SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2007, Seite 11

Leere Mägen, volle Tanks

Die Kollateralschäden des Biosprits

Der Markt hat sich in Ansätzen bereits entwickelt: Weltweit verpflichten dreißig Länder Tankstellenbetreiber, dem Kfz-Kraftstoff Biosprit beizumischen. Mit 1,7 Milliarden Liter stellt Deutschland mittlerweile knapp die Hälfte des europäischen Ethanols und Biodiesels her. Doch der neue Ökoboom führt zu eklatanten Kollateralschäden.
Groß sind die Hoffnungen auf den Biosprit — er soll den CO2-Ausstoß des Individualverkehrs senken. Erst Anfang Februar hat die EU- Kommission neue Obergrenzen für den Ausstoß des klimaschädigenden Kohlendioxids verordnet — die niedrigeren Werte sollen unter anderem durch die Beimischung von Biotreibstoffen erreicht werden.
Nicht nur das ökologische Gewissen umweltbewusster Autofahrer wird dadurch scheinbar beruhigt, nach Ansicht von Agrarexperten zeichnet sich sogar eine Entwicklungsperspektive für die armen Länder des Südens ab. Hauptsächlich hier sollen nämlich die begehrten Ölpflanzen angebaut werden.
Der senegalesische Präsident Abdoulaye Wale träumt schon von einer "grünen OPEC", die den Erdölländern Konkurrenz machen könnte.
Auch die westlichen Agrarkonzerne hoffen auf eine neue Goldgräberstimmung. Großflächige Monokulturen für Mais, Palmöl, Zucker, Raps und andere biospritfähige Sorten versprechen neue Absatzmärkte für gentechnisch manipuliertes Saatgut, Kunstdünger und Pestizide — Agrarwissenschaftler der Universität Utrecht betrachten sie als notwendig für einen effizienten Anbau.
Neben den USA und Europa bauen vor allem Brasilien, Argentinien, Kolumbien und Malaysia Biosprit in Monokulturen an. Indonesien gehört mit zu den Ländern, die heute schon die negativen Auswirkungen zu spüren bekommen. Das Land soll mit großflächigen Palmölkulturen nicht nur einen Teil des Biospritbedarfs der EU sichern, sondern auch den des boomenden China. Chinas größter Treibstoffkonzern hat im Januar dieses Jahres 5,5 Milliarden Dollar in die Palmölerzeugung in Indonesien investiert und will damit den Energiehunger der wachstumsstärksten Volkswirtschaft absichern.
Umweltschützer und kritische Agrarwissenschaftler gehen davon aus, dass die Palmölerzeugung in Südostasien nur ausgeweitet werden kann, wenn dafür Regenwald abgeholzt wird und Äcker, die bisher dem Anbau von Nahrungsmitteln dienten, künftig das Rohmaterial für den Biosprit liefern.
Für viele Bauern bedeutet der Anbau schon heute den "Verlust ihrer Existenzgrundlage", erklärt die Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia, die von gigantischen Plantagenprojekten auf Borneo berichtet.
Selbst in den USA führen die Preisschwankungen für fossile Energieträger dazu, dass immer mehr Autofahrer auf Biosprit setzen. In den vergangenen sechs Jahren hat sich die Produktion von Biosprit dort auf mehr als 18 Milliarden Liter pro Jahr verdoppelt.
Die EU-Kommission hat Anfang Februar vorgeschlagen, bis zum Jahr 2020 einen Anteil von 10% Biosprit im Kraftstoff zu erreichen. Doch OECD- Landwirtschaftsdirektor Stefan Tangermann warnt: Wenn Ethanol nur 10% des herkömmlichen Treibstoffs in Europa ersetzen soll, dann muss hier ein Drittel der gesamten Ackerfläche für den Anbau von Energiepflanzen zur Verfügung gestellt werden. Lebensmittel würden dadurch erheblich teurer.
Auch wegen der hohen Produktionskosten in Europa fordert Tangermann, dass die Bioenergie an den günstigsten Standorten der Welt produziert werden müsse. "Voraussetzung dafür ist die Abschaffung der Einfuhrzölle auf Biodiesel und Bioethanol", so Tangermann weiter.
Allerdings warnt er auch davor, dass die Lebensmittelversorgung in manchen Entwicklungsländern beeinträchtigt werden könnte. "Auch sie werden den Preis für den Energiehunger der Industrieländer bezahlen müssen. Die internationale Wohlstandskluft könnte noch größer werden", räumte er ein.
Mehrere NGOs fordern die EU deshalb dazu auf, keine Zielvorgaben für die Beimengung von Biosprit festzulegen, sondern "auf eine drastische Reduzierung des Energieverbrauchs und wirklich nachhaltige, erneuerbare Energie zu setzen", heißt es in einer Erklärung des Corporate Europe Observatory. Seit mehr als zehn Jahren beobachtet die NGO die Grauzone zwischen Politik und Wirtschaft in Brüssel. Die Abholzung der Regenwälder für die gigantischen Plantagen trage ihrerseits zur Erhöhung des CO2-Ausstoßes bei.
An einer Umstellung auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel wie Bahn und Fahrrad führt offensichtlich kein Weg vorbei, soll nicht das Brot der Welt in den Automotoren der Bevölkerung der westlichen Industriestaaten und der Schwellenländer verfeuert werden.

Gerhard Klas

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