworen?
Werner Rügemer
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