SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2007, Seite 19

Catch 22:

Permanent Revolution (Victory Records)

Während die jüngeren deutschen Punkbands nicht einmal den Weg der Kolporteure ("Aus dem Motto wurden Phrasen") gehen, sondern sich zunehmend auf Sauf- und Pubertätspunk mit einer gehörigen Portion Sexismus begrenzen, versuchen sich Catch 22 aus New Jersey an einem Konzeptalbum. In elf Songs wagen sich die Ska Punks an biografische Stationen von L.D.Trotzki heran.
Konzeptalben sind sicherlich vom Anspruch her eine besondere Sache und im Punk wie beim Ska selten zu finden. Nicht alle gelingen dabei so wie etwa Greendays letztes Album, das sich um ein alltägliches amerikanisches Kleinstadtleben dreht. Sich an eine historische Galionsfigur heranzuwagen stellt sicherlich eine zusätzliche Herausforderung dar. Im Reggae und Ska dreht es sich in solchen Fällen meist um eine Verehrung des letzten äthiopischen Kaisers. Dabei wird dieser Despot in den Status eines Heiligen gehoben. Dem Punk sind eigentlich Hymnen auf Politiker fremd. Catch 22 haben sich mit Permanent Revolution so auf ein schwieriges Terrain begeben. Sicherlich einige Lieder über Trotzki gibt es in der Popmusik seit langem. in Deutschland meines Wissens zuletzt 1998 mit Leopold Kraus‘ Wellenkapelle, die mit "Trotzki Beat" ein Surf- Liedchen über den Revolutionär sangen. Aber da ist die Produktion von Catch 22 doch von einem anderen Format. Vor allem auf der lyrischen Seite der CD beherrschen sie dieses Terrain sehr gut. Oft genug stellen sie Fragen, ohne Lehrerhaft daherzukommen. Auch gibt es kein Gedicht auf die IV.Internationale, wie es sich Trotzki Ende der 30er Jahre von Alice Rühle-Gerstel gewünscht hatte. Diese hatte sich ja damals vor einer solchen Peinlichkeit bewahrt mit den Worten: "Genosse L.D., ich dichte nur, wenn ich‘s vor Verzweiflung nicht mehr aushalten kann!" Von einer solchen Dichtung aus der Verzweiflung heraus sind Catch 22 zum Glück weit entfernt.
Ob der Ska mit den wenigen rockigen Punk- Sequenzen, wie er hier gespielt wird, das angemessene Musikform ist, möchte ich einmal in die Kategorie Geschmackssache einordnen, über die sich bekanntlich streiten lässt. Aber die Frische der Musik gibt dem Thema auf jeden Fall einen unverstaubten Klang.
Im Prolog geht es um die allgemeine Betrachtung der russischen Revolution von 1917 und im Epilog wird die Frage aufgestellt, wie sich jemand wie Trotzki sein Leben dermaßen der Revolution verschreiben kann: "Why would a man who believed in no god / Sacrifice all he had /To kill or be killed in pursuit of a cause / Was the fate that called to him."
Die anderen neun Lieder greifen Stationen aus dem Leben ihres "Helden", wie sie ihn nennen, heraus. Begonnen wird mit der Flucht aus Sibirien 1902 um dann gleich zum Jahre 1917 weiterzuspringen. Die Flucht wird wohl nicht so gemütlich gewesen sein, wie der getragene Ska in "The Spark (1902)" daher kommt. Ob die Revolution von 1917 als Party verstanden werden kann, wie es der Titel des musikalischen Beitrags nahelegt, sei einmal dahin gestellt. Leider gehört der "Party Song" nicht einmal zu den Stücken, die daran erinnern, dass die sechs Musiker aus den USA einmal zu den druckvollsten Skapunk-Musikern der USA gehört haben. Das kommt eher bei "On the Black Sea (1924)" herüber, bei dem es um das Erbe Lenins geht. Auch "A Minor Part (1922)" oder "Bad Party (1927)" haben diesen Schwung.
Es bleibt jedoch zu befürchten, dass die Texte der Musiker aus New Jersey und so auch ihre Botschaft an den meisten Ohren vorbeirauschen. Eignen sich die Lieder doch nicht zum mitgröhlen. Gerade da, wo die Verbindung von Musik und Text besonders gut gelungen ist, geht der Text am leichtesten unter. Vielleicht gründet sich meine Befürchtung auch auf dem eingangs beschrieben Trend, den ein Freund mit den Worten umschrieb: Im Gegensatz zu den Kassierern meinen die jungen Punks diese Texte auch noch ernst. Da bleibt zu hoffen, dass solch ein Projekt wie Permanent Revolution von Catch 22 keine Ausnahme bleibt.
Die CD ist mit einem Booklet, das die Texte enthält bei dem Indi Label Victory Records erschienen. Die Texte sind unter www.lyricsdir.com/catch- 22-lyrics. html im Internet zu finden.

Thomas Schroedter

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