SoZ - Sozialistische Zeitung |
Seit rund zehn Jahren wird sie in Dokumenten der Europäischen Union
immer wieder erwähnt, doch bis heute ist sie nicht eingeführt: die CO2-Steuer. Der Druck dahin
nimmt zu: Der Stern-Bericht (siehe SoZ 1/07) über die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels misst
ihr große Bedeutung bei, Politiker erklären sie zu einem bevorzugten Hebel im Kampf um die
Rettung des Klimas. Hinter noblen Absichten verbergen sich gefährliche Absichten.
Umweltorganisationen stellen die
Einführung der CO2-Steuer als eine offenkundige Notwendigkeit dar. Eile ist zweifellos geboten und es
müssen radikale Maßnahmen getroffen werden, um das Klima zu retten. Aber die CO2-Steuer ist der
falsche Weg, nicht nur aus sozialen Gründen, auch aus politischen und Umweltgründen. Andere Wege
müssen beschritten werden.
In der Wirtschaftstheorie gelten Steuern und Quoten als mögliche Instrumente im Kampf gegen
Umweltverschmutzung (die Ökonomen nennen das "externe Faktoren"). Im Kampf gegen den
Klimawandel wird die Steuer als Alternative zu nationalen Quoten für die Senkung der
Treibhausgasemissionen dargestellt (das ist das Kyoto-System). Vom Umweltstandpunkt aus betrachtet sind die
beiden Instrumente jedoch nicht äquivalent. Bei der Steuer wird zuerst der Preis der "externen
Faktoren" (hier der Kohlenstoff) festgelegt; die Menge an Kohlenstoffausstoß hängt
anschließend von der Entscheidung der Wirtschaftsakteure abhängt: sie können entweder den
Ausstoß reduzieren oder die Steuer zahlen. Das Endergebnis für die Umwelt bleibt also ungewiss.
Bei Quoten ist es umgekehrt: Erst wird die
Obergrenze für den Kohlenstoffausstoß festgesetzt, danach hängt der Preis dafür von
verschiedenen Faktoren ab: der wirtschaftlichen Konjunktur, der Energieeffizienz usw. Die Steuer gibt also
einem sicheren ökonomischen Resultat den Vorzug, die Quote einem sicheren ökologischen Resultat.
In Bezug auf Klimafragen tut man gut daran, die zweite Lösung vorzuziehen.
Die Steuer wirft unabweisbar die Frage nach
der Inwertstellung der Natur, damit auch des menschlichen Lebens, auf. Damit die Steuer zu einer
ausreichenden Senkung der Emissionen führt, ist es notwendig, muss ihre Höhe in ein
Verhältnis zu den Gesamtkosten der Klimaschäden gesetzt werden.
Ein bedeutender Teil dieser Kosten
lässt sich jedoch unmöglich quantifizieren; die Quantifizierung basiert zudem auf
"Zahlungsbereitschaft", also auf einem utilitaristischen Verständnis der Natur: Wenn jemand
nicht zahlen will, um eine bestimmte Schmetterlingsart zu retten, die "zu nichts nutze ist", wird
sie verschwinden. Bei anderen Schäden, die den Menschen betreffen, mündet ihre Quantifizierung in
Geld in Ergebnissen, die von einem ethischen Standpunkt aus inakzeptabel sind. Je nach
"Zahlungsbereitschaft" ist das Leben eines Landarbeiters aus Tanzania nur ein Hundertstel von dem
eines New Yorker Bankers wert.
Ethische Erwägungen können solche
Zahlen sicher korrigieren. Das macht der Stern-Bericht; er stützt sich auf Studien, die die globalen
Kosten um 33% oder sogar das Doppelte erhöhen, um die Auswirkungen auf die Dritte Welt höher zu
bewerten. Solche Überlegungen verschaffen vielleicht manch einem ein ruhiges Gewissen, doch sie
reichen nicht für eine Gleichbehandlung von Arm und Reich. Solche "ethischen Korrektive"
sind nichts als Wundpflaster auf dem Wertgesetz, ein kapitalistisches Gesetz, das sich mehr und mehr als
ein ungeeigneter Maßstab für den wahren sozialen und natürlichen Reichtum herausstellt.
Bis zum Jahr 2050 müssen die Emissionen um 80% reduziert werden. Das verlangt weitreichende soziale
und strukturelle Umwälzungen. Diese Veränderungen müssen über einen Gesamtplan
umgesetzt werden, sie können nicht einer hypothetischen Fähigkeit überlassen werden, den
Markt über den Weg einer Steuer zu regulieren. Der Plan muss gestützt werden von der
Aufklärung und dem Engagement der Bevölkerung.
Es ist daher von strategischer Bedeutung,
dass er zum Gegenstand einer demokratischen gesellschaftlichen Debatte wird, dass die Menschen sich bewusst
werden, dass es hier nicht um eine neuen Trick geht, die soziale Ungleichheit noch zu vergrößern.
Wenn man sich für ein Quotensystem entscheidet, gibt es offenkundig keine Garantie, dass eine solche
Debatte stattfindet. Entscheidet man sich aber für die Steuer, findet sie jedoch ganz sicher nicht
statt. Denn wenn die Steuer einmal eingeführt ist, wird sich der Markt alles regeln ... auf seine
Weise: auf dem Rücken der Arbeiter und der Armen auf der ganzen Welt.
Das führt uns zur sozialen Frage. Die
Rechnung wird gelinde gesagt schmerzhaft teuer. Erstens wird die Steuer sofort auf die Preise
abgewälzt werden. Zweitens sehen alle Vorschläge von Seiten der Regierungen vor, dass die CO2-
Steuer durch eine Senkung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung kompensiert werden muss,
damit nur ja nicht die heilige Kuh des Wettbewerbs gefährden. Man muss sich klar machen, was das
bedeutet.
Nach Einschätzungen des belgischen
Planungsbüros würde eine Senkung der Emissionen um 30% bis zum Jahr 2020 (es sei daran erinnert,
dass sie bis zum Jahr 2050 auf 80% gesenkt werden müssen mit Hilfe der CO2-Steuer, die mit einer
Minderung der Sozialbeiträge der Arbeitgeber einhergeht, die indirekten Steuer (die ungerechtesten
aller Steuern) um einen Betrag in die Höhe treiben, der 1,6% des PIB entspricht. Das Geschenk an die
Unternehmer beliefe sich auf 8960 Millionen Euro, das entspricht einer Senkung der Lohnkosten von 3,9% und
einem Anstieg der durchschnittlichen Energiekosten für den Endverbraucher um 32,5%. Die abhängig
Beschäftigten würden dreimal zahlen: a) die Steuer auf ihre eigenen Emissionen (Heizung, Verkehr
usw.); b) die Steuer auf die Emissionen der Unternehmen (durch höhere Preise); c) durch die
Destabilisierung der Sozialsysteme. Wenn die Steuer ihr Ziel erreicht, wird die Wirtschaft kohlenstofffrei,
die Einnahmen werden sich also weniger ... Wer stopft dann das Loch in den Sozialsystemen?"
Diese drei Aspekte Soziales, Umwelt
und Politik sind eng miteinander verbunden. Wenn die Bevölkerung mitkriegt, dass der Kampf
gegen den Klimawandel nur als Vorwand dient, ihr das Geld aus der Tasche zu ziehen, wird sie sich gegen die
CO2-Steuer wenden (so wie sie sich gegen die Ökosteuern gewehrt hat).
Diese Abwehr ist legitim, aber sie
behindert die notwendige Konvergenz zwischen dem sozialen und ökologischen Kampf, also zwischen den
Ausgebeuteten des Nordens und des Südens. Diese Konvergenz ist strategisch entscheidend, denn der
Klimawandel ist ein weltweites gesellschaftliches Phänomen. Sie ist eine Folge der kapitalistischen
Logik der Gesellschaft und kann deshalb nur durch ein Bündel von Maßnahmen für grundlegende
strukturelle Änderungen bekämpft werden: hochwertiger und kostenloser öffentlicher Verkehr;
Verbot von Güterverkehr auf der Straße oberhalb einer bestimmten Entfernung; ein
öffentliches Programm der Gebäudeisolierung; ein öffentliches Programm für die
Entwicklung der Sonnenenergie unabhängig von den Kosten (für die Atomenergie haben die Staaten
das gemacht!); Einschränkung der Flexibilisierung der Arbeit, die die Menschen dazu nötigt, das
Auto zu nutzen; ein massiver Transfer sauberer Technologien in die Dritte Welt, bei vollem Achtung der
Souveränität dieser Länder.
Lediglich kollektive Maßnahmen dieser
Art ermöglichen es jedem Einzelnen, sich klimaverantwortlich zu verhalten. Das Geld für die
Finanzierung ist da: Die Profite aus dem Verkauf von fossilen Brennstoffen betragen jährlich weltweit
1500 Milliarden Euro, die Haushalte der Verteidigungsminister addierten sich im Jahr 2004 auf 1037 Dollar.
Dem Stern-Bericht zufolge macht beides zusammen mehr als doppelt so viel aus wie die Kosten für die
Senkung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre unter die kritische Schwelle von 450ppmv.
Daniel Tanuro
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04