SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2007, Seite 07

Der Preis des Kohleausstiegs

Bei der Alternative Importkohle spielen Umweltargumente keine Rolle

Deutschland ist kein Kohleland mehr. Am 28.Januar beschloss eine Kungelrunde im Kanzleramt in Berlin — Kabinett, Kapital und IG Bergbau-Chemie-Energie (IG BCE) — das Ende der Steinkohleförderung im Jahr 2018.
Dreizehntausend Bergleute demonstrieren am 1.Februar in Düsseldorf gegen die NRW-Regierung — weit ist es gekommen, seit sie gemeinsam mit Johannes Rau vor zehn Jahren auf der Straße die "Kette der Solidarität" gebildet hatten.
Inzwischen gibt es nur noch 30000 aktive Bergleute, acht Zechen — weitaus weniger als die Kohlevereinbarung mit der Regierung Kohl im Jahre 1997 angestrebt hatte — und weitere Stilllegungsbeschlüsse. Die Landespolitiker von FDP und Grünen streiten für einen noch schnelleren Ausstieg. Die einen wollen keine Subventionen für den hiesigen Steinkohlebergbau mehr zahlen, die anderen führen Umweltgründe an.
Was hat es mit den Kosten des Bergbaus auf sich? Der RAG-Konzern ist Mutter der Deutschen Steinkohle AG (DSK), die die Bergwerke betreibt. Jahrelang hat der Konzern Subventionen für die Förderung der Steinkohle eingestrichen, jetzt soll die RAG an die Börse gehen, aber ohne die DSK. Die soll in eine Stiftung überführt werden, die anschließend die sog. "Ewigkeitskosten" (Entwässerung, Bergschäden, Sozialleistungen) übernimmt, damit die RAG "endlich" ordentliche Gewinne machen kann. Darin sind sich alle beteiligten Politiker von CDU bis SPD einig, auch die IGBCE, deren Vorsitzender Schmoldt schon zusammen mit RAG-Chef Werner Müller für den Stiftungsbeirat ausersehen ist.
Dass die Förderung in Deutschland weiter zurückgenommen werden soll, war unstrittig. Warum also das Gezerre um Ausstieg, Teilausstieg, Rumpf- oder Sockelbergbau, Demonstrationsbergwerk und wie die Modelle alle heißen? Die Gewerkschaft drängt darauf, eine sogenannte nationale Energiereserve vorzuhalten, für den Fall, dass die Preise für Importkohle weiter steigen oder andere Unwägbarkeiten am Weltmarkt auftreten.
Um einen schnellen Börsengang doch noch zu ermöglichen, wurde in Berlin ein Kompromiss ausgehandelt, bei dem scheinbar alle Beteiligten ihr Gesicht wahren: Ausstieg aus der subventionierten Förderung 2018, Überprüfung dieses Beschlusses auf seinen Sinn in 2012. Die SPD meint, dann wäre klar, dass ein Sockel bestehen bleiben muss.
Die IGBCE hofft, dass dann andere Energiepreise und eine gestiegene Nachfrage nach Kohle zu einem "Ausstieg aus dem Ausstieg" führen würden. CDU und FDP meinen, dass sich die konservative und marktradikale Politik dann noch mehr durchgesetzt haben wird und die wenigen übrig gebliebenen Bergleute überhaupt keine Unterstützung mehr bekommen.
Mit den Bergleuten wurde in letzter Zeit politische Achterbahn gefahren. Und als NRW-Ministerpräsident Rüttgers (CDU), der Wochen vorher die "soziale Ader" herausgekehrt hatte, am Ende den Kompromiss verwarf und den Ausstieg für 2014 forderte, war die alte Wut wieder da, die schon Bangemann, Möllemann, Kohl und wie sie alle hießen zu spüren bekommen hatten. Nur sind die Bergleute sehr wenige geworden, ihr politisches (Kampf-)Gewicht hat sich mehr als halbiert, ihre historischen Bündnisse sind zerbröckelt, ihre politische Basis im Revier wurde vor allem durch die Entwicklung der Sozialdemokratie völlig unterhöhlt.
Daher blieb es auch bei der einen Demonstration, und als Rüttgers einige Tage später einlenkte, dass nur die NRW-Zahlungen an den Bergbau ab 2014 eingestellt werden, war kein Dampf mehr im Kessel für weitere Aktionen.
Dabei ist der Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau ein schlechtes Ergebnis für die Bergleute und das Revier. Auch wenn keine betriebsbedingten Kündigungen erforderlich sein sollten — "sozialverträglich" kann das Ergebnis nicht sein. Weder für die 65000 Beschäftigten in den Zulieferbetrieben, noch für die Region.
Auf Ersatzarbeitsplätze warten die Städte, in denen es Zechen gab, schon lange. Hundert hier und hundert da ersetzen nicht Tausende im Bergbau. Und wie es mit den sog. Zukunftsbranchen aussieht, hat das Beispiel Siemens-BenQ in Kamp-Lintfort gerade gezeigt.

Blutkohle


Aber es gibt noch eine weitere Frage an den Zechenbetrieb im Ruhrgebiet. Jede stillgelegte Tonne wurde bisher durch Importkohle ersetzt. Kraftwerke an Rhein und Ruhr beziehen ihre Kohlen vom halben Erdball, neue Kraftwerke werden nur mit Hafenanschluss gebaut. Das heißt aber auch, dass die Frage des Umweltschutzes oder der CO2-Reduktion bei dem Beschluss, die Zechen zuzumachen, überhaupt keine Rolle spielt.
Inzwischen hat sich hierzulande ein Sicherheitsstandard durchgesetzt, der die Unfallzahlen drastisch sinken ließ. Der weltweite Nachfrageboom nach Energieträgern und Rohstoffen führt jedoch dazu, dass in den Förderländern die Arbeitsbedingungen und gewerkschaftlichen Rechte nicht verbessert werden. Den Marktwirtschaftsideologen ist das egal, Hauptsache hier kommen die Rohstoffe billig in die Häfen. Die Unfallberichte aus den chinesischen und russischen Bergwerken sprechen eine klare Sprache. Wer von dort Kohle importiert, ist mit Schuld an den schlimmen Zuständen.
Trotzdem müssen sich auch Bergleute, deren Arbeitsplätze zu verteidigen sind, fragen, was in Zukunft an Steinkohle gefördert werden kann, wenn die Erde nicht noch mehr aufgeheizt werden soll. Hier auf die sog. CO2-freien Kraftwerke zu setzen, kann keine Option sein: Erstens müssen sie erst noch entwickelt werden, zweitens aber produzieren auch sie nach wie vor CO2, das allerdings — in einem nicht erprobten Verfahren — in der Erde gespeichert werden soll.
Dabei wird die Energie immer teurer, dafür sorgen die Machtverhältnisse bei den Energiekonzernen. Kernenergie und Importkohle sind jedoch keine Alternativen für einen wirklichen Umbau der Energieversorgung, die mit den Betroffenen und nicht über ihre Köpfe hinweg erfolgen müsste.

Rolf Euler

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