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Der Markt hat sich in Ansätzen bereits entwickelt: Weltweit verpflichten dreißig Länder
Tankstellenbetreiber, dem Kfz-Kraftstoff Biosprit beizumischen. Mit 1,7 Milliarden Liter stellt Deutschland
mittlerweile knapp die Hälfte des europäischen Ethanols und Biodiesels her. Doch der neue
Ökoboom führt zu eklatanten Kollateralschäden.
Groß sind die Hoffnungen auf den
Biosprit er soll den CO2-Ausstoß des Individualverkehrs senken. Erst Anfang Februar hat die EU-
Kommission neue Obergrenzen für den Ausstoß des klimaschädigenden Kohlendioxids verordnet
die niedrigeren Werte sollen unter anderem durch die Beimischung von Biotreibstoffen erreicht
werden.
Nicht nur das ökologische Gewissen
umweltbewusster Autofahrer wird dadurch scheinbar beruhigt, nach Ansicht von Agrarexperten zeichnet sich
sogar eine Entwicklungsperspektive für die armen Länder des Südens ab. Hauptsächlich
hier sollen nämlich die begehrten Ölpflanzen angebaut werden.
Der senegalesische Präsident Abdoulaye
Wale träumt schon von einer "grünen OPEC", die den Erdölländern Konkurrenz
machen könnte.
Auch die westlichen Agrarkonzerne hoffen
auf eine neue Goldgräberstimmung. Großflächige Monokulturen für Mais, Palmöl,
Zucker, Raps und andere biospritfähige Sorten versprechen neue Absatzmärkte für gentechnisch
manipuliertes Saatgut, Kunstdünger und Pestizide Agrarwissenschaftler der Universität
Utrecht betrachten sie als notwendig für einen effizienten Anbau.
Neben den USA und Europa bauen vor allem
Brasilien, Argentinien, Kolumbien und Malaysia Biosprit in Monokulturen an. Indonesien gehört mit zu
den Ländern, die heute schon die negativen Auswirkungen zu spüren bekommen. Das Land soll mit
großflächigen Palmölkulturen nicht nur einen Teil des Biospritbedarfs der EU sichern,
sondern auch den des boomenden China. Chinas größter Treibstoffkonzern hat im Januar dieses
Jahres 5,5 Milliarden Dollar in die Palmölerzeugung in Indonesien investiert und will damit den
Energiehunger der wachstumsstärksten Volkswirtschaft absichern.
Umweltschützer und kritische
Agrarwissenschaftler gehen davon aus, dass die Palmölerzeugung in Südostasien nur ausgeweitet
werden kann, wenn dafür Regenwald abgeholzt wird und Äcker, die bisher dem Anbau von
Nahrungsmitteln dienten, künftig das Rohmaterial für den Biosprit liefern.
Für viele Bauern bedeutet der Anbau
schon heute den "Verlust ihrer Existenzgrundlage", erklärt die Menschenrechtsorganisation
Watch Indonesia, die von gigantischen Plantagenprojekten auf Borneo berichtet.
Selbst in den USA führen die
Preisschwankungen für fossile Energieträger dazu, dass immer mehr Autofahrer auf Biosprit setzen.
In den vergangenen sechs Jahren hat sich die Produktion von Biosprit dort auf mehr als 18 Milliarden Liter
pro Jahr verdoppelt.
Die EU-Kommission hat Anfang Februar
vorgeschlagen, bis zum Jahr 2020 einen Anteil von 10% Biosprit im Kraftstoff zu erreichen. Doch OECD-
Landwirtschaftsdirektor Stefan Tangermann warnt: Wenn Ethanol nur 10% des herkömmlichen Treibstoffs in
Europa ersetzen soll, dann muss hier ein Drittel der gesamten Ackerfläche für den Anbau von
Energiepflanzen zur Verfügung gestellt werden. Lebensmittel würden dadurch erheblich teurer.
Auch wegen der hohen Produktionskosten in
Europa fordert Tangermann, dass die Bioenergie an den günstigsten Standorten der Welt produziert
werden müsse. "Voraussetzung dafür ist die Abschaffung der Einfuhrzölle auf Biodiesel
und Bioethanol", so Tangermann weiter.
Allerdings warnt er auch davor, dass die
Lebensmittelversorgung in manchen Entwicklungsländern beeinträchtigt werden könnte.
"Auch sie werden den Preis für den Energiehunger der Industrieländer bezahlen müssen.
Die internationale Wohlstandskluft könnte noch größer werden", räumte er ein.
Mehrere NGOs fordern die EU deshalb dazu
auf, keine Zielvorgaben für die Beimengung von Biosprit festzulegen, sondern "auf eine drastische
Reduzierung des Energieverbrauchs und wirklich nachhaltige, erneuerbare Energie zu setzen", heißt
es in einer Erklärung des Corporate Europe Observatory. Seit mehr als zehn Jahren beobachtet die NGO
die Grauzone zwischen Politik und Wirtschaft in Brüssel. Die Abholzung der Regenwälder für
die gigantischen Plantagen trage ihrerseits zur Erhöhung des CO2-Ausstoßes bei.
An einer Umstellung auf umweltfreundlichere
Verkehrsmittel wie Bahn und Fahrrad führt offensichtlich kein Weg vorbei, soll nicht das Brot der Welt
in den Automotoren der Bevölkerung der westlichen Industriestaaten und der Schwellenländer
verfeuert werden.
Gerhard Klas
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