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Menschenwürde war das Motto des Streiks beim "Airline Caterer"
(zuständig für die Beköstigung von Fluggästen) Gate Gourmet in Düsseldorf vom
Oktober 2005 bis zum April 2006. Damit gehört er zu den längsten Streiks in der Geschichte der
BRDDas Buch beginnt mit der Schilderung des Streiks bei Gate Gourmet am Flughafen London Heathrow im
August/September 2005, auf den sich die Streikenden in Düsseldorf immer wieder bezogen. Beide Streiks
richteten sich gegen den internationalen Finanzinvestor Texas Pacific Group (TPG), der Gate Gourmet 2002
von der Schweizer Fluggesellschaft Swiss Air gekauft hatte. Dieses Unternehmen gehört zu den sog.
"Heuschrecken", gegen die Franz Müntefering 2005 eine populistische Kampagne gestartet
hatte, mit der scheinbar der Kapitalismus kritisiert werden sollte, in Wirklichkeit aber nur populäre
Vorurteile bedient wurden, um von den wirklichen Problemen abzulenken.
Der Streik bei Gate Gourmet entstand aber
genau auf Grund dieser realen Probleme. Nach dem Kauf durch TPG verschlechterten sich die auch vorher schon
schlechten Bedingungen noch weiter, als der neue Besitzer die Beraterfirma McKinsey in die Betriebe
schickte, um die Arbeitsabläufe zu verändern. Diesem Vorgang sind im Buch zwei Kapitel gewidmet.
Die Mitarbeiter von McKinsey sind so geschult, dass sie in den Betrieben die Rolle des Kumpels der
Arbeiterinnen und Arbeiter spielen, die so scheinbar einbezogen werden. Im Ergebnis werden aber ihre
Aussagen gegen sie verwendet und es entsteht im Betrieb eine Art hypertayloristisches Regime, das von den
Arbeiterinnen und Arbeitern als Angriff auf ihre Menschenwürde verstanden wird. Dadurch wird die
Arbeitsverdichtung und damit die Arbeitshetze so stark, dass sich die Beschäftigten verheizt
fühlten. Das war der eigentliche Grund für den Streik, der offiziell von der Gewerkschaft NGG als
Tarifstreik für 4,5% Lohnerhöhung geführt wurde.
Der Name des Herausgeberkollektivs
"Flying Pickets", was so viel wie "umherschweifende Streikposten" bedeutet, spricht
eine weitere Besonderheit des Streiks an. Es gab ein linkes Unterstützerkomitee, das Aufgaben
übernahm, die die Streikenden aufgrund der Gesetzeslage nicht übernehmen konnten. Dazu
gehörte das Blockieren von Lkw, die von Streikbrechern gefahren wurden. So konnte der Streik eine
gewisse Wirkung entfalten, der ansonsten durch den massiven Einsatz von Streikbrechern materiell fast zur
Wirkungslosigkeit verurteilt war.
Der Tarifverhandlungen wurden von einer von
den Streikenden aus ihren eigenen Reihen eingesetzten und kontrollierten Tarifkommission geführt und
nicht von einem Gremium hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionäre. Vor Ort gab es sehr engagierte
Gewerkschaftsfunktionäre, aber die NGG hatte das Bestreben, den Streik so schnell wie möglich zu
beenden und nach sechs Monaten tat sie das auch sang- und klanglos und mit einem schlechten Ergebnis.
Ver.di, wo die anderen Filialen von Gate Gourmet organisiert sind (Düsseldorf gehört zu
"Gate Gourmet West", die anderen Filialen zu "Gate Gourmet Deutschland"), verzichtete
weitgehend auf Solidaritätsaktionen. So gaben die Gewerkschaften ein eher klägliches Bild ab.
Das Buch wurde zwar aus dem Kreis der
linken Unterstützerinnen und Unterstützer initiiert, aber die Streikenden kommen darin
ausführlich zu Wort. Trotz des bescheidenen Ergebnisses bedauert niemand von ihnen, am Streik
teilgenommen zu haben. Sie alle sind stärker und selbstbewusster aus dem Streik heraus als hinein
gegangen.
Das Buch ist schon allein deshalb
lesenswert, weil eine so ausführliche Reflexion eines Arbeitskampfes in Buchform sehr selten ist.
Außerdem könnte dieser Streik der Anfang einer neuen Art von Arbeitskämpfen sein. Da auch
beim Streik im öffentlichen Dienst, der im ersten Halbjahr 2006 stattfand, ähnliche Tendenzen,
wenn auch weit weniger ausgeprägt, zu beobachten waren, ist das vielleicht mehr als nur ein frommer
Wunsch. Und die Tarifrunde für die bei Ver.di organisierten Beschäftigten von "Gate Gourmet
Deutschland" hat gerade erst begonnen...
Andreas Bodden
Weitere Infos.
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