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Gilbert Achcar, Dozent der Universität Paris VIII für internationale Politik, und Michael
Warschawski, israelischer Autor und Aktivist, legen ein halbes Jahr nach dem Ende des letzten Libanon-
Krieges eine Hintergrundanalyse vor, die zeitgleich auch auf Französisch und Englisch erscheint.Anders
als das gängige Gerede von den zwei Lagern, in die der Libanon gespalten sei dem der
"prowestlichen" (und daher unterstützenswerten) Regierung und dem der
"prosyrischen" (und somit von finsteren Absichten inspirierten) Opposition, im Wesentlichen mit
der Hizbollah gleichzusetzen machen die Kapitel über den Libanon sichtbar, welche
gesellschaftlichen und politischen Kräfte innerhalb und welche Interessen außerhalb des Libanon
bei der Aggression der israelischen Armee jeweils welche Rolle gespielt haben und wie sie weiterhin wirken.
Michael Warschawski ordnet den
"israelischen Krieg gegen den Libanon" in den "Kontext des umfassenden Konflikts" ein,
"der Israel und die arabische Welt entzweit" und seinerseits nur zu begreifen ist, wenn man die
zentrale Rolle berücksichtigt, die dieser Konflikt "in Washingtons unbegrenztem globalen
Krieg spielt". Diese Einordnung ist Welten entfernt von der irrwitzigen Propaganda um zwei
entführte israelische Soldaten, die durch jenen Feldzug gegen ein ganzes Land angeblich befreit werden
sollten.
Wer über die weithin diabolisierte
Hizbollah authentische Informationen und glaubwürdige Einschätzungen sucht, um in den hitzigen
Debatten über den Nahen Osten Klarheit zu gewinnen, dem wird das Buch über den 33-Tage-Krieg
weiterhelfen, zumal die Autoren keine Illusionen über die konservative Ideologie der islamistischen
Bewegung hegen. Doch sie beschreiben die soziale Basis dieser Bewegung und wie sie sich bekennend
wie faktisch in die multikulturelle und multikonfessionelle libanesische Gesellschaft einfügt.
Dazu gehört u.a., dass sie sich von
der Zielvorstellung eines Gottesstaats im Libanon nach dem Muster des Iran abgewandt hat. Achcar leugnet
nicht, dass die Hizbollah in ihren Anfangsjahren in radikaler Konkurrenz zur ebenfalls am Widerstand gegen
die israelischen Besatzer beteiligten KP des Libanon stand, eine Konkurrenz, die sich bis zur blutigen
Gegnerschaft auswachsen konnte.
Damit ist eine der Befürchtungen
angesprochen, die gerade unter Linken mit Hinweis auf den Iran immer wieder geäußert werden. Wie,
wenn die Islamisten an die Macht kämen würden sie nicht, wie im Iran, ihre Konkurrenten
bzw. Gegner gnadenlos verfolgen? Die Frage ist berechtigt, doch sollte sie nicht nur rhetorisch gestellt,
sondern, wie bei Achcar/Warschawski tatsächlich untersucht werden.
Welcher Art ist die Macht der Hizbollah im
Libanon? Wie kann es sein, dass sie, besonders seit dem letzten Krieg, Vertrauen und sogar Anerkennung bei
einer Mehrheit der Libanesen, auch bei Christen, Sunniten, bei überzeugten Laizisten, bei Kommunisten
und anderen Linken genießt, ohne dass diese dafür von ihren Überzeugungen ablassen
würden?
Aus dem Feldzug, den Israel mit seiner
haushoch überlegenen Armee als totalen Krieg gegen die gesamte Bevölkerung führte, ist die
Hizbollah nicht geschlagen, sondern gestärkt hervorgegangen. Seither genießt sie nicht nur im
Libanon, sondern in der gesamten arabischen Welt und darüber hinaus hohes Ansehen, während die
Klientel-Regimes der USA und Europas in der Region (Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien) vor der
erstarkten nationalen Befreiungsbewegung in einem arabischen Land zittern.
Michael Warschawski leuchtet die
israelischen Motive für den Sommerfeldzug und seine Folgen aus und stellt ihn in den Zusammenhang mit
der ebenfalls im Sommer entfesselten israelischen Aggression gegen die eingesperrte Bevölkerung des
Gazastreifens. Er geht insbesondere auf die Deformationen im öffentlichen Bewusstsein der israelischen
Bevölkerung und der regierenden Eliten ein, die "durch die eigene Propaganda" verblendet
seien.
Die "Unfähigkeit, den anderen zu
verstehen" bezeichnet Warschawski als "typisch für jede Kolonialbeziehung ... Der Araber ist
primitiv und ängstlich, der Moslem grausam und antisemitisch. Wir sind zivilisiert, modern, effizient
und manchmal großzügig." Warschawski geißelt die Unfähigkeit und
Verantwortungslosigkeit einer politischen Führung, die derart an ihrer eigenen Propaganda, an der
Dominanz des militärischen Denkens und der bedingungslosen Unterstützung durch die USA und Europa
berauscht, dass sie ihre Macht und Überlegenheit maßlos überschätzt. Darin sieht er
eine der Ursachen für den Verfall der israelischen Institutionen und indirekt auch für das
militärische Scheitern Israels.
Selbst im Herzen des Imperiums, das jenen
unbegrenzten globalen Krieg führt, machen die Autoren Zweifel aus. Die Kritiker in den USA und Israel
haben angesichts des Erfolgs des libanesischen Widerstands Auftrieb bekommen. Vor allem aber nagt die
für die USA und ihre Alliierten sich immer auswegloser darstellende Situation im Irak am triumphalen
Selbstbewusstsein der Bush-Krieger und ihrer Gefolgsleute. Um diese Erosionserscheinungen zu nutzen, bedarf
es einer entschlossenen und klarsichtigen Friedensbewegung, "gerüstet" mit Büchern wie
dem über den 33-Tage-Krieg.
Sophia Deeg
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