SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2007, Seite 19

Aus einem Interview mit Ken Loach und Paul Laverty

Was hat Sie dazu veranlasst, die Geschichte des irischen Unabhängigkeitskampfs zu erzählen?

Es geht um eine sehr aktuelle Frage: Westliche Armeen besetzen noch immer andere Länder. Wir brauchen wohl nicht daran zu erinnern, wo sich britische Soldaten heute befinden. Andererseits hat der irische Konflikt tiefe Wurzeln. Irland war Englands erste Kolonie. Der Unabhängigkeitsvertrag, der 1920/21 mit Großbritannien geschlossen wurde, stützte sich auf einen demokratischen Beschluss der irischen Bevölkerung. Aber es ist eine Tatsache, dass viele den Krieg nicht nur führten, um die Unabhängigkeit zu erzwingen, sondern um eine andere Art der Gesellschaft zu verwirklichen. Großbritannien wollte seine kolonialen Interessen bewahren. Es war ein tragischer Konflikt, den der Film mit der Beziehung zwischen zwei Brüdern verknüpft.

Die englische Besatzung war sehr brutal. Bei den brutalen Bildern des Films denkt man spontan an das, was heute im Irak geschieht...

Es ist interessant zu analysieren, wie Geschichte geschrieben wird. Man schrieb über Kolumbus, dass er die Neue Welt entdeckt und Fortschritt gebracht hat. Kein Wort über die Ermordung ganzer Völker. Dieselbe Geschichte erzählte man über Bengalen 1943 oder Kenya in den 50er Jahren, als zahlreiche Menschen gefoltert und ermordet oder in Lager gesperrt wurden, die schlimmer als Guantánamo waren. Und all das zum höheren Ruhme einer "Zivilisation", die die Massaker und die Versklavung, die ihre Grundlage bilden, ignoriert.Dasselbe geschieht heute im Irak, in einem illegalen Krieg, der auf Lügen aufgebaut ist. Immer weniger ist die Rede von den alltäglichen unschuldigen Opfern unter der Zivilbevölkerung. Die Informationen, die wir erhalten, bleiben oberflächlich. Wir wissen bspw. wenig über die Toten von Fallujah. Dagegen müssen wir uns wehren. Nötig ist eine alternative Verbreitung von Informationen.

Die Spaltung unter den irischen Revolutionären ist die Folge der Tatsache, dass ein Teil von ihnen das Abkommen mit der britischen Regierung akzeptierte, während der andere Teil auf eine Form der Unabhängigkeit setzte, die allein durch bewaffneten Kampf errungen werden konnte. Wie sehen Sie diesen Konflikt?

Es war ein schreckliches Dilemma. Irland lebte seit Jahrhunderten unter dem Terror. Was spricht gegen die Aussichten eines Abkommens, das, wenngleich nicht überzeugend, doch zum Frieden führen kann, während die Alternative ein neues Blutbad ist? Die Engländer drohten jederzeit zurückzukehren.
Die irischen Führer waren auch sehr jung. Was hätten wir an ihrer Stelle getan? Für einige, wie die Gestalt des Teddy im Film, war dieses Abkommen im Moment die beste Lösung. Für andere nicht.Daraus ergab sich eine große Spannung, die dazu führte, dass sich Iren gegenseitig umbrachten

Die Iren griffen zu den Waffen, um sich von den Engländern zu befreien. Heute würde man ihnen allerdings den Vorwurf des "Terrorismus" machen...

Gewalt ist eine notwendige Folge des Strebens nach Gerechtigkeit und Freiheit. Widerstand gegen Unterdrückung bringt Gewalt mit sich. Dasselbe geschah in Frankreich unter der Nazi-Besatzung: Menschen gingen in den Untergrund. Es wird immer Widerstand geben, wo Unterdrückung ist; die Menschen können die Demütigung nicht tolerieren. Aber wir wollten der Gewalt kein romantisches Image verleihen. Deshalb verwendeten wir für die Kriegsszenen auch keine Musik.
Um Gerechtigkeit zu erreichen, war in diesem Fall Gewalt nötig. Sinn Féin hatte die Wahlen gewonnen, aber für die Engländer war dies eine kriminelle Organisation, die dann auch systematisch unterdrückt wurde. Es ist wichtig, dass unser Film nicht gegen die Engländer gerichtet ist, sondern gegen die Politik der Regierung. Wenn es darum ging, die Belange der herrschenden Klassen zu verteidigen, litt die englische Bevölkerung ja selbst unter dieser Politik.

(Aus: Il Manifesto, 19.5.2006)



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