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Deutschland ist kein Kohleland mehr. Am 28.Januar beschloss eine Kungelrunde
im Kanzleramt in Berlin Kabinett, Kapital und IG Bergbau-Chemie-Energie (IG BCE) das Ende der
Steinkohleförderung im Jahr 2018.
Dreizehntausend Bergleute demonstrieren am
1.Februar in Düsseldorf gegen die NRW-Regierung weit ist es gekommen, seit sie gemeinsam mit
Johannes Rau vor zehn Jahren auf der Straße die "Kette der Solidarität" gebildet
hatten.
Inzwischen gibt es nur noch 30000 aktive
Bergleute, acht Zechen weitaus weniger als die Kohlevereinbarung mit der Regierung Kohl im Jahre
1997 angestrebt hatte und weitere Stilllegungsbeschlüsse. Die Landespolitiker von FDP und
Grünen streiten für einen noch schnelleren Ausstieg. Die einen wollen keine Subventionen für
den hiesigen Steinkohlebergbau mehr zahlen, die anderen führen Umweltgründe an.
Was hat es mit den Kosten des Bergbaus auf
sich? Der RAG-Konzern ist Mutter der Deutschen Steinkohle AG (DSK), die die Bergwerke betreibt. Jahrelang
hat der Konzern Subventionen für die Förderung der Steinkohle eingestrichen, jetzt soll die RAG
an die Börse gehen, aber ohne die DSK. Die soll in eine Stiftung überführt werden, die
anschließend die sog. "Ewigkeitskosten" (Entwässerung, Bergschäden,
Sozialleistungen) übernimmt, damit die RAG "endlich" ordentliche Gewinne machen kann. Darin
sind sich alle beteiligten Politiker von CDU bis SPD einig, auch die IGBCE, deren Vorsitzender Schmoldt
schon zusammen mit RAG-Chef Werner Müller für den Stiftungsbeirat ausersehen ist.
Dass die Förderung in Deutschland
weiter zurückgenommen werden soll, war unstrittig. Warum also das Gezerre um Ausstieg, Teilausstieg,
Rumpf- oder Sockelbergbau, Demonstrationsbergwerk und wie die Modelle alle heißen? Die Gewerkschaft
drängt darauf, eine sogenannte nationale Energiereserve vorzuhalten, für den Fall, dass die
Preise für Importkohle weiter steigen oder andere Unwägbarkeiten am Weltmarkt auftreten.
Um einen schnellen Börsengang doch
noch zu ermöglichen, wurde in Berlin ein Kompromiss ausgehandelt, bei dem scheinbar alle Beteiligten
ihr Gesicht wahren: Ausstieg aus der subventionierten Förderung 2018, Überprüfung dieses
Beschlusses auf seinen Sinn in 2012. Die SPD meint, dann wäre klar, dass ein Sockel bestehen bleiben
muss.
Die IGBCE hofft, dass dann andere
Energiepreise und eine gestiegene Nachfrage nach Kohle zu einem "Ausstieg aus dem Ausstieg"
führen würden. CDU und FDP meinen, dass sich die konservative und marktradikale Politik dann noch
mehr durchgesetzt haben wird und die wenigen übrig gebliebenen Bergleute überhaupt keine
Unterstützung mehr bekommen.
Mit den Bergleuten wurde in letzter Zeit
politische Achterbahn gefahren. Und als NRW-Ministerpräsident Rüttgers (CDU), der Wochen vorher
die "soziale Ader" herausgekehrt hatte, am Ende den Kompromiss verwarf und den Ausstieg für
2014 forderte, war die alte Wut wieder da, die schon Bangemann, Möllemann, Kohl und wie sie alle
hießen zu spüren bekommen hatten. Nur sind die Bergleute sehr wenige geworden, ihr politisches
(Kampf-)Gewicht hat sich mehr als halbiert, ihre historischen Bündnisse sind zerbröckelt, ihre
politische Basis im Revier wurde vor allem durch die Entwicklung der Sozialdemokratie völlig
unterhöhlt.
Daher blieb es auch bei der einen
Demonstration, und als Rüttgers einige Tage später einlenkte, dass nur die NRW-Zahlungen an den
Bergbau ab 2014 eingestellt werden, war kein Dampf mehr im Kessel für weitere Aktionen.
Dabei ist der Ausstieg aus dem
Steinkohlebergbau ein schlechtes Ergebnis für die Bergleute und das Revier. Auch wenn keine
betriebsbedingten Kündigungen erforderlich sein sollten "sozialverträglich" kann
das Ergebnis nicht sein. Weder für die 65000 Beschäftigten in den Zulieferbetrieben, noch
für die Region.
Auf Ersatzarbeitsplätze warten die
Städte, in denen es Zechen gab, schon lange. Hundert hier und hundert da ersetzen nicht Tausende im
Bergbau. Und wie es mit den sog. Zukunftsbranchen aussieht, hat das Beispiel Siemens-BenQ in Kamp-Lintfort
gerade gezeigt.
Aber es gibt noch eine weitere Frage an den
Zechenbetrieb im Ruhrgebiet. Jede stillgelegte Tonne wurde bisher durch Importkohle ersetzt. Kraftwerke an
Rhein und Ruhr beziehen ihre Kohlen vom halben Erdball, neue Kraftwerke werden nur mit Hafenanschluss
gebaut. Das heißt aber auch, dass die Frage des Umweltschutzes oder der CO2-Reduktion bei dem
Beschluss, die Zechen zuzumachen, überhaupt keine Rolle spielt.
Inzwischen hat sich hierzulande ein
Sicherheitsstandard durchgesetzt, der die Unfallzahlen drastisch sinken ließ. Der weltweite
Nachfrageboom nach Energieträgern und Rohstoffen führt jedoch dazu, dass in den
Förderländern die Arbeitsbedingungen und gewerkschaftlichen Rechte nicht verbessert werden. Den
Marktwirtschaftsideologen ist das egal, Hauptsache hier kommen die Rohstoffe billig in die Häfen. Die
Unfallberichte aus den chinesischen und russischen Bergwerken sprechen eine klare Sprache. Wer von dort
Kohle importiert, ist mit Schuld an den schlimmen Zuständen.
Trotzdem müssen sich auch Bergleute,
deren Arbeitsplätze zu verteidigen sind, fragen, was in Zukunft an Steinkohle gefördert werden
kann, wenn die Erde nicht noch mehr aufgeheizt werden soll. Hier auf die sog. CO2-freien Kraftwerke zu
setzen, kann keine Option sein: Erstens müssen sie erst noch entwickelt werden, zweitens aber
produzieren auch sie nach wie vor CO2, das allerdings in einem nicht erprobten Verfahren in
der Erde gespeichert werden soll.
Dabei wird die Energie immer teurer,
dafür sorgen die Machtverhältnisse bei den Energiekonzernen. Kernenergie und Importkohle sind
jedoch keine Alternativen für einen wirklichen Umbau der Energieversorgung, die mit den Betroffenen
und nicht über ihre Köpfe hinweg erfolgen müsste.
Rolf Euler
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