SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2007, Seite 10

CO2-Steuer

Falscher Beitrag zur Klimarettung

Seit rund zehn Jahren wird sie in Dokumenten der Europäischen Union immer wieder erwähnt, doch bis heute ist sie nicht eingeführt: die CO2-Steuer. Der Druck dahin nimmt zu: Der Stern-Bericht (siehe SoZ 1/07) über die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels misst ihr große Bedeutung bei, Politiker erklären sie zu einem bevorzugten Hebel im Kampf um die Rettung des Klimas. Hinter noblen Absichten verbergen sich gefährliche Absichten.
Umweltorganisationen stellen die Einführung der CO2-Steuer als eine offenkundige Notwendigkeit dar. Eile ist zweifellos geboten und es müssen radikale Maßnahmen getroffen werden, um das Klima zu retten. Aber die CO2-Steuer ist der falsche Weg, nicht nur aus sozialen Gründen, auch aus politischen und Umweltgründen. Andere Wege müssen beschritten werden.

Steuern und Quoten

In der Wirtschaftstheorie gelten Steuern und Quoten als mögliche Instrumente im Kampf gegen Umweltverschmutzung (die Ökonomen nennen das "externe Faktoren"). Im Kampf gegen den Klimawandel wird die Steuer als Alternative zu nationalen Quoten für die Senkung der Treibhausgasemissionen dargestellt (das ist das Kyoto-System). Vom Umweltstandpunkt aus betrachtet sind die beiden Instrumente jedoch nicht äquivalent. Bei der Steuer wird zuerst der Preis der "externen Faktoren" (hier der Kohlenstoff) festgelegt; die Menge an Kohlenstoffausstoß hängt anschließend von der Entscheidung der Wirtschaftsakteure abhängt: sie können entweder den Ausstoß reduzieren oder die Steuer zahlen. Das Endergebnis für die Umwelt bleibt also ungewiss.
Bei Quoten ist es umgekehrt: Erst wird die Obergrenze für den Kohlenstoffausstoß festgesetzt, danach hängt der Preis dafür von verschiedenen Faktoren ab: der wirtschaftlichen Konjunktur, der Energieeffizienz usw. Die Steuer gibt also einem sicheren ökonomischen Resultat den Vorzug, die Quote einem sicheren ökologischen Resultat. In Bezug auf Klimafragen tut man gut daran, die zweite Lösung vorzuziehen.
Die Steuer wirft unabweisbar die Frage nach der Inwertstellung der Natur, damit auch des menschlichen Lebens, auf. Damit die Steuer zu einer ausreichenden Senkung der Emissionen führt, ist es notwendig, muss ihre Höhe in ein Verhältnis zu den Gesamtkosten der Klimaschäden gesetzt werden.
Ein bedeutender Teil dieser Kosten lässt sich jedoch unmöglich quantifizieren; die Quantifizierung basiert zudem auf "Zahlungsbereitschaft", also auf einem utilitaristischen Verständnis der Natur: Wenn jemand nicht zahlen will, um eine bestimmte Schmetterlingsart zu retten, die "zu nichts nutze ist", wird sie verschwinden. Bei anderen Schäden, die den Menschen betreffen, mündet ihre Quantifizierung in Geld in Ergebnissen, die von einem ethischen Standpunkt aus inakzeptabel sind. Je nach "Zahlungsbereitschaft" ist das Leben eines Landarbeiters aus Tanzania nur ein Hundertstel von dem eines New Yorker Bankers wert.
Ethische Erwägungen können solche Zahlen sicher korrigieren. Das macht der Stern-Bericht; er stützt sich auf Studien, die die globalen Kosten um 33% oder sogar das Doppelte erhöhen, um die Auswirkungen auf die Dritte Welt höher zu bewerten. Solche Überlegungen verschaffen vielleicht manch einem ein ruhiges Gewissen, doch sie reichen nicht für eine Gleichbehandlung von Arm und Reich. Solche "ethischen Korrektive" sind nichts als Wundpflaster auf dem Wertgesetz, ein kapitalistisches Gesetz, das sich mehr und mehr als ein ungeeigneter Maßstab für den wahren sozialen und natürlichen Reichtum herausstellt.

Die soziale Sicherheit ist bedroht

Bis zum Jahr 2050 müssen die Emissionen um 80% reduziert werden. Das verlangt weitreichende soziale und strukturelle Umwälzungen. Diese Veränderungen müssen über einen Gesamtplan umgesetzt werden, sie können nicht einer hypothetischen Fähigkeit überlassen werden, den Markt über den Weg einer Steuer zu regulieren. Der Plan muss gestützt werden von der Aufklärung und dem Engagement der Bevölkerung.
Es ist daher von strategischer Bedeutung, dass er zum Gegenstand einer demokratischen gesellschaftlichen Debatte wird, dass die Menschen sich bewusst werden, dass es hier nicht um eine neuen Trick geht, die soziale Ungleichheit noch zu vergrößern. Wenn man sich für ein Quotensystem entscheidet, gibt es offenkundig keine Garantie, dass eine solche Debatte stattfindet. Entscheidet man sich aber für die Steuer, findet sie jedoch ganz sicher nicht statt. Denn wenn die Steuer einmal eingeführt ist, wird sich der Markt alles regeln ... auf seine Weise: auf dem Rücken der Arbeiter und der Armen auf der ganzen Welt.
Das führt uns zur sozialen Frage. Die Rechnung wird gelinde gesagt schmerzhaft teuer. Erstens wird die Steuer sofort auf die Preise abgewälzt werden. Zweitens sehen alle Vorschläge von Seiten der Regierungen vor, dass die CO2- Steuer durch eine Senkung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung kompensiert werden muss, damit nur ja nicht die heilige Kuh des Wettbewerbs gefährden. Man muss sich klar machen, was das bedeutet.
Nach Einschätzungen des belgischen Planungsbüros würde eine Senkung der Emissionen um 30% bis zum Jahr 2020 (es sei daran erinnert, dass sie bis zum Jahr 2050 auf 80% gesenkt werden müssen mit Hilfe der CO2-Steuer, die mit einer Minderung der Sozialbeiträge der Arbeitgeber einhergeht, die indirekten Steuer (die ungerechtesten aller Steuern) um einen Betrag in die Höhe treiben, der 1,6% des PIB entspricht. Das Geschenk an die Unternehmer beliefe sich auf 8960 Millionen Euro, das entspricht einer Senkung der Lohnkosten von 3,9% und einem Anstieg der durchschnittlichen Energiekosten für den Endverbraucher um 32,5%. Die abhängig Beschäftigten würden dreimal zahlen: a) die Steuer auf ihre eigenen Emissionen (Heizung, Verkehr usw.); b) die Steuer auf die Emissionen der Unternehmen (durch höhere Preise); c) durch die Destabilisierung der Sozialsysteme. Wenn die Steuer ihr Ziel erreicht, wird die Wirtschaft kohlenstofffrei, die Einnahmen werden sich also weniger ... Wer stopft dann das Loch in den Sozialsystemen?"
Diese drei Aspekte — Soziales, Umwelt und Politik — sind eng miteinander verbunden. Wenn die Bevölkerung mitkriegt, dass der Kampf gegen den Klimawandel nur als Vorwand dient, ihr das Geld aus der Tasche zu ziehen, wird sie sich gegen die CO2-Steuer wenden (so wie sie sich gegen die Ökosteuern gewehrt hat).
Diese Abwehr ist legitim, aber sie behindert die notwendige Konvergenz zwischen dem sozialen und ökologischen Kampf, also zwischen den Ausgebeuteten des Nordens und des Südens. Diese Konvergenz ist strategisch entscheidend, denn der Klimawandel ist ein weltweites gesellschaftliches Phänomen. Sie ist eine Folge der kapitalistischen Logik der Gesellschaft und kann deshalb nur durch ein Bündel von Maßnahmen für grundlegende strukturelle Änderungen bekämpft werden: hochwertiger und kostenloser öffentlicher Verkehr; Verbot von Güterverkehr auf der Straße oberhalb einer bestimmten Entfernung; ein öffentliches Programm der Gebäudeisolierung; ein öffentliches Programm für die Entwicklung der Sonnenenergie unabhängig von den Kosten (für die Atomenergie haben die Staaten das gemacht!); Einschränkung der Flexibilisierung der Arbeit, die die Menschen dazu nötigt, das Auto zu nutzen; ein massiver Transfer sauberer Technologien in die Dritte Welt, bei vollem Achtung der Souveränität dieser Länder.
Lediglich kollektive Maßnahmen dieser Art ermöglichen es jedem Einzelnen, sich klimaverantwortlich zu verhalten. Das Geld für die Finanzierung ist da: Die Profite aus dem Verkauf von fossilen Brennstoffen betragen jährlich weltweit 1500 Milliarden Euro, die Haushalte der Verteidigungsminister addierten sich im Jahr 2004 auf 1037 Dollar. Dem Stern-Bericht zufolge macht beides zusammen mehr als doppelt so viel aus wie die Kosten für die Senkung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre unter die kritische Schwelle von 450ppmv.

Daniel Tanuro

Der Autor arbeitet bei einer belgischen Umweltschutzorganisation.



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