SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2007, Seite 06

Heuschrecken würden "links" wählen

Der Verkauf der Berliner Sparkasse

Führende Teile der LPDS behaupten, die Privatisierung der Berliner Sparkasse sei von der EU erzwungen. Das ist falsch. Es ist eine Entscheidung des Berliner Senats.
Die Berliner Sparkasse soll bis Ende 2007 zusammen mit der Landesbank Berlin Holding AG verkauft werden. Hinter letzterem Namen verbirgt sich das umbenannte Skandalinstitut Bankgesellschaft Berlin AG. Die Bankgesellschaft ist eine Holding, ein Dach, unter dem verschiedene Teilbanken mit unterschiedlichen Eigentumsformen angesiedelt sind: die Landesbank Berlin (Berliner Sparkasse, früher eine Anstalt öffentlichen Rechts, nach dem Sparkassengesetz in eine AG umgewandelt — LBB AG), die Berliner Bank (eine Aktiengesellschaft), die BerlinHyp. Bis letzten Sommer hieß das Holdingdach Bankgesellschaft Berlin AG. Um sie besser verkaufen zu können, wurde sie dann in Landesbank Berlin Holding AG umbenannt.
Seit dem 19.Januar läuft das Ausschreibungsverfahren, die erste Runde ging am 5. Februar zu Ende. Gemeldet haben sich 19 Interessenten, darunter der Deutsche Sparkassen- und Giroverband sowie einige Landesbanken, die einen Verkauf der Berliner Sparkasse an einen privaten Investor verhindern wollen.
Zu den Interessenten gehören aber auch private Bankhäuser wie HypoVereinsbank und Commerzbank oder Finanzinvestoren wie Christopher Flowers und Lone Star oder die Investmentgesellschaft Cerberus. Das Manager Magazin bezeichnete letztere Firma als "Geier-Fonds". Der rot-rote Senat unterhält zu diesem Unternehmen anscheinend gute Verbindungen, immerhin verkaufte er 2004 die städtische Wohnungsbaugesellschaft GSW an Cerberus. Bis zum Frühjahr soll die vom Senat mit dem Verkauf beauftragte Investmentbank UBS die Gebote prüfen und einige Bieter auswählen, die dann zu einem unverbindlichen ersten Angebot aufgefordert werden.
Dass die ehemalige Bankgesellschaft verkauft werden muss, hat seine Ursache im Berliner Bankenskandal von 2001. Zu Zeiten der Großen Koalition in Berlin hatten die Manager der Bankgesellschaft im Verbund mit Wirtschaftsprüfern, "Beratern" und Politikern Verluste und Risiken in Milliardenhöhe angehäuft. Anfang 2001 stand die Bank vor der Pleite, die Große Koalition zerbrach. Der rot-grüne Zwischensenat war der Auffassung, die Bank müsse vor der Insolvenz gerettet werden und sorgte für eine Kapitalerhöhung von 1,8 Milliarden Euro. Die Maßnahme reichte jedoch nicht aus, den Konzern am Leben zu halten. So erließ der seit 2002 regierende rot-rote Senat das "Risikoabschirmungsgesetz". Risiken der Immobilienfonds werden durch Haushaltsmittel in einer Höhe bis zu 21,6 Milliarden Euro aufgefangen. Ob diese Lösung optimal ist darf bezweifelt werden — die Berechnungen, die sie in diesem Licht erscheinen lassen, hat die Bankgesellschaft im Auftrag des SPD-Finanzsenators selbst angefertigt.

Welche Auflage machte die EU?

Die Rettungsbeihilfen für die Bankgesellschaft — Kapitalzuführung und Risikoabschirmung — wurden von der EU-Kommission daraufhin überprüft, ob sie nicht die heilige Institution des Wettbewerbs tangieren. Und in der Tat: Die Kommission befand sie für wettbewerbsverzerrend und erließ am 18.Februar 2004 eine Auflage. Die EU ist also erst tätig geworden, nachdem der Berliner Senat seine Maßnahmen für die Rettung der Bankgesellschaft eingeleitet hatte.
Was sieht die Auflage vor? Im Wesentlichen drei Punkte:
1. Berlin muss den bei der EU-Kommission eingereichten "Umstrukturierungsplan" für die Bankgesellschaft umsetzen.
2. Die Teilbank Berliner Bank muss ausgegliedert und separat verkauft werden. Dies geschah letzten Herbst.
3. Berlin muss seine Anteile an der Bankgesellschaft bis Ende 2007 verkaufen.
Eine ausdrückliche Verpflichtung zum Verkauf der Sparkasse findet sich in der EU-Auflage nicht. Doch Berliner Regierungsvertreter behaupten mit Nachdruck, sie würden von der EU geradezu gezwungen, die Sparkasse zu verkaufen. Dies kann man glauben. Man kann aber auch mal bei der EU nachsehen, was sie dazu schreibt. Hier ein Zitat aus einer Erklärung der EU-Kommission vom 28.Juni 2006:
"In ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme betont die Kommission, dass gemäß Artikel 295 EG-Vertrag ... Deutschland vollkommen frei über die Privatisierung oder Nichtprivatisierung einer Sparkasse entscheiden kann. Sobald jedoch Deutschland beschließt, eine Sparkasse zu privatisieren, wie es das Land Berlin mit der Berliner Sparkasse getan hat, müssen die Vereinbarungen für die Privatisierung mit dem EU-Recht übereinstimmen."
Wir können annehmen, dass die Bereitschaft, die Sparkasse zu verkaufen, im erwähnten Umstrukturierungsplan des Senats festgeschrieben ist. Leider wird dieses Papier geheim gehalten. Dass sich die privatisierungsfreundliche EU über diese Pläne sehr gefreut hat, können wir ebenfalls annehmen. Dennoch halten wir auch hier deutlich fest: Es gab keinen Zwang der EU, die Sparkasse zum Verkauf anzubieten. Warum es der Senat trotzdem machen will, erklärt vielleicht ein kurzer Satz des LPDS-"Haushaltsexperten" Carl Wechselberg aus dem Jahre 2002, also noch vor der EU-Auflage: "Die Sparkasse soll verkauft werden, weil sie noch Wert hat. Ansonsten werden wir die anderen Teile der Bankgesellschaft nicht los."

Das Sparkassengesetz

Eine öffentlich-rechtliche Sparkasse an einen privaten Investor zu verkaufen war in Deutschland bis zur Verabschiedung des rot-roten Sparkassengesetzes im Juni 2005 nicht möglich. Mit diesem Gesetz fand eine Umetikettierung innerhalb der Holding Bankgesellschaft statt: Die Landesbank Berlin, bislang eine Anstalt öffentlichen Rechts, wurde zum 1.Januar 2006 in eine Aktiengesellschaft (LBB AG) umgewandelt. Dabei übernahm die LBB Holding AG das gesamte Grundkapital der zur AG umgewandelten LBB. Die Berliner Sparkasse, eine Abteilung der LBB, solange diese eine Anstalt öffentlichen Rechts war, wurde zu einer teilrechtsfähigen Anstalt öffentlichen Rechts ohne eigenes Vermögen. Die Berliner Sparkasse wurde der Trägerschaft — und damit den Weisungen — der privatisierten LBB AG unterstellt; bei der LBB AG liegt auch das Vermögen der Sparkasse. Wenn der Investor kommt, erwirbt er die LBB AG samt Sparkassenvermögen und Trägerschaft der Sparkasse.
Nun behauptet die Berliner LPDS, es handle sich beim Berliner Sparkassenverkauf um einen Einzelfall. Dies kann nur behaupten, wer im Mustopf sitzt und sich Gedanken zum demokratischen Sozialismus macht. Hätten die Genossen einen Blick z.B. ins Handelsblatt geworfen, hätten sie mitbekommen, dass die Privatbanken den Berliner Fall als "Präzedenzfall" feiern. Die öffentlichen Banken haben in Deutschland einen Marktanteil von rund 40% — da ist es naheliegend, dass Private einfallen wollen. In Hessen ändert Koch gerade das Sparkassengesetz und macht den Einstieg Privater möglich. Dies ist nicht erstaunlich. Erstaunlich ist, dass die hessische LPDS Zeter und Mordio ob dieses "Privatisierungswahns" schreit und die Berliner Genossen Koch die Vorlage liefern.
Ebenso erstaunlich ist, dass sich der Berliner Senat beim Sparkassengesetz von der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer beraten ließ, die laut Medienberichten auch den Bundesverband deutscher Banken — also die Privatbankenlobby — berät. In Hessens Bankenlandschaft kennt sich diese Kanzlei ebenfalls aus. Laut ihren Presseverlautbarungen beriet sie die Landesbank Hessen-Thüringen bei der Übernahme der Frankfurter Sparkasse.
Nun wurde von der rebellischen Berliner WASG auf ihrem letzten Parteitag eine Kampagne "gegen die Privatisierung der Berliner Sparkasse" angemahnt. Hätte die Berliner WASG sich die letzten Monate nicht nur mit sich selbst beschäftigt, wäre dieser sympathische Vorschlag vielleicht noch rechtzeitig gekommen.
Zwei Bürgerinitiativen machen seit 2002 auf dieses Thema aufmerksam, leider wollte dies niemand so recht wahrnehmen. Aufgrund der vom Senat herbeigeführten Bank-Konstruktion ist die vermögenslose Sparkasse eine pseudo-öffentlich- rechtliche Anstalt. Wer jetzt noch ihre Privatisierung verhindern will, müsste den Verkauf der Bankgesellschaft verhindern. Dies hätte nicht nur einen langen Rechtsstreit mit der EU zur Folge, sondern auch wirtschaftliche Folgen, die nicht abzusehen sind, da solch ein Szenario bislang nicht kompetent und objektiv geprüft wurde.
Was tun? Das Berliner Bündnis gegen Privatisierung bereitet ein Volksbegehren zum Thema Sparkasse vor. Da diese nach wie vor öffentlich- rechtlich ist, lassen sich über das Sparkassengesetz diverse fiskal- und sozialpolitische Steuerungsmechanismen einbauen. Zum Beispiel kann Einfluss auf die Gewinnverwendung der Sparkasse oder ihre Geschäftspolitik (Stichwort "Girokonto für jedermann") genommen werden.
Die demokratischen Sozialisten der Berliner LPDS haben nämlich, investorenfreundlich wie sie sind, mit dafür gesorgt, dass auf solche Steuerungsinstrumente, die in anderen Bundesländern selbstverständlich sind, im Berliner Sparkassengesetz verzichtet wurde.

Benedict Ugarte Chacón

Der Autor ist Politikwissenschaftler und einer der Sprecher der "Initiative Berliner Bankenskandal". Informationen zum Berliner Bankenskandal.

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